Projekt Co-WOERK setzt sich für offene Bildungsmaterialien ein
Mehr Offenheit in der Lehre ist das Ziel des von der Viadrina mitgeleiteten Projekts Co-WOERK am Zentrum für Lehre und Lernen. Hinter dem Begriff Open Educational Resources (OER) steht der Gedanke, Lehrmaterialien öffentlich zugänglich zu machen und gemeinsam weiterzuentwickeln. Warum es hierfür einen Kulturwandel im Hochschulbereich braucht und wie das Projekt das Umdenken fördert, erzählt Projektleiterin Dr. Christin Barbarino in diesem Interview.

Heide Fest
Frau Barbarino, was genau sind OER?
Die Abkürzung steht für Open Educational Resources, im deutschsprachigen Raum hat sich der Begriff offene Bildungsmaterialien durchgesetzt. Das können Lehr- und Lernmaterialien in Form jedes Mediums sein, die nicht ausschließlich, aber in der Regel digital sind, zum Beispiel ein Handout, ein Audio, ein Video, ja auch ein kompletter Kurs. Der Kerngedanke ist, dass es offene Materialien sind.
Was heißt „offen“?
Bei dem Begriff offen nehmen wir uns die sogenannten CC-Lizenzen zu Hilfe. Das sind Creative Commons-Lizenzen, die absichern, dass das Urheberrecht, was ja normalerweise auf alle Materialien greift, gewahrt wird und gleichzeitig eine kostenlose Nutzung, Bearbeitung und Weiterverbreitung möglich wird.
Und was passiert anschließend, wenn das Rechtliche geklärt ist?
Die Wahl der digitalen Plattform ist die erste Frage. Es gibt in Deutschland sehr viele, was die Herausforderung der Auffindbarkeit von OER mit sich bringt. Mit den Jahren durchgesetzt haben sich beispielsweise Twillo aus Niedersachsen und Orca.nrw. Auch wir aus dem Projekt Co-WOERK verfolgen das Ziel, so eine Plattform – ein Repositorium – für Brandenburg aufzusetzen.
Damit hätten beispielsweise die Lehrenden der Viadrina einen ganz klaren Anlaufpunkt, wo sie ihre OER hochladen können.
Viadrina-Beispiel
Ellen Birkhahn, Juristin und Akademische Mitarbeiterin im Studiengang Mediation und Konfliktmanagement, hat das Rollenspiel „Getting the Message“ entwickelt. Es wurde im Rahmen des viertägigen Schlüsselqualifikationsseminars „Interessensorientierte Kommunikation für Jurist*innen“ an der Juristischen Fakultät der Viadrina durchgeführt. Ihr Konzept hat sie bei Twillo eingestellt.
Was passiert mit den Lehrmaterialien, wenn sie einmal veröffentlicht sind?
Der Grundgedanke bei OER ist, dass man Lehrmaterialien gemeinsam weiterentwickelt und dass sie nie fertig sind. Da geht es auch um ein kulturelles Umdenken. Wir wollen insgesamt die Lehr- und Lernpraktiken ändern und von dem Ergebnisdenken wegkommen, deshalb reden wir von offenen Bildungspraktiken. Dank der Open Access-Bewegung ist es inzwischen ganz normal, dass man Forschungen mit anderen teilt. Im Lehrkontext kann das bedeuten: Ich habe mein Seminar gehalten, stelle das Unterrichtskonzept ein und jemand aus einer anderen Uni findet es eine tolle Idee, probiert es aus und entwickelt es weiter. Ein Semester später stellt die Lehrperson dann wiederum den weiterentwickelten Entwurf auf einer Plattform ein und so wird im Idealfall das Lehrmaterial immer besser.
Gibt es bei diesem erwünschten Kulturwandel auch Widerstände?
Sicherlich, es gibt innere und zum Teil auch berechtigte Widerstände. Man darf nicht verschweigen, dass die Herstellung von OER oft zeitintensiv ist, gerade am Anfang. Insgesamt aber überwiegen die Vorteile und die notwendigen Kompetenzen sind überschaubar: Man muss sich mit den CC-Lizenzen beschäftigen, mit den Plattformen vertraut machen und seine Fach-Community finden. Wenn wir die passenden Supportstrukturen an den Universitäten haben, wird es im besten Fall ganz normal sein, OER zu nutzen und zu erstellen. Ich hoffe, dass es ähnlich wie das Zitieren, zu einer Basis-Kompetenz wird.
Was braucht es noch, um das zu erreichen?
Die Beratungsinfrastruktur an den Hochschulen muss verstetigt werden, auch über unser Projekt hinaus. Wenn wir ein Repositorium für Brandenburg bekommen, muss das auch gewartet werden. Darüber hinaus ist ein offizielles Bekenntnis zur Offenheit wichtig, hier reden wir über eine Open Policy, die Teil des sogenannten OER-Ökosystems ist. Die gehen wir jetzt gerade gemeinsam mit der Bibliothek an.
Unser Ziel ist es, dass OER ganz selbstverständlich zum Curriculum dazugehören. Dafür müssen sich die Fakultäten öffnen. Wenn wir die Studierenden für die Arbeits- und Wissenschaftswelt ausbilden wollen, dann gehören Openness-Kompetenzen unbedingt dazu.
Was ist für Sie der größte Nutzen von OER?
Der Hauptgewinn ist, dass man sich mit anderen austauscht, dass man andere Perspektiven kennenlernt, von denen man sonst nie erfahren hätte. Es bringt immer etwas, zu schauen, wie andere ihre Lehre gestalten und vom Konkurrenzdenken und Einzelkämpfertum wegzukommen.
Inwieweit reflektiert der Ansatz von Offenheit in der Lehre auch größere Entwicklungen im Hochschulbereich und beim Reformprozess der Viadrina?
Es geht um innovatives Lernen und Demokratisierung. Im Endeffekt reden wir über den Zugang zu Bildung und Bildungsgerechtigkeit, Aspekte, die im SDG 4 der UNESCO klar verankert sind und sehr gut zum Selbstverständnis einer Universität passen, die sich für Dialog und eine offene Gesellschaft einsetzt. OER unterstützen zudem die Bewegung weg vom Frontalunterricht. Gefördert werden Lernsettings, in denen die Studierenden selbstwirksam publizieren und nicht nur Zuhören und Mitschreiben. Sie lernen kollaborativ zu arbeiten, sprechen sich mit anderen ab und geben viel Feedback. Communities unter Lehrenden und Studierenden werden stark gefördert.
Die Hälfte der Projektlaufzeit ist rum, was ist schon erreicht worden, was liegt noch vor Ihnen?
An der Viadrina haben wir die Arbeitspakete Öffentlichkeitsarbeit und Community Management. Da haben wir schon sehr erfolgreich ein großes Netzwerk aufgebaut, geben einen monatlichen Newsletter für rund 250 Kontakte raus und organisieren Treffen der Community of Practice, an denen regelmäßig rund 25 Interessierte bundesweit teilnehmen. Bei diesen Treffen bieten wir ein relativ breites Themenspektrum an, sowohl für Anfänger*innen als auch für Fortgeschrittene.
Für mich sind Anreize eine ganz wichtige Stellschraube, mit der auch Ministerien und Hochschulleitungen das Thema voranbringen können. Zu diesem Thema entwickeln wir ein Online-Handbuch. Bei Anreizen kann es beispielsweise um Anerkennung für Studierende gehen, die OER als Prüfungsleistung erstellen. In unserem Projekt führen wir gerade Open Educational Badges ein, die wir den Teilnehmenden für die Online-Treffen verleihen. Außerdem wollen wir künftig gezielt Studierende mit einem Moodle-Kurs ansprechen. Der Kurs bietet eine Einführung in Open Educational Resources, bei der man am Ende ein Teilnahmezertifikat erhält.
Angebote Wintersemester 2025/26
Monatlich trifft sich eine fächerübergreifende Community of Practice zu einem Schwerpunkt-Thema. Anmeldungen für das Online-Treffen (jeweils 13.00 – 14.30 Uhr) sind jederzeit per E-Mail an kontakt@co-woerk.de möglich.
- 16.10.: How To for Beginners: Wie erstelle ich mein erstes offenes Lehrmaterial?
- 20.11.: Offene Bildungsmaterialien mit LiaScript, Notion & Co.
- 18.12.: Kultur des Teilens von Anfang an – Lehrkräfte und offene Praktiken
- 15.1.: Rechtsfragen zu OER im Dialog – Sie fragen, wir antworten
- 29.1.: Werkstatt-Tag – Bildung gemeinsam gestalten mit OER
Weitere Informationen
Hintergrund zum Projekt
Das Projekt „Community zum Wissenstransfer OER: Netzwerk von Bildungsakteur*innen (Co-WOERK)“ ist im Sommer 2024 unter Leitung der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und der Hochschule Neubrandenburg gestartet. Anliegen des Projektes ist es, Kompetenzen im Bereich OER bei Lehrenden an Hochschulen und in der beruflichen Bildung in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zu erweitern und bestehende Netzwerke auszubauen.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über drei Jahre mit 3,16 Millionen Euro gefördert. Die Fördersumme für die Europa-Universität Viadrina beträgt rund 678.000 Euro. Teil des Verbundes sind neben der Viadrina und der Hochschule Neubrandenburg die Universitäten Potsdam, Rostock und die BTU Cottbus-Senftenberg.
Interview: Frauke Adesiyan
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