Unangenehme Analysen und neue Freundschaften bei der zweiten KIU-Sommerschule

Frankfurt (Oder), 

Zwei Wochen lang haben 25 Studierende aus Europa, Asien und Australien bei der zweiten Sommerschule des Kompetenzverbundes Interdisziplinäre Ukrainestudien (KIU) über die europäisch-ukrainischen Beziehungen diskutiert. Vom 8. bis 19. September 2025 standen Sprachkurse und Schreibwerkstätten, ein Planspiel zum EU-Beitritt der Ukraine und zahlreiche Vorträge und Workshops auf dem Programm. Viele Teilnehmende beschrieben vor allem den Austausch verschiedener Sichtweisen als besonders wertvoll.

Mit Studierenden aus der Ukraine und Deutschland, aus den USA, Frankreich und Dänemark bot die Sommerschule in ihrer zweiten Ausgabe zahlreiche Perspektiven. Neugier, Wissensdurst und Interesse an der ukrainischen Sprache gehörten genauso zu den Motivationen der Teilnehmenden wie ein innerer Auftrag, von ukrainischen Sichtweisen zu berichten. „Ich bin erstaunt, was die Teilnehmenden über die Ukraine wissen und wie gut sie die Sprache beherrschen“, beschrieb Artem Kucherov seinen Eindruck. Der Student aus Kyjiw war mit dem Zug nach Frankfurt gekommen, um die Sommerschule zu besuchen und erlebte eine ermutigende Atmosphäre. „Ich bin überrascht, wie interessiert und engagiert alle sind. Mit dieser guten Zusammenarbeit und solchen Menschen kann die Ukraine eine tolle Zukunft haben“, sagte er. Ruslana Ivaniura aus Lwiw hatte von einer Teilnehmerin der ersten KIU-Sommerschule erfahren, dass auch viele Nicht-Ukrainer*innen mit großem Interesse teilnehmen – ein Grund für sie, sich zu bewerben. Als wertvollste Eindrücke nannte sie ein Planspiel zur Integration der Ukraine in die Europäische Union und die intensiven Workshops im wissenschaftlichen Schreiben, die die ukrainischen Teilnehmenden besuchten, während die anderen in Ukrainisch-Kursen die Sprache lernten.

Vielfältiges Programm bei der KIU-Sommerschule

In den Sprachkursen lernten unter anderem der Deutsche Daniel Leicht und der Däne Jakob Kristen Winter Overgaard zusammen. Beide führte eine ganz private Verbindung zur Ukraine in die Sommerschule. So gehörte ein großer Teil der Familie von Daniel Leicht der deutschen Minderheit in der Südukraine an. „Ich habe eine emotionale und persönliche Bindung mit diesem Land“, sagte er und räumte ein, dass er trotzdem in Gesprächen mit Freunden oder Bekannten immer wieder an Wissensgrenzen stoße. Als Höhepunkt der Sommerschule nannte er den Vortrag von Dr. Elmira Muratova vom Europäischen Zentrum für Minderheitenfragen über die Krimtataren.

Jakob Overgaards Beziehung zur Ukraine begann vor zwei Jahren, als er sich während eines Aufenthalts in Estland in der freiwilligen Flüchtlingshilfe für Ukrainer*innen engagierte. Seitdem sei er in mehrere Ukraine-Projekte involviert und sehe die Sommerschule als Möglichkeit, sich professionell fortzubilden. Die Sprache ist für ihn dabei ein Schlüssel: „Sprache ist entscheidend und der beste Weg, um mit einer anderen Kultur in Kontakt zu treten“, betonte er.

Ähnlich sieht es Nathan Hourcade aus Paris, der über ukrainische Musik ein so großes Interesse für die Ukraine entwickelte, dass er kürzlich eine preisgekrönte Masterarbeit über die französisch-ukrainischen Beziehungen abgeschlossen hat. Vom internationalen Austausch an der Viadrina zeigte er sich besonders inspiriert. „Teilnehmende aus der Ukraine und solche aus anderen Ländern können viel aus Gesprächen miteinander lernen. Dieser Austausch reflektiert die Diversität von Meinungen und Erfahrungen“, befand er. 

„Je mehr man sich kennenlernt, desto weniger ist es möglich, sich zu hassen oder gewisse negative Emotionen zu entwickeln“, brachte es Daniel Leicht auf den Punkt. Die Sommerschule sei dafür ein guter Beweis. Auch Jakob Overgaard betonte: „Ich kann nur dazu ermuntern, rauszugehen und Beziehungen zu Menschen in anderen Ländern aufzubauen. Es hilft dir, andere Perspektiven besser zu verstehen, auf die du allein nicht gekommen wärst.“

Doch nicht nur für die Teilnehmenden war der Austausch ein Gewinn, auch die Dozierenden nahmen aus den Gesprächen mit den Studierenden viel mit. Mattia Nelles, Gründer und Geschäftsführer des Deutsch-Ukrainischen Büros, war für einen Vortrag über den Weg zum EU-Beitritt der Ukraine in die Sommerschule gekommen. Für ihn eine wertvolle Gelegenheit, sein „Expertenwissen auch einfach mal auf die Probe zu stellen und Feedback dazu zu bekommen, was wir im Elfenbeintürmchen als kleiner Thinktank so alles treiben“. Die Viadrina nannte er den „pro-ukrainischsten Ort außerhalb der Ukraine“ und trotzdem scheute er sich nicht, unangenehme Analysen vorzustellen. „Meine These ist, dass die Ukraine zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage ist, der Europäischen Union beizutreten, sollte sie nicht eine fundamentale Kurskorrektur vornehmen. Mit politisierten und politisch kontrollierten Institutionen wird das leider nicht zu machen sein“, so seine Einschätzungen, über die er mit den Teilnehmenden diskutierte.

Wie viel alle in den zwei Wochen gelernt haben, konnten sie schließlich bei einem Abschiedsfest samt Ukraine-Quiz im verbuendungshaus fforst beweisen. Es war ein geselliger Abend, der deutlich machte, worum es bei dieser Sommerschule auch geht: um neue Freundschaften.

Frauke Adesiyan

Beitrag teilen:


Zurück zum Newsportal

Abteilung für Hochschulkommunikation