Jahresberichte der Karl Dedecius Stiftung
Jahresbericht 2025
Das Jahr 2025 stand im Zeichen einer intensiven deutsch-polnischen kulturellen Zusammenarbeit, einer hohen öffentlichen Sichtbarkeit und eines breit gefächerten Engagements in Wissenschaft, Bildung und kulturellem Dialog.

Jahresbericht 2024
Das Programm der Karl Dedecius Stiftung umfasste eine Vielzahl von Drittmittelprojekten und Veranstaltungen, darunter wissenschaftliche Tagungen, Workshops, Ausstellungen sowie die Vorbereitung und Beteiligung an mehreren Publikationen. Diese Aktivitäten wurden in enger Kooperation mit Partnern aus Deutschland und Polen realisiert – darunter Schulen, Hochschulen, wissenschaftliche Forschungseinrichtungen und kulturelle Institutionen. Gemeinsam trugen sie dazu bei, die grenzüberschreitende Verständigung zu stärken, kulturelle Vielfalt sichtbar zu machen und die Arbeit der Stiftung nachhaltig im öffentlichen Raum zu verankern.
Konferenzen und Tagungen
Die Karl Dedecius Stiftung war im Berichtsjahr 2025 an der Vorbereitung und Durchführung mehrerer wissenschaftlicher Konferenzen und Tagungen beteiligt, die in Zusammenarbeit mit Hochschulen, Forschungseinrichtungen und kulturellen Institutionen aus Deutschland und Polen realisiert wurden. Eine dieser Veranstaltungen war die in Wrocław durchgeführte Tagung „Wahrheit – Erinnerung – Versöhnung. Das Vermächtnis von Władysław Bartoszewski zum 10. Jahrestag seines Todes“, die in Kooperation mit dem Muzeum Pana Tadeusza (Ossolineum) durchgeführt wurde und deren Umsetzung – auf Grundlage eines vom Ossolineum eingereichten Antrags – mit Unterstützung der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit sowie der Konrad-Adenauer-Stiftung ermöglicht wurde. Die Tagung würdigte das Wirken Władysław Bartoszewskis im Kontext der deutsch-polnischen Versöhnung und beleuchtete historische wie gegenwartsbezogene Aspekte der Erinnerungskultur. Im Anschluss wurde die Ausstellung „1945. Czy to jest wolność“ (Ist das die Freiheit?) eröffnet, die Erfahrungen und Entscheidungsprozesse der unmittelbaren Nachkriegszeit thematisierte und durch kuratorische Führungen sowie ein ergänzendes Gesprächsformat vertieft wurde. An dem Projekt waren insg. circa 70 Personen beteiligt. Die Ausstellung kann noch bis Mitte Februar im Muzeum Pana Tadeusza besucht werden.
Eine weitere wissenschaftliche Veranstaltung zu Władysław Bartoszewski war das am 13. November 2025 an der Europa-Universität Viadrina durchgeführte 5. Symposium der Reihe „Bartoszewski Promemoria“ unter dem Titel „Kulturen der Demokratie“, das in Kooperation mit der Kardinal-Stefan-Wyszyński-Universität Warschau, dem Muzeum Pana Tadeusza (Ossolineum), dem Ökumenischen Europa-Centrum sowie dem Viadrina Center B/ORDERS IN MOTION und dem Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies stattfand. Wie in den Vorjahren prägten namhafte Gäste aus Deutschland und Polen die Tagung, darunter Prof. Dr. Irena Lipowicz, ehemalige Botschafterin Polens in Österreich, Prof. Dr. Monika Namysłowska, Honorarkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in Łódź, sowie Prof. Dr. Matthias Schlossberger, Professur für Sozialphilosophie an der Europa-Universität Viadrina. Die durch die Sanddorf-Stiftung und die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit geförderte Veranstaltung widmete sich nach einem einführenden Vortrag in drei Panels unterschiedlichen kulturellen Dimensionen demokratischer Ordnungen – von Rechts- und Wissenskulturen bis hin zur Bedeutung kultureller Ausdrucksformen für demokratische Werte. Rund 140 Personen nahmen vor Ort oder online teil; die Aufzeichnung wurde im Anschluss veröffentlicht. Am Folgetag vertiefte ein deutsch-polnischer Studierendenworkshop mit 25 Studierenden aus Warschau und Frankfurt (Oder) die Inhalte des Symposiums und bot Raum für fachlichen Austausch sowie gemeinsame Reflexion. Der Workshop stärkte den interkulturellen akademischen Dialog zwischen beiden Universitäten und knüpfte inhaltlich unmittelbar an die Themen des Symposiums an.
Zwei weitere Konferenzen, die unter Beteiligung der Karl Dedecius Stiftung im selben Jahr organisiert wurden, widmeten sich dem Leben und Werk herausragender literarischer Übersetzer*innen und hoben die Bedeutung sprachlicher Vermittlung im deutsch-polnischen Kultur- und Forschungsraum hervor. Die erste dieser Konferenzen war die internationale Tagung „Subtile Mittler/-innen von Sprachwelten. In memoriam Karin Wolff“, die am 30.–31. Mai 2025 an der Jakob-von-Paradies-Akademie in Gorzów Wielkopolski stattfand. Sie wurde vom Akademischen Zentrum für Euroregionale Studien – Forschungsstelle für deutsch-polnische Sprachkontakte organisiert und in Kooperation mit dem Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies, der Karl Dedecius Stiftung, dem Sprachenzentrum der Europa-Universität Viadrina, dem Lehrerfortbildungsinstitut Gorzów Wielkopolski sowie dem Kompetenz- und Koordinationszentrum Polnisch St. Marienthal/Ostritz durchgeführt. Die Tagung würdigte das Leben und Werk der aus Frankfurt (Oder) stammenden Übersetzerin Karin Wolff und widmete sich der Rolle sprachlicher Vermittlung in interkulturellen, fachlichen und gesellschaftlichen Kontexten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Sprach-, Literatur- und Kulturwissenschaften diskutierten Beiträge zu Textübertragung, Mehrsprachigkeit und Fremdsprachendidaktik. Die Wahl des Tagungsortes in der deutsch-polnischen Grenzregion unterstrich die biografische und symbolische Bedeutung des Wirkens von Karin Wolff. An der Konferenz nahmen ca. 70 Personen teil.
Die zweite wissenschaftliche Konferenz im Berichtsjahr war die internationale Tagung „Henryk Bereska – ein Mann im Dazwischen“, die vom 15.–17. Oktober 2025 in Collegium Polonicum in Słubice stattfand. Die Tagung widmete sich dem literarischen, translatorischen und kulturvermittelnden Werk Henryk Bereskas und beleuchtete seine Bedeutung für den deutsch-polnischen Wissensaustausch. Ein öffentliches Begleitprogramm ergänzte die Veranstaltung, darunter der Vortrag „In seinem Himmel Pilze – Botschafter der Worte: Henryk Bereska“ von Matthias Thalheim sowie der literarisch-musikalische Abend „Henryk Bereska – Spuren, Stimmen, Erinnerungen“, bei dem Janina Szarek-Münzberg, Prof. Dr. Thomas Brose, Matthias Thalheim, Odette Bereska und Prof. Dr. Gabriela Matuszek-Stec unterschiedliche Perspektiven auf Leben und Werk Bereskas einbrachten. Ergänzt wurde das Programm durch eine deutsch-polnische literarische Lesung des Theaters des Lachens, in deren Rahmen ein Auszug aus Bereskas Tagebüchern szenisch präsentiert wurde. Zudem stellte Oliwia Dwulit, Studentin der Universität Wrocław, eine von ihr erarbeitete polnische Übersetzung eines weiteren Tagebuchfragments vor, wodurch auch die junge Generation angehender Germanistinnen und Germanisten aktiv in das Programm einbezogen wurde. Weiterhin wurde der Übersetzungswettbewerb „Denkerisch, knapp, präzise – Bereskas Aphorismen übersetzen“ abgeschlossen, an dem 26 Personen teilnahmen und Konrad Miller als Preisträger hervorging. Die Förderung der Tagung und ihrer Begleitveranstaltungen erfolgte durch die Deutsch-Polnische Wissenschaftsstiftung sowie die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit; Hauptveranstalterinnen waren die Karl Dedecius Stiftung und der Lehrstuhl für Translatorik und Glottodidaktik der Universität Wrocław, unterstützt durch das Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies, das Karl Dedecius Archiv sowie den Lehrstuhl für Kultur- und Mediendidaktik der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań. An dem Projekt nahmen ins. ca. 100 Personen teil.
Ein weiteres Projekt, an dem die Karl Dedecius Stiftung im Berichtsjahr beteiligt war, widmete sich dem 60. Jahrestag des Briefwechsels der polnischen und deutschen Bischöfe und seiner Bedeutung für die heutigen deutsch-polnischen Beziehungen. Am 17. November 2025 fand im Collegium Polonicum die zweisprachige Auftaktveranstaltung „Versöhnung in Verantwortung“ statt, bestehend aus einem einführenden Vortrag und einem Podiumsgespräch mit Simultanübersetzung. Auf dem Podium diskutierten Pfarrer Dr. Manfred Deselaers, Dr. Anja Hennig, Prof. Dr. Joanna Lubecka, Prof. Dr. Klaus Ziemer sowie Jan Tombiński, chargé d’affaires der Republik Polen in Deutschland, über historische Voraussetzungen, politische Dimensionen und aktuelle Herausforderungen des deutsch-polnischen Versöhnungsprozesses. Die Moderation übernahmen Dr. habil. Frank Grelka und Dr. Ilona Czechowska – an dieser Veranstaltung nahmen ca. 80 Personen teil.
Am darauffolgenden Tag wurde das Programm durch den Workshop „Worte, die Brücken bauen – den Briefwechsel der Bischöfe gemeinsam lesen und ins Gespräch kommen“ ergänzt, der eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem historischen Dokument ermöglichte und zum gemeinsamen Dialog über Verantwortung und Erinnerung einlud. Zusätzlich fanden zwei weitere Veranstaltungen statt: Im Maximilian-Kolbe-Haus in Frankfurt (Oder) hielt Prof. Dr. Friedhelm Boll den Vortrag „Über die Anfänge des Versöhnungsprozesses zwischen Deutschland und Polen“ mit anschließendem Gespräch (50 Teilnehmende). Zudem wurde im Collegium Polonicum ein Schülerprojekttag durchgeführt, bei dem die Teilnehmenden die Möglichkeit hatten, mit Aleksandra Filc-Bauer, einer 90-jährigen Holocaustüberlebenden aus Breslau, ins Gespräch zu kommen. Diese Begegnung bot einen unmittelbaren Zugang zu Zeitzeugenschaft und stärkte das Verständnis für die Bedeutung individueller Erinnerungen im gesellschaftlichen Versöhnungsprozess (30 Teilnehmende).
Alle Veranstaltungen waren Teil der „Deutsch-Polnischen Woche der Begegnung und Versöhnung“ (16.–23. November 2025), die von der Katholischen Pfarrei St. Maria Magdalena Oderland-Spree als Hauptveranstalterin in Zusammenarbeit mit der Fundacja Edueko Słubice organisiert wurde. Die Karl Dedecius Stiftung war – gemeinsam mit weiteren Partnerinstitutionen, darunter das Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies – an der inhaltlichen Vorbereitung und Durchführung der einzelnen Formate beteiligt.
Studienreise nach Lodz
Die Aktivitäten der Karl Dedecius Stiftung auf den Feldern Erinnerungskultur, Wissenschaft und interkultureller Bildung zeigten sich im Berichtsjahr in mehreren Projekten. Neben den zuvor dargestellten Formaten gehörte dazu auch die inzwischen etablierte Studienreise, die 2025 unter dem Motto „Warum fährt Theo nach Łódź?“ (1.–5. Oktober 2025) stattfand. Im Oktober war die Karl Dedecius Stiftung gemeinsam mit dem Ökumenischen Europa-Centrum Frankfurt (Oder) und der Universität Łódź an der Organisation dieser mehrtägigen Reise beteiligt, an der 46 Personen teilnahmen. Die Reise wurde durch das Land Brandenburg als Bildungsurlaub anerkannt. Ziel war es, wissenschaftliche, kulturelle und ökumenische Perspektiven auf die multikulturelle Metropole Łódź zu vermitteln und den deutsch-polnischen Austausch zu vertiefen. Die Schirmherrschaft übernahm Prof. Dr. Monika Namysłowska, Honorarkonsulin der Bundesrepublik Deutschland in Łódź.
Den thematischen Auftakt bildete ein Grenzgespräch schon im Vorfeld an der Europa-Universität Viadrina mit Prof. Dr. Karolina Prykowska-Michalak, das zentrale historische, kulturelle und literarische Bezugspunkte zur Stadt Łódź aufbereitete. Während der Reise erhielten die Teilnehmenden Einblicke in zentrale Erinnerungsorte und kulturelle Institutionen, darunter die Gedenkstätte Kulmhof, das Marek-Edelman-Dialogzentrum, die historischen Industrieanlagen von Księży Młyn, das Museum der Kinematographie, die Manufaktura, die Piotrkowska-Straße sowie weitere Orte der Industriekultur und urbanen Transformation. Besondere Akzente setzten fachliche Begegnungen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Kultur und Stadtgesellschaft, darunter: Gespräche mit Literatur- und Theaterwissenschaftler*innen der Universität Łódź, insbesondere Prof. Dr. Joanna I. Jabłkowska, Prof. Dr. Karolina Prykowska-Michalak und Prof. Dr. Artur Pełka; ein Treffen mit der Übersetzerin Sława Lisiecka und dem Germanisten Prof. Dr. Krzysztof A. Kuczyński im Literaturhaus Łódź; eine Stadtführung „auf den Spuren ehemaliger Flüsse“ mit Maciej Robert; ein Austausch mit Joanna Podolska, der langjährigen Leiterin des Marek-Edelman-Dialogzentrums. Ein Konzert in der Philharmonie Łódź, eine Führung durch die Street-Art-Szene der Fundacja Urban Forms, Einblicke in die Textil- und Industriekultur sowie ökumenische Momente – darunter die Teilnahme an einem mehrsprachigen Erntedankgottesdienst und eine Führung über den multikonfessionellen Alten Friedhof – rundeten das Programm ab. Die Studienreise ermöglichte den Teilnehmenden eine umfassende Annäherung an die historische, kulturelle und religiöse Vielfalt der Stadt. Sie verband wissenschaftliche Reflexion mit kultureller Bildung und festigte zugleich die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten deutschen und polnischen Partnerinstitutionen.
Seniorenakademie
Das Bildungsprogramm der Karl Dedecius Stiftung umfasst auch Angebote, die speziell auf die Bedürfnisse der älteren Generation in Frankfurt (Oder) und Słubice zugeschnitten sind. Dank der Zusammenarbeit mit der Stiftung Collegium Polonicum, der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań, der Europa-Universität Viadrina, dem Seniorenbeirat der Stadt Frankfurt (Oder) sowie dem Frankfurt-Słubicer Kooperationszentrum konnte ein breites Programm realisiert werden. Die Vortragsreihe der Deutsch-Polnischen Seniorenakademie widmete sich vorrangig kulturellen, gesellschaftlichen und politisch relevanten Themen, die den deutsch-polnischen Austausch im Grenzraum nachhaltig stärkten.
Den Auftakt bildete der Vortrag „Universitätsbibliothek Frankfurt (Oder): Gestern – Heute – Morgen“ von Dr. Hans-Gerd Happel, der die Entwicklung der Bibliothek als kulturelle und wissenschaftliche Institution nachzeichnete. Daran schloss sich unter dem Titel „Wachstum ohne Grenzen?“ ein wirtschafts- und gesellschaftspolitischer Beitrag von Dr. Krzysztof Wojciechowski an. Mit dem Vortrag „Politik der Ängste: Wie Populisten das Narrativ der Bedrohung durch Migranten nutzen, um Macht zu erlangen und zu behalten“ bot Prof. Dr. Magdalena Musiał-Karg eine politikwissenschaftliche Analyse aktueller populistischer Strategien und deren Wirkung auf öffentliche Debatten.
Das Programm wurde durch drei weitere Fachvorträge aus angrenzenden Bereichen ergänzt: „Gedächtnis und Lebensfreude im Alter: Was ist typisch, was bedenklich?“ von Roksana Weber, „Zitruspflanzen: Geschichte der Kultur und praktische Pflegetipps für ein langes Leben“ von Dr. Frank Mende sowie „Behandlung des Vorhofflimmerns – Wie gut sind die Chancen und worauf muss ich achten?“ von Prof. Dr. Alexander Wutzler. Die Veranstaltungen waren offen für alle Interessierten und wurden vollständig zweisprachig ins Deutsche und Polnische gedolmetscht, sodass eine gleichberechtigte Teilnahme beider Stadtgesellschaften ermöglicht wurde.
Eine weitere Initiative im Rahmen der Seniorenakademie war ein interkultureller Sprachtandem, in dem die Teilnehmenden die Nachbarsprache erlernen und anwenden konnten. Er wurde von Dr. Małgorzata Szajbel-Keck (Karl Dedecius Stiftung) und Dr. Anna Wiącek (Universität-Poznań) geleitet und fand abwechselnd auf beiden Seiten der Oder statt, wodurch der deutsch-polnische Austausch auch im sprachlichen Alltag vertieft wurde. Das Programm der Seniorenakademie wurde von ca 100 Personen wahrgenommen.
Wo liegt eigentlich dieses OSTDEUTSCHLAND?
Im Berichtsjahr beteiligte sich die Karl Dedecius Stiftung als Projektpartner an der in der Friedenskirche Frankfurt (Oder) präsentierten Ausstellung „Wo liegt eigentlich dieses OSTDEUTSCHLAND?“. Gezeigt wurden Werke von Oliver Barth und Anja Beecken, die vielfältige Perspektiven auf ostdeutsche Erfahrungen und Transformationsprozesse eröffneten. Die Verbindung aus bildkünstlerischen Darstellungen, biografischen Texten und architektonischen Elementen ermöglichte vielfältige Zugänge zu Erinnerung, Identität und Wandel im deutsch-polnischen Grenzraum. Das Projekt konnte dank der Zusammenarbeit mit dem Ökumenischen Europa-Centrum (Hauptveranstalter), der Stadt Frankfurt (Oder), dem Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies, dem Viadrina Center B/orders in Motion, Kuma Gerstenberg, Language and Media Studies sowie der Wohnungswirtschaft Frankfurt (Oder) umgesetzt werden.
Die Ausstellung bot den Rahmen für mehrere begleitende Veranstaltungen, darunter die Podiumsdiskussion „Alles war für immer – und doch nicht: Erinnerungen an die Wende und ihre (Nicht-)Nachwirkungen“. Dr. Mark Keck-Szajbel, Jens Beige, Oliver Barth und Dr. Krzysztof Wojciechowski diskutierten persönliche Erinnerungen und gesellschaftliche Umbrüche im deutsch-polnischen Grenzraum; die Veranstaltung wurde simultan ins Polnische gedolmetscht. Das Podiumsgespräch wurde in das Programm der Seniorenakademie integriert.
Bildungsangebot der Karl Dedecius Stiftung
Zu den Bildungsaktivitäten der Karl Dedecius Stiftung im Berichtsjahr gehörte auch die Beteiligung an der Konferenz für Deutschlehrkräfte aus Mittel- und Osteuropa, die vom 26. bis 28. März 2025 an der Europa-Universität Viadrina und am Collegium Polonicum stattfand. An der dreitägigen Veranstaltung nahmen rund 30 Lehrkräfte teil. Die Konferenz wurde in Kooperation mit der Europa-Universität Viadrina, dem Collegium Polonicum, dem Sprachenzentrum der Viadrina, dem Kleist-Museum und weiteren universitären Einheiten durchgeführt.
Ein besonderer inhaltlicher Schwerpunkt lag auf der Arbeit der Karl Dedecius Stiftung im Bereich der kulturellen Bildung und der literarischen Übersetzungsdidaktik. Unter der Leitung von Dr. Ilona Czechowska und Dr. Małgorzata Szajbel-Keck wurden die beiden Workshop-Module „Literarisches Übersetzen im Unterricht: Kreative Ansätze mit der Karl Dedecius Stiftung“ angeboten. Die Teilnehmenden erhielten Einblicke in die didaktischen Einsatzmöglichkeiten des Karl Dedecius Archivs sowie in kreative Übersetzungsübungen, die unmittelbar in schulischen Kontexten genutzt werden können. Das große Interesse und die positive Resonanz der Lehrkräfte verdeutlichten den hohen Bedarf an weiteren praxisorientierten Fortbildungsformaten.
Dieses Bedürfnis spiegelte sich auch in einer weiteren Schulungsinitiative wider, die sich an Deutschlehrkräfte in Polen richtete. Anfang Dezember führte die Karl Dedecius Stiftung in Kooperation mit dem Germanistyczne Forum Inspiracji przy PCEN w Rzeszowie einen Online-Workshop für rund 20 Lehrkräfte durch. Die Fortbildung widmete sich den Themen „Übersetzung im Deutschunterricht“ sowie dem Motiv des Übersetzers bzw. der Übersetzerin in literarischen Texten. Anhand ausgewählter Materialien wurden Methoden vorgestellt, wie Übersetzungsprozesse, Sprachreflexion und kulturelle Kontraste gewinnbringend in den Unterricht integriert werden können. Die Teilnehmenden erhielten konkrete Impulse für die Entwicklung sprachlicher und interkultureller Kompetenzen im Deutschunterricht.
Das Bildungsprogramm der Karl Dedecius Stiftung richtete sich 2025 auch an Schülerinnen und Schüler weiterführender Schulen und umfasste eine Reihe von Workshops, Projekten und Begegnungsformaten, die sprachliche, literarische und interkulturelle Kompetenzen förderten. Ein zentrales Projekt im Bereich der schulischen Bildung war das groß angelegte Schulprojekt „Mistrzowie pióra – Wisława Szymborska i Karl Dedecius“, das zwischen Oktober 2024 und April 2025 in Radomsko und der Region stattfand und insgesamt rund 1800 Schüler*innen erreichte. Die Initiative wurde vom I Liceum Ogólnokształcące, dem Städtischen Kulturzentrum, der Städtischen Öffentlichen Bibliothek und der Jan-Długosz-Universität Częstochowa realisiert und stand unter dem Honorarpatronat der Karl Dedecius Stiftung und der Wisława-Szymborska-Stiftung. Die Karl Dedecius Stiftung beteiligte sich an diesem Projekt durch Workshops, die Organisation einer Online-Diskussion mit der Übersetzerin Renate Schmidgall sowie durch fachliche Unterstützung bei der Projektkonzeption.
Ein weiteres Bildungsangebot der Karl Dedecius Stiftung richtete sich im Mai und Juni 2025 an Schüler*innen weiterführender Schulen in Polen sowie an Studierende des Collegium Polonicum. Anlass war die Veröffentlichung der neuen deutschen Übersetzung des Romans Lalka (Die Puppe) von Bolesław Prus durch die Übersetzerinnen Lisa Palmes und Lothar Quinkenstein. Am 27. Mai 2025 nahmen über 500 Schüler*innen aus 14 Schulen in ganz Polen an einem Online-Webinar teil. Im Gespräch erläuterten die beiden Übersetzerinnen zentrale Aspekte ihrer Arbeit, sprachen über Herausforderungen bei der Übertragung eines umfangreichen Klassikers des 19. Jahrhunderts in die heutige deutsche Sprache und gaben Einblicke in ihre Tandem-Arbeitsweise. Im zweiten Teil des Webinars konnten die Schülerinnen eigene Fragen stellen und direkt mit den Übersetzer*innen in Austausch treten. Eine zweite Veranstaltung fand am 10. Juni 2025 im Collegium Polonicum in Słubice statt. Dort nahmen Schülerinnen des Akademischen Gymnasiums der Adam-Mickiewicz-Universität sowie Studierende des Collegium Polonicum an einem interaktiven Workshop teil. Aufbauend auf dem Webinar diskutierten die Teilnehmenden, wie literarische Klassiker zeitgemäß übersetzt werden können und welche Entscheidungen Übersetzer*innen bei der Textarbeit treffen. Die Gruppe beschäftigte sich zudem mit eigenen Übersetzungsversuchen und erhielt Einblick in den Entstehungsprozess der Neuübersetzung. Mit dieser Webinar- und Workshop-Reihe stärkte die Karl Dedecius Stiftung die literarische Bildung junger Menschen, sensibilisierte für Fragen des Übersetzens und eröffnete einen niedrigschwelligen Zugang zu einem bedeutenden Werk der polnischen Literaturgeschichte.
Ein weiterer Schwerpunkt der Bildungsarbeit der Karl Dedecius Stiftung lag 2025 auf Angeboten für Schülerinnen und Schüler aus Polen. In Zusammenarbeit mit dem Büro für Internationale Angelegenheiten der Europa-Universität Viadrina und der Polnischen Gesellschaft der Deutschlehrerinnen und Deutschlehrer aus Schlesien wurden zahlreiche Schulen direkt vor Ort erreicht. Insgesamt nahmen im Berichtsjahr rund 1100 Schüler*innen an Workshops und Webinaren teil, die an weiterführenden Schulen in Międzychód, Poznań, Szczecin, Leszno, Wrocław und Jelenia Góra sowie in mehreren weiteren Orten durchgeführt wurden.
Publikationen und weitere Aktivitäten der Stiftung
Im Bereich der Publikationen erschienen 2025 zwei Projekte mit direktem Bezug zur Arbeit der Karl Dedecius Stiftung und ihrem wissenschaftlichen Umfeld. Mit dem Band „Dedeciuskalia. Myśl translatologiczna i literaturoznawcza Karla Dedeciusa w dydaktyce szkolnej i akademickiej“ (Hrsg. Justyna Radłowska, Joanna Małgorzata Banachowicz, Edward Białek, Katarzyna Nowakowska; Quaestio-Verlag, Wrocław) liegt erstmals eine Publikation vor, die die translatologischen und literaturwissenschaftlichen Ansätze von Karl Dedecius systematisch für schulische und akademische Lehrkontexte erschließt. Die Monografie entstand in einer institutionell breit angelegten Kooperation zwischen dem Lehrstuhl für Literaturdidaktik sowie dem Lehrstuhl für Translatorik und Glottodidaktik am Institut für Germanistik der Universität Wrocław, dem Zentrum für Fremdsprachenausbildung und Europäische Bildung der Universität Warschau sowie der Karl Dedecius Stiftung an der Europa-Universität Viadrina.
Die Karl Dedecius Stiftung war zudem mit einem eigenen wissenschaftlichen Beitrag vertreten: Małgorzata Szajbel-Keck und Ilona Czechowska widmeten sich in ihrem Aufsatz „Julian Tuwim po niemiecku“ (S. 37–50) der Rezeption und Übersetzung des Werks von Julian Tuwim ins Deutsche und beleuchteten translatorische Herausforderungen im historischen und kulturellen Kontext.
Ebenfalls 2025 erschien im Ostrogi-Verlag die polnische Erstübersetzung von Klaus Manns Roman Der fromme Tanz (Pobożny taniec), angefertigt von Ryszard Wojnakowski. Die Veröffentlichung wurde durch die Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit gefördert und macht einen zentralen Text der deutschen literarischen Moderne – zugleich einen der ersten offen queeren Romane der Weimarer Republik – erstmals für ein polnischsprachiges Publikum zugänglich.
Neben den institutionellen Publikationen war das Jahr 2025 auch durch eine Reihe eigener wissenschaftlicher Beiträge der Mitarbeiterinnen der Karl Dedecius Stiftung geprägt. Dr. Ilona Czechowska veröffentlichte den Beitrag „Geister der Hoffnung – die Hochzeit in Salzburg. Die Kulissen der Aufführung eines polnischen Dramas“ (im Druck) im Jahrbuch OderÜbersetzen, in dem sie die Bühnenästhetik, politische Dimension und kulturhistorische Einbettung einer exemplarischen Theaterinszenierung analysiert. Dr. Małgorzata Szajbel-Keck war ebenfalls mit zwei Beiträgen vertreten: „Szymborska bez granic: stulecie poetki we Frankfurcie nad Odrą i Słubicach“, im selben Band, der die transnationale Rezeption des Szymborska-Jubiläums beleuchtet, sowie „Beyond words: Interpreting terminology in gender-neutral/inclusive language practices in Polish“ im Sammelband Gender-neutral, Gender-fair, Gender-inclusive. Towards Conceptual Clarity across European Languages (Hrsg. Falco Pfalzgraff; Palgrave Macmillan), in dem sie linguistische und gesellschaftliche Dimensionen geschlechterinklusiver Sprache analysiert. Auch im Bereich der wissenschaftlichen Vernetzung waren die Mitarbeiterinnen aktiv. Dr. Ilona Czechowska nahm im April an einem Arbeitstreffen an der Jan-Długosz-Universität in Częstochowa teil, das der Vorbereitung einer gemeinsamen Konferenz im Jahr 2026 diente. Am 8. Mai wirkte sie als Panelteilnehmerin im Themenblock „Erinnerung“ der Tagung „Prawda – Pamięć – Pojednanie. Dziedzictwo Władysława Bartoszewskiego w 10. rocznicę śmierci“ in Breslau mit. Am 14.–15. Mai 2025 präsentierte sie zudem auf der Konferenz „Archiv und Erinnerungsorte“ an der Universität Zielona Góra den Vortrag „Das Potenzial von Archivmaterialien im Polnisch- und Deutschunterricht – am Beispiel der Bestände des Karl-Dedecius-Archivs am Collegium Polonicum in Słubice“. Dieser Beitrag betonte die Relevanz authentischer Archivquellen für Sprach- und Kulturvermittlung sowie deren Anwendungsmöglichkeiten in innovativen didaktischen Formaten.
Öffentlichkeitsarbeit
Die Öffentlichkeitsarbeit der Karl Dedecius Stiftung wurde 2025 in enger Kooperation mit der Abteilung für Hochschulkommunikation der Europa-Universität Viadrina, der Pressestelle des Collegium Polonicum sowie zahlreichen Projektpartnern umgesetzt. Die Sichtbarkeit der Aktivitäten der Stiftung spiegelte sich in einer breiten externen Berichterstattung wider. Beiträge erschienen in der lokalen Presse, auf den Webseiten der beteiligten Institutionen, über akademische Fachverteiler sowie über den E-Mail-Verteiler der Karl Dedecius Stiftung.
Insgesamt wurden über 60 Presse- und Online-Beiträge zu Projekten, Veranstaltungen und Publikationen der Stiftung veröffentlicht, was die kontinuierliche öffentliche Präsenz sowie das große Interesse an den Themen der Stiftung unterstreicht.
Ausblick
Für das Jahr 2026 sind mehrere größere Vorhaben geplant, die die inhaltlichen Schwerpunkte der Karl Dedecius Stiftung strategisch weiterführen. Ein zentraler Schwerpunkt wird das Jubiläumsjahr anlässlich des 100. Geburtstages von Henryk Bereska sein. Geplant ist ein mehrteiliges Programm unter dem Titel „Bereska 100 – pamięć i recepcja w polsko-niemieckim dialogu kulturowym“, das in Kooperation mit der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań, dem Karl Dedecius Archiv, dem Deutschen Polen-Institut Darmstadt, der Europa-Universität Viadrina, dem Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies sowie weiteren kulturellen Partnern realisiert wird.
Darüber hinaus wird 2026 die Planung und Durchführung einer internationalen Konferenz zum Werk und Wirken von Karl Dedecius im Mittelpunkt stehen, die gemeinsam mit der Jan-Długosz-Universität in Częstochowa sowie weiteren Kooperationspartnern vorbereitet wird. Ziel dieser Tagung ist es, die Bedeutung Dedecius’ für die Literatur- und Übersetzungswissenschaft sowie für den deutsch-polnischen Kulturaustausch erneut in den wissenschaftlichen Fokus zu rücken.
Beide Projekte unterstreichen die langfristige Ausrichtung der Stiftung, das kulturelle Erbe zentraler Persönlichkeiten des deutsch-polnischen Dialogs zu pflegen, wissenschaftlich zu kontextualisieren und für zukünftige Generationen sichtbar zu machen.
Dr. Ilona Czechowska
Geschäftsführerin der Karl Dedecius Stiftung