Versklavungsgeschichte jenseits von Eurozentrismus

Frankfurt (Oder), 

Über fachliche und geografische Grenzen hinweg die transatlantische Geschichte der Versklavung diskutieren – das stand im Zentrum des Workshops „Transversales Denken und Handeln“, zu dem PD Dr. Andrea Gremels und Norah El Gammal am 11. und 12. September 2025 an die Viadrina eingeladen haben. Sie stießen dabei auch auf Leerstellen und stellten ihre eigene Rolle als Forschende in Frage.

Man könnte meinen, die Welt stehe Kopf auf dem Ankündigungsplakat des Workshops „Transversales Denken und Handeln“. Die Variante der Weltkarte, die – anders als gewohnt – Australien, Afrika und Südamerika oben platziert, ist kein Zufall. „Unser Ziel mit diesem Workshop war es, auf die Produktivität kulturwissenschaftlicher Theorien aus dem Globalen Süden aufmerksam zu machen“, sagt PD Dr. Andrea Gremels, die die Veranstaltung gemeinsam mit ihrer Kollegin Norah El Gammal organisiert hat. Zwei Tage lang kamen Expert*innen aus der Literaturwissenschaft, Philosophie, Politologie, Ethnologie und Geschichtswissenschaft zusammen und diskutierten ihre aktuellen Forschungsthemen und Ansätze zur Versklavungsgeschichte. Was sie verbindet, ist die Bemühung, eurozentrische und nationalistische Perspektiven zu überwinden.

Galerie Workshop Transversal

In ihren Beiträgen zeigten sie Leerstellen auf, die die Geschichtsschreibung der transatlantischen Versklavung prägen. So ging Prof. Dr. Ottmar Ette von der Universität Potsdam in seinem Eröffnungsvortrag auf den Schwarzen Philosophen Anton Wilhelm Amo ein, nach dem seit wenigen Wochen und jahrelangen Diskussionen eine Berliner Straße benannt ist. Die Doktorarbeit des Philosophen aus dem Jahr 1734, in der er sich mit den Rechten Schwarzer Menschen in Europa beschäftigt, ist in den Archiven der Universität Halle scheinbar verschwunden. Eine weitere Lücke stellen Geschichten von weiblichen Versklavten dar, denen sich Norah El Gammal durch literarische Darstellungen nähert. Dr. Anka Steffen von der Universität Wien berichtete von dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Warschauer Archiv, das Auskunft über die polnischen Legionäre in der haitianischen Revolution hätte geben können.

Für Andrea Gremels gehört im Rückblick der interdisziplinäre Austausch zu den Stärken des Workshops. „Er hat Debatten darüber angeregt, wie wir aus sehr unterschiedlichen Perspektiven, zum Beispiel Literatur-, Philosophie- und Rechtsgeschichte, auf das Thema der transatlantischen Versklavungsgeschichte und die Kulturwissenschaften zugreifen“, sagt sie. Dabei gehe es immer auch um die eigene Positionierung als europäische Wissenschaftler*innen. So hatte unter anderem Dr. Sinah Kloß von der Universität Bonn über die Machtbeziehungen bei ihrer Feldforschung in Suriname reflektiert.  

Die Workshop-Organisatorinnen wollten mit dem transversalen Ansatz eine Möglichkeit eröffnen, globale Geschichte abseits von Hierarchien verständlich zu machen. Dabei, so erklärt Andrea Gremels den Workshop-Titel, geht es um ein Denken in Netzwerken und horizontalen Verbindungen – über geografische Distanzen und Fachgebietsdifferenzen hinweg. Deutlich wurde dieser Ansatz in einem Panel zum Thema Zucker. Zunächst gab Andrea Gremels dabei einen Einblick in ihre Forschung über die symbolische Aufladung des Zuckeranbaus bei dem kubanischen Anthropologen Fernando Ortiz. Der hatte Zucker als weißes Importprodukt beschrieben und es als Symbol für den verlorenen Ursprung Kubas im Zuge der Kolonialisierung aufgeladen. Viadrina-Historiker Prof. Dr. Klaus Weber referierte im Anschluss über die globalen Verbindungen des Zuckerrohr- und Zuckerrüben-Anbaus im 19. Jahrhundert und stellte dabei eindrücklich die Wechselbeziehungen zwischen kubanischen Plantagen, preußischen Rübenfeldern und Textilfabriken in Schlesien heraus.

Ein Brückenschlag von Frankfurt (Oder) über Mali und die Karibik bis in die USA gelang zum Abschluss des Workshops in einem Filmgespräch mit dem malischen Filmemacher Manthia Diawara. Er stellte seinen Film „Édouard Glissant: One World in Relation“ vor und sprach über die Austauschbeziehungen zwischen Afrika und der Karibik. Für Andrea Gremels ein gelungener Abschluss: „In dem Gespräch hat Diawara auf die Aktualität seines Films aufmerksam gemacht, der rassistischen und nationalistischen Grenzziehungen – wie sie gerade in den USA virulent sind – entgegenwirkt.“

Frauke Adesiyan

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