„Der Stoff, aus dem Konflikte gemacht sind“
Know-How zum Verständnis und für die konstruktive Bearbeitung von Konflikten anschaulich und praxistauglich aufbereitet: Interview mit Kirsten Schroeter und Lin Adrian zu ihrem neuen Buch „Konflikte verstehen und bearbeiten. Fachübergreifende Grundlagen für Studium und Praxis“.
Worum geht es in „Konflikte verstehen und bearbeiten“?
Spannungen im Miteinander kennen wir alle – was uns im Alltag, bei der Zusammenarbeit oder im Zusammenleben immer wieder fehlt, ist der richtige „Dreh“, um damit gut umzugehen. So dass Konflikte nicht nur lästig oder störend sind, sondern im besten Fall dazu führen, dass sich eine Situation auf gute Weise in Bewegung bringen lässt – zum Beispiel, weil wir eine Lösung finden, die wider Erwarten allen entgegenkommt. Oder weil wir uns zumindest besser kennenlernen und nachvollziehen können, worum es hier eigentlich geht.

Verlag Barbara Budrich
Konflikte haben die Angewohnheit, uns nicht gleich zu verraten, was eigentlich auf dem Spiel steht – vordergründig geht es vielleicht um eine Unzufriedenheit mit der Aufgabenverteilung oder um den nicht-erledigten Abwasch, doch dahinter verbergen sich oft andere Themen und Anliegen. Sie sind meistens der eigentliche Stoff, aus dem Konflikte – und auch deren gute Handhabung – gemacht sind.
Wie kamen Sie auf die Idee, dieses Buch zu schreiben? Gab es einen „Stein des Anstoßes“?
Wir beide arbeiten seit vielen Jahren leidenschaftlich gerne mit Konflikten – sowohl ganz praktisch, als Konfliktberaterinnen und Mediatorinnen, als auch als Ausbilderinnen in Studiengängen für Konfliktmanagement; die eine in Dänemark, die andere in Deutschland.
Der kollegiale Austausch von Ideen, Literatur, Ausbildungskonzepten, praktischen Erfahrungen war sehr fruchtbar und hat unsere Denkweise herausgefordert und uns klüger gemacht. Aus dieser Zusammenarbeit entstand der Traum, einen Beitrag zu unserem Beruf, der Konfliktbearbeitung, zu leisten, indem wir das dänische Buch von Lin Adrian gemeinsam überarbeiten, anreichern und für den deutschsprachigen Raum adaptieren.
Für wen ist Konflikte verstehen und bearbeiten gedacht?
Das Buch richtet sich an alle, die Lust darauf haben, überlegter und flexibler mit Konflikten umzugehen – in ihrem eigenen Alltag, als Fach- und Führungskraft bei der Zusammenarbeit oder auch als professionelle Berater:innen. Wir haben daher großen Wert daraufgelegt, das vorhandene Know-How zum Verständnis und für die konstruktive Bearbeitung von Konflikten verständlich, anschaulich und praxistauglich aufzubereiten.
Das Buch kann als persönliche Fundgrube und „Schatzkiste“ für Anregungen im Konflikt verwendet werden – und es kann zugleich als begleitendes Lehrbuch zu einer Ausbildung oder einem Studium in Konfliktberatung, -coaching, Verhandlung oder Mediation sinnvoll genutzt werden, da es nicht nur klassische Konflikttheorie präsentiert, sondern eine Vielzahl an eng damit verwobenen Themen wie beispielsweise Gerechtigkeit, Macht, Emotionen und kognitive Verzerrungen.
Viel Literatur in diesem Bereich wird auf Englisch und in englischsprachigen Ländern veröffentlicht. Deshalb ist es uns eine besondere Freude, dazu beizutragen, der europäischen Literatur und Forschung mehr Platz einzuräumen, als dies normalerweise der Fall ist.
Ihr Buch zeigt praxisnahe Ansätze für einen konstruktiven Umgang mit Konflikten. Würden Sie uns ein Beispiel geben?
In einem Team kommt es rund um die Urlaubsplanung immer wieder zu mehr oder weniger ausgesprochenem Unmut. Eigentlich ist es gute Tradition, dass die Kolleg:innen ihre Urlaubwünsche in eigener Verantwortung untereinander abstimmen, so dass immer eine ausreichende Besetzung im Team vorhanden ist. Doch von Jahr zu Jahr klappt das schlechter.
Eine solche Situation lohnt einen ganz genauen Blick – im Grunde eine Konfliktanalyse: Wer ist eigentlich womit unzufrieden? Wie äußert sich das – und was wird möglicherweise noch gar nicht zum Ausdruck gebracht? Welche Rahmenbedingungen spielen dabei eine Rolle? Und sind diese eigentlich so unveränderlich wie sie scheinen? So könnte man ja in diesem Fall in Frage stellen, ob es immer noch zur Organisation und ihren Mitarbeiter:innen passt, dass Urlaube kollegial abgestimmt werden – oder ob ein anderes Entscheidungsverfahren mittlerweile viel besser passen würde.
Nimmt man sich die Zeit für ein ruhiges Gespräch mit allen Teammitgliedern, erfährt man mehr darüber, wie die Einzelnen die Situation empfinden – ärgerlich, enttäuschend, lästig, kränkend, empörend, … und welche Grundwerte hier für sie berührt sind: Für die einen geht es möglicherweise um Gerechtigkeit, für die anderen um die Berücksichtigung von persönlichen Umständen wie schulpflichtige Kinder, pflegebedürftige Angehörige oder knappe finanzielle Mittel für Urlaub, weshalb es wichtig ist, nicht in der Hauptsaison zu verreisen. Die Erfahrung zeigt, dass ein solches Gespräch das wechselseitige Verständnis stärkt, Eskalationen stoppt und den Raum für individuell passende Lösungen enorm vergrößert.
Das Autor*innen-Interview wurde vom Verlag budrich geführt. Hier geht es zum Original.
Daniela Witzki
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