„Optimismus ist Pflicht“ – Ewa Łabno-Falęcka erhält 24. Viadrina-Preis
Diplomatie, Wirtschaft, Kulturbetrieb im deutsch-polnischen Raum – Dr. Ewa Łabno-Falęcka kennt dabei keine Grenzen. Die Trägerin des 24. Viadrina-Preises gab bei der feierlichen Preisverleihung am 15. Mai 2025 einen Einblick in ihr Leben und den Antrieb für ihr unermüdliches Bemühen um deutsch-polnische Verständigung, Frauenrechte und Kulturaustausch.
Der Nachmittag im Logensaal wurde für die geehrte Dr. Ewa Łabno-Falęcka und die Besucher*innen der feierlichen Preisverleihung zu einer anschaulichen Zeitreise. Sowohl Ewa Łabno-Falęcka als auch ihr Laudator, der frühere Botschafter Polens in Deutschland und Viadrina-Preisträger von 2002, Janusz Reiter, erinnerten an die für die deutsch-polnischen Beziehungen so besonderen 1990er-Jahre. Es war für die Preisträgerin eine wichtige und prägende Zeit, als sie sich nach ihrem Studium in Krakau, Berlin und Freiburg und ihrer Promotion in Tübingen selbstbewusst in der polnischen Botschaft in Bonn bewarb.
Ewa Łabno-Falęcka mit 24. Viadrina-Preis ausgezeichnet
Die Motivation, Energie und Überzeugungskraft, die Menschen auch heute noch verspüren, wenn sie Ewa Łabno-Falęcka kennenlernen – sie liegt auch in dieser Zeit begründet. „Das Jahr 1989 setzte in Polen eine bisher unterdrückte Energie frei, die vor allem in den jüngeren Generationen steckte. Wir hatten eine gemeinsame Vision der Zukunft Polens“, schaute Janusz Reiter in seiner Laudatio zurück. Er erinnerte an den Beitrag, den Polen zum europäischen Wandel leistete: „Wir hatten eine große Verantwortung und wir spürten das. Wenn Sie eine solche Motivation haben, können Sie Erstaunliches leisten. Ewa hatte diese Motivation. Sie konnte Erstaunliches leisten.“
Ost-Berliner Inspiration von Karl Marx
Verantwortung – das war schon ein Leitmotiv von Ewa Łabno-Falęcka, als sie in den 1980er-Jahren als Stipendiatin an die Ostberliner Humboldt-Universität kam. Die dort auch heute noch an der Wand prangende Marx-These: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kommt aber darauf an, sie zu verändern“, traf, wie sie sagt, „ins Herz und Gehirn – ohne Pathos, sondern mit der Kraft, mit welcher junge Menschen auf neue Ideen reagieren.“ Die Gäste im Saal reagieren gerührt mit Zwischenapplaus, als die Preisträgerin sagt: „Bis heute, mit beinahe damaliger jugendlicher Naivität, glaube ich fest daran, dass jede und jeder von uns – wenn auch kleinste – Veränderung dieser Welt zum Guten, Edlen und Schönen herbeiführen kann. Ganz gleich, ob es um das Wohlergehen der Menschen im niederschlesischen Jawor mit seinen 25.000 Einwohnern oder um die Zukunft eines vereinten Europa geht.“
Mit dieser Einstellung hat Ewa Łabno-Falęcka in ihrem bisherigen Leben bereits erstaunlich viele und sehr unterschiedliche Aufgaben angenommen. Fast immer als „Quereinsteigerin“, wie Laudator Reiter mit großer Wertschätzung beschreibt. Damals, als er sie als Kulturreferentin in der Botschaft einstellte, sei das eine intuitive Entscheidung gewesen. Auch später sucht sich Ewa Łabno-Falęcka ihre Aufgaben und erfüllt sie: in der Diplomatie, in der Wirtschaft bei Mercedes-Benz Polen, als Frauenrechtlerin, Kunstsammlerin und Herausgeberin von deutsch-polnisch übersetzten Literaturausgaben. Zusammengefasst liegt der Schlüssel zu all dem Engagement in einem Zitat ihres Lieblingsphilosophen Karl Popper: „Optimismus ist Pflicht. Man muss sich auf die Dinge konzentrieren, die gemacht werden sollen und für die man verantwortlich ist.“ Das zitiert sie mehrmals in ihrer Rede.
Von Kultur-Dialog bis Frauenförderung
Was gemacht werden soll, lag für die Preisträgerin auf der Hand: die Annäherung von Polen und Deutschland durch kulturellen Austausch stärken, Teil des rasanten wirtschaftlichen Aufstiegs in Polen sein, dabei nicht vergessen, welchen großen Anteil Frauen daran haben (sollten) und diese fördern. Dem Klischee, dass das irgendwie nicht zusammenpasst: Kultur und Wirtschaft, Kunst und Geld, widerspricht sie: „Wirtschaft und Business spielen nicht im luftleeren Raum, in keinem politischen Vakuum. Ganz im Gegenteil: sie haben Impact auf Politik, Gesellschaft und Umwelt, und tragen daher eine große Verantwortung – auch für das, was war, was ist und was wird, in der Zukunft zwischen zwei benachbarten Nationen, die eine nicht ganz unkomplizierte Geschichte verbindet.“
Das polnische Unternehmer-Gen am Werk
Wichtig war Ewa Łabno-Falęcka die prosperierende polnische Wirtschaft in ihrer Rede zu umreißen. Diese wachse im Schnitt dreimal schneller als die der anderen EU-Staaten, sei herausragend bei Neugründungen, Vorreiter bei der Einführung von generativer KI, und auch in der Wochenarbeitszeit seien die Polinnen und Polen Europameister. Was dahintersteckt, ist für Ewa Łabno-Falęcka die auch sie persönlich prägende Lust am Arbeiten. „Das Unternehmer-Gen ist am Werk, wenn die Polen, anstatt ein Projekt bis ins Detail zu analysieren und tausend Mal durchzudiskutieren, bis es perfekt ist – was Zeit braucht –, eher auf das Hegelesche Prinzip ,These-Antithese-Synthese‘ setzen, alternative Lösungen zu finden versuchen oder es einfach wirken lassen und dann parallel korrigieren. Es mag etwas unreflektiert wirken, aber es spart Zeit“, vergleicht sie pointiert deutsche und polnische Arbeitsweisen. Regeln, an denen sich ihrer Erfahrung nach die Deutschen gerne aufhalten, seien gut und geeignet für ruhige Zeiten. „Aber in unruhigen Zeiten ist die Suche nach alternativen Lösungen, manchmal Vereinfachungen, gar nicht so daneben“, sagt sie und denkt dabei auch an die erstaunlich schnelle Neuausrichtung der polnischen Wirtschaft, als im Frühjahr 2022 mit der russischen Invasion in die Ukraine der russische Markt für Polen wegbrach.
Spätestens seit ihrem Studium lebt und arbeitet die Germanistin und Geschäftsfrau zwischen Deutschland und Polen. Sie verdanke Deutschland viel, betont sie in ihrer Rede: ihre Ausbildung, die Bekanntschaft vieler klugen Menschen, lehrreiche Jahre in Berlin, Freiburg und Tübingen, wo ihre Tochter Katarzyna zur Welt kam, und an der polnischen Botschaft, die ein Zentrum von wichtigen Gesprächen war, als sich der Platz Polens in Europa nach 1989 entscheiden sollte. „Für all das Gute, was ich von Deutschland bekam, versuchte ich über die vergangenen drei Dekaden mit meinem beruflichen, sozialen und politischen Engagement zurückzuzahlen.“
Spontane Rede eines Studienfreundes
Wie sehr ihr das gelingt, zeigt die Ehrung mit dem Viadrina-Preis an sich, aber auch die Präsenz von vielen teilweise aus Warschau, Stuttgart und New York angereisten Wegbegleiter*innen. Einen hält es kurz vor Ende der Veranstaltung nicht mehr auf dem Stuhl. Jan Tombiński, seit August 2024 polnischer Botschafter in Berlin, eilt spontan ans Redepult und erinnert sich daran, wie er an der Krakauer Universität gemeinsam mit Ewa Łabno-Falęcka im Hörsaal gesessen habe. In der herzlichen Umarmung mit der Preisträgerin liegt eine Ahnung von der gemeinsamen Vergangenheit aber auch von künftigen Aufgaben für sie und alle, denen gute deutsch-polnische Beziehungen am Herzen liegen. „Die Frage ist nicht, uns zu loben; das Wichtigste ist, was vor uns liegt“, sagt Tombiński. „Von uns wird die Gestaltung der Zukunft erwartet.“
Frauke Adesiyan
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