Ein Zentrum für die DNA der Viadrina – Festakt und Podiumsdiskussion zur Eröffnung des Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies

Mit einem feierlichen Festakt, prominenten Gästen und vielen wissenschaftlichen Denkanstößen wurde am 30. November 2023 das Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies (VCPU) eröffnet. Ein Podiumsgespräch im Rahmen der Eröffnung kreiste um die Frage, was wir von der Ukraine und Polen lernen können.

Was ist der Vorteil davon, Polen und die Ukraine wissenschaftlich zusammenzudenken? Braucht Deutschland Nachhilfe im Europäisch-Sein? Und schließlich: Was bedeutet der andauernde Krieg im Osten Europas für die Eröffnung eines Zentrums für Polen- und Ukrainestudien? Um diese Fragen kreiste die politisch, diplomatisch und akademisch hochkarätig besetzte Festveranstaltung zur Eröffnung des VCPU, der rund 300 Gäste von der Viadrina, aus der Region und von internationalen Partner-Institutionen im Audimax und online im Livestream folgten.

„Wir sind überzeugt, dass gerade unter diesen extrem schwierigen Bedingungen die akademische Qualität die primäre Mission der Viadrina und unseres Centers ist; dazu gehören die offene Diskussion und der Pfad der Verständigung“, sagte Prof. Dr. Andrii Portnov in seiner Eröffnungsrede. Der Historiker leitet gemeinsam mit Prof. Dr. Dagmara Jajeśniak-Quast das VCPU. Er betonte das große Potenzial, das für ihn in der Kombination von herausragender lokaler Kompetenz und einer transregionalen, transnationalen Herangehensweise liege.

Neben den Glückwünschen der Brandenburgischen Wissenschaftsministerin Dr. Manja Schüle sowie von den Botschaftern Polens und der Ukraine, waren es vor allem die Gratulationen der anwesenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die besonders herzlich ausfielen. „Dieses Zentrum ist eine große Bereicherung für die deutsche Wissenschaft. Die Sichtbarkeit, auch im Namen, ist wichtig, um Ukrainestudien stärker auf die politische Agenda zu bringen“, sagte Prof. Dr. Maren Röger, Direktorin des Leibniz-Instituts für Geschichte und Kultur des östlichen Europa in Leipzig. Sie war eine der drei Expertinnen in einem von Prof. Dr. Rory Finnin, Professor für Ukraine-Studien an der Universität Cambridge, moderierten Podiumsgespräch. Finnin betonte zum Auftakt, dass es für viele im Saal zum Alltag gehöre, Studierenden das intellektuelle Handwerkszeug zu geben, um mehr über Polen und die Ukraine zu lernen. „Heute, auf diesem Podium, wollen wir nicht nur über diese Länder lernen, sondern mit diesen Ländern. Was gewinnen wir, wenn wir Polen und die Ukraine sehr ernst nehmen – nicht nur als Wissensobjekte?“, so seine Eingangsfrage.

Prof. Dr. Katarzyna Jędraszczyk von der Adam-Mickiewicz-Universität in Poznań betonte zunächst, was man in Europa nicht gelernt habe. „Wir gucken einem Land dabei zu, wie es um die wichtigsten Ideen der EU kämpft“, sagte sie. Vor allem müsse man nun aus der Gleichgültigkeit lernen, mit der man diesem Kampf zwischen 2014 und 2022 untätig zugeschaut habe. Mit einem etwas optimistischerem Blick schaute Dr. Tatiana Zhurzhenko, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) in Berlin arbeitet, bewundernd und solidarisch auf ihre ukrainischen Kolleginnen und Kollegen. „Von ihnen können wir Resilienz lernen, Einfallsreichtum, Flexibilität und professionelles Engagement. All das braucht es, um nicht nur zu überleben, sondern um kreativ und professionell in dieser schrecklichen Situation zu funktionieren.“

Wie Polen vor mehr als 20 Jahren stehe die Ukraine derzeit an der Tür der Europäischen Union und warte auf die Beitrittsverhandlungen. „Die Ukraine war lange in diesem Wartezimmer, das ist verlorene Zeit und ein großer politischer Fehler“, sagte Tatiana Zhurzhenko. Man könne die Wartezeit jedoch auch als Lernzeit ansehen. „Die Ukraine ist ein Autodidakt, ein self-taught Europäer. Wir müssen die Perspektive ändern und die Ukraine nicht als Newcomer sehen.“

Zuvor hatte schon der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev scherzhaft angekündigt, dass er am neu entstandenen Center gemeinsam mit seinem polnischen Kollegen gern einen Kurs mit dem Titel „How to be excited about the European Union“ geben würde. „Als pro-europäische Nationen würden wir euch Deutschen gern beibringen, darauf stolz zu sein, was die Europäische Union und die Nato erreicht haben“, sagte Makeiev und erntete spontanen Applaus.

Schon bei einem Mediengespräch vor dem offiziellen Festakt hatte die Co-Leiterin des VCPU, Prof. Dr. Dagmara Jajeśniak-Quast, betont, dass das Selbstverständnis der Viadrina und des neuen Centers ein europäisches ist. „Es ist für uns ganz natürlich und unsere Mission, zu zeigen, dass die Dinge, die in Mittel- und Ost-Europa passieren, europäische Prozesse sind“, sagte sie. Es gehöre zur DNA der Viadrina, den Blick nach Osten zu richten und einander auf Augenhöhe zu begegnen. Das VCPU gebe diesem Bemühen eine dauerhafte nachhaltige Struktur, die es erlaube, neue Kompetenz aufzubauen, aber auch die bereits vorhandenen zu bündeln und sichtbarer zu machen. Sie sagte: „Wir haben dabei keine Zeit zu verlieren, wir haben schon viel zu lange gewartet.“

Zur Medieninformation über den Festakt mit weiteren Zitaten aus den Grußworten

Im Rahmen der Eröffnung des VCPU wurde der DAAD-Preis an Anastasiia Latkovska verliehen

Livestream der Eröffnung zum Nachschauen

Screenshot Livestream Eröffnung Viadrina Center of Polish and Ukrainian Studies

Text: Frauke Adesiyan
Fotos: Heide Fest

Abteilung für Hochschul­kommunikation