Wenn Studierende zu Berater*innen werden – ValEUs-Netzwerk veröffentlicht Young Generation Policy Briefs

Frankfurt (Oder), 

Statt langer Seminararbeiten für die Ablage des Professors schreiben Studierende bei Prof. Dr. Timm Beichelt praxisrelevante und pointierte Kurzanalysen mit Handlungsempfehlungen – sogenannte Policy Briefs. Im Rahmen des von der Viadrina geleiteten Forschungs- und Bildungsnetzwerkes ValEUs, in dem die Außenpolitik der Europäischen Union und ihre umkämpften Werte untersucht werden, haben Studierende bisher Analysen über die Migrationspolitik Albaniens, das Migrationsabkommen der EU mit Tunesien und die Rechtsstaatlichkeit in Serbien vorgelegt.

„Die größte Herausforderung ist es, Menschen zu erreichen, die nicht wirklich an Politik interessiert sind und auch nicht so viel wissen. Sie zu motivieren, meinen Artikel zu lesen, das ist die Challenge“, sagt Katrin Kehn, Autorin des ersten studentischen Young Generation Policy Briefs mit dem Titel „Meloni’s Albania model – New strategy or minefield?“. Darin geht sie der Frage nach, ob das sogenannte Albanien-Modell der italienischen Regierung – also Entscheidungen über Asylfragen in Nicht-EU-Staaten auszulagern – ein Vorbild sein kann oder vielmehr verboten werden sollte. „Dieses Thema ist so interessant für mich, weil hier das Recht auf Asyl zur Debatte steht“, begründet Katrin Kehn ihre Themenwahl. Sie studiert den Master of European Studies (MES) an der Viadrina, mit dem Ziel, grenzüberschreitend zu arbeiten. Antworten auf die Migrationsfragen zu finden, ist ihrer Meinung nach eine der entscheidenden Aufgaben für die EU-Staaten. 

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„Junge Menschen haben Werte, alte Menschen haben Werte. Für diese Werte einzustehen, ist nur natürlich. Und warum sollten die Werte von Studierenden weniger gültig sein als die von Professorinnen und Professoren?“, fragt Politikwissenschaftler Prof. Dr. Timm Beichelt und erläutert damit sein Anliegen bei der Einführung der Young Generation Policy Briefs. In diesen Texten denken die Studierenden über die Werte der EU nach und geben anhand aktueller Herausforderungen Handlungsempfehlungen für politisch Verantwortliche – eine Textform, die für die meisten gewöhnungsbedürftig ist.

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„Das Format war mir nicht so klar; auch so ganz einfache Fragen, beispielsweise wie man formal die Fußnoten handhabt. Ich habe es auch herausfordernd gefunden, meine eigene Meinung zu dem Thema zu entwickeln“, beschreibt Katrin Kehn die anfänglichen Schwierigkeiten. Für Timm Beichelt ist genau dieses Ringen mit dem Text wichtig. Die traditionellen Semesterarbeiten hält er zunehmend für überholt – besonders angesichts der Entwicklung von KI-Schreibprogrammen: „Bildung ist heutzutage nicht so sehr eine Frage des Schreibens, sondern des Nachdenkens über Argumente: Welche sind überzeugend, welche nicht, worauf sollte ich mich konzentrieren? Für diese Fragen ist die Künstliche Intelligenz noch nicht fit.“ Hinzu komme, dass sich die Rolle von Studierenden ändere. Statt sie als ältere Schüler*innen wahrzunehmen, sei es geboten, sie in ihrem Eingebundensein in die Zivilgesellschaft und Aufgaben jenseits der Universität zu sehen. „In diesem Sinne ist es wesentlich angemessener, dass sie nicht nur für ihren Professor schreiben, sondern für ein breiteres Publikum“, findet Beichelt. Das sei eine zusätzliche Kompetenz und zugleich mache es mehr Spaß, ist er überzeugt.

Katrin Kehn hofft, mit den Policy Briefs auch der Desinformation etwas entgegenzusetzen. „Viele junge Leute haben keine Zeit oder keine Motivation, lange Bücher zu lesen; sie wollen Informationen so schnell und präzise wie möglich. Da passen unsere Texte: Inhalt und Sprache sind nicht zu kompliziert“, ist sie überzeugt.

Auf die Auftakt-Texte von Viadrina-Studierenden folgen weitere Texte, unter anderem von Studierenden der Universidad del Norte in Kolumbien. Unterstützt wird die Reihe durch die Europäische Akademie Berlin. Deren Direktor Dr. Christian Johann sagt zu der Zusammenarbeit: „In unserem Haus für europäische Begegnung warten wir nicht auf den perfekten Moment – wir schaffen ihn. Gemeinsam mit der Viadrina verwandeln wir die Analysen der jungen Generation in greifbare Impulse für Europa.“ 

Zu den Policy Briefs

Informationen über ValEUs

EN V Co-funded by_PANTONEAls übergreifende Forschungsinitiative unter der Leitung der Europa-Universität Viadrina widmet sich das Projekt „ValEUs. Research & Education Network on Contestations to EU Foreign Policy“ den aktuellen Herausforderungen der Europäischen Union und untersucht mögliche Gegenstrategien.

Das Jean-Monnet-Netzwerk wird von der EU-Kommission im Rahmen des Förderprogramms Erasmus+ seit Januar 2024 für drei Jahre mit 1,2 Millionen Euro gefördert. An dem Vorhaben sind 20 Partnerinstitutionen aus 17 Ländern auf fünf Kontinenten beteiligt; es wird von Professor Dr. Timm Beichelt, Inhaber der Viadrina-Professur für Europastudien, geleitet. 

Frauke Adesiyan

Zum Studiengang European Studies

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