Mehr als schöne Fotos: Tupoka Ogette spricht über echte Diversität an Universitäten

Frankfurt (Oder), 

Der öffentliche Auftakt der Ringvorlesung „Wie umgehen mit dem Rechtsextremismus“ am 11. November 2025 war für viele im Publikum aufrüttelnd: Die Rassismuskritik-Expertin Tupoka Ogette sprach im vollen Logensaal darüber, wie ungemütlich es für weiße Menschen sein kann, sich von rassistischen Prägungen und Denkmustern zu lösen, was das für den Uni-Alltag bedeutet und wie rassismuskritisches Denken und Leben dabei hilft, dem zunehmenden Rechtsextremismus zu begegnen.

Rassismus ist nicht allein ein Problem von Rechtsextremisten, rassistische Denkmuster prägen die Gesellschaft und jede*n Einzelne*n. Wer das als weiße Person abstreitet und die mit der Hautfarbe einhergehenden Privilegien verkennt, der lebt, laut Tupoka Ogette, im „Happyland“. Seit vielen Jahren bringt Tupoka Ogette den Deutschen bei, rassismuskritisch zu denken, Machtstrukturen zu hinterfragen – und aus dem Happyland auszuziehen. Sie tut das in Schulen, Kitas und Unternehmen, mit ihren Büchern (u. a. „exitRacism: rassismuskritisch denken lernen.“ und „Und jetzt du. Rassismuskritisch leben“), in ihrem Podcast und seit neuestem in der digitalen „Tupokademie“. Nun stellte sie ihre zentralen Gedanken an der Viadrina vor.

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Die Grenzpolizei vom Happyland

Nicht wenige im Logensaal dürften sich angesprochen gefühlt haben, als die Autorin und Trainerin von White Fragility sprach – von weißer Zerbrechlichkeit –, die ehrlichen Gesprächen über Rassismus oft im Weg stehe. Sie funktioniere wie eine Art Grenzpolizei des Happylands und komme ins Spiel, wenn sich Menschen, die auf ihre rassistischen Äußerungen oder Handlungen angesprochen werden, verteidigen, statt sich zu entschuldigen. „Es ist ein wichtiger Unterschied, Rassist*in zu sein, oder rassistisch sozialisiert – das sind wir nämlich alle“, so Tupoka Ogette. Ihre Arbeit richte sich nicht an offene Rassisten, sondern an Menschen, die Rassismus ablehnen – und sich doch unreflektiert rassistisch verhalten.

Um aus diesen Strukturen auszubrechen und sich, wie Tupoka Ogette es formulierte, „auf eine rassismuskritische Reise zu machen“, brauche es ein Basiswissen der Rassismuskritik. „Viele Diskussionen eskalieren, weil wir nicht gelernt haben, darüber zu sprechen. Die Unkenntnis paart sich mit einem Gefühl von Scham und Schuld und ergibt einen Molotow-Cocktail, der Gespräche torpediert“, so Ogette.

Universitäten mit besonderer Verantwortung

Welche zentrale Verantwortung Bildungseinrichtungen und vor allem Universitäten haben, wenn es darum geht, rassistische Denkmuster zu reproduzieren, oder eben zu durchbrechen, betonte Tupoka Ogette im weiteren Vortrag. „Universitäten archivieren die Denkräume und Diskurse von gestern und prägen gleichzeitig die von heute und morgen. Welche Texte geschrieben, welche Theorien verbreitet, welche Forschung anerkannt und gefördert wird, all das schafft Wirklichkeit“, so ihre Mahnung.

Beispiel für rassismuskritische Fragen an Universitäten

  • Welche Perspektiven sind sichtbar, wer bleibt unsichtbar?
  • Wer schreibt über wen?
  • Wer spricht für wen?
  • Wer wird als Zuhörer*in, Leser*in, Forscher*in mitgedacht und wer nicht?
  • Welche Sprache reproduziert und zementiert Rassismus und andere Diskriminierungsformen und welches Sprechen eröffnet neue Räume, Machtverhältnisse sichtbar zu machen und zu verändern?

Teilhabe auf allen Wegen statt plakative Diversität

Was Tupoka Ogette in ihrer Arbeit mit Unternehmen und anderen Organisationen immer wieder skeptisch werden lässt, ist die oberflächliche Betonung von Vielfalt und Diversität. Wer diese Schlagworte als bloße Abzeichen vor sich hertrage, laufe Gefahr, „die Anderen“ zu instrumentalisieren, warnte sie. Zu schnell lauere die voreilige Annahme: Dort, wo Schwarze Menschen sind, könne es keinen Rassismus geben. „Das ist so, als ob ein Mann nicht sexistisch sein kann, nur weil er eine Frau kennt“, spitzte sie zu. Wer Vielfalt fördern wolle, der dürfe es nicht bei sympathischen Fotos auf der Webseite belassen, sondern müsse Normen hinterfragen, wer sich zugehörig fühlt und wer nicht. „Heterogenität muss auch in der Verteilung von Macht sichtbar werden; es braucht Teilhabe auf allen Ebenen“, betonte Ogette. „Gerade jetzt, wo es Kräfte gibt, die so tun, als könne man Vielfalt an- und abstellen und zunichtemachen, was hart erkämpft wurde, ist es wichtig, unsere Vielfalt als integralen Teil zu verstehen und zu verteidigen“, appellierte die Autorin.

Mit solchen Äußerungen wurde deutlich: Ogettes Ansatz von Rassismuskritik geht weit über das Individuum hinaus. Auf die Frage der Ringvorlesung „Wie umgehen mit dem Rechtsextremismus?“ lautet ihre klare Antwort: „Rassismuskritisch denken und leben lernen ist unser Coretraining gegen rechte Strömungen und für eine gerechtere Gesellschaft.“ Ihre Hoffnung auf eine rassismusfreie Gesellschaft, die unter anderem mit der „Black Lives Matter“-Bewegung aufkeimte, hat Tupoka Ogette mittlerweile verloren. Doch sie entscheide sich jeden Morgen erneut für Zuversicht. Und so sagte sie: „Die gute Nachricht ist: Noch können wir den kompletten Rechtsruck verhindern, noch haben wir die Möglichkeit, eine rassismuskritische Gesellschaft zu schaffen.“

Rassismuskritik-Check als Einstellungsvoraussetzung

Im anschließenden Gespräch fragten Studierende, Lehrende und Menschen aus der Stadtgesellschaft Tupoka Ogette um Rat: Wie verliert man nicht den Mut in der Antidiskriminierungsarbeit? Wie findet man die Kraft, über erlebten Rassismus zu sprechen? Wie schafft man es an der Universität, mehr Schwarzen Menschen den akademischen Aufstieg zu ermöglichen? Tupoka Ogette antwortete geduldig, offen und manchmal auch überraschend. Als Prof. Dr. Charlotte Köhler, Vizepräsidentin für Digitalisierung, sie fragte, ob man rassismuskritische Bildung – analog zu IT-Sicherheitsschulungen – in der Universität flächendeckend verbindlich machen sollte, stimmte Tupoka Ogette zu. Einen „Rassismuskritik-Check“ als Einstellungsvoraussetzung könne sie sich durchaus vorstellen.

Mit der Einladung von Tupoka Ogette ist den Veranstaltern der Ringvorlesung gelungen, die städtische und die universitäre Gesellschaft in die Pflicht zu nehmen. Prof. Dr. Timm Beichelt hatte es in seinen Begrüßungsworten formuliert: „Der rassismuskritische Ansatz von Tupoka Ogette steht dafür, nicht nur andere, sondern sich selbst in Frage zu stellen, sozusagen die Scheinwerfer zu verstellen und sich selbst zu beleuchten.“

Frauke Adesiyan

Weitere Termine der öffentlichen Ringvorlesung

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