„Was wir als Europa nicht geschafft haben, das ist die Welt davon zu überzeugen, dass sie auf unserer Seite steht.“
Am 30. April 2025 sprachen renommierte Forschende, darunter die Historikerin Dr. Tatiana Timofeeva von der Viadrina, bei einer Podiumsdiskussion in der Konrad-Adenauer-Stiftung in Berlin über aktuelle politische Konflikte, Handlungsmöglichkeiten angesichts drängender Krisen und darüber, was es braucht, um Kriege zu beenden. Die Diskussion bildete den Abschluss der zweitägigen Konferenz „Der 8. Mai 1945. Das Ende des Zweiten Weltkriegs und seine Lehren für die Gegenwart“.
In seiner Eröffnungsrede merkt Prof. Dr. Norbert Lammert, Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung und ehemaliger Bundestagspräsident, an, dass 2025 nicht nur im Zeichen der Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkrieges stehe, sondern auch im Schatten aktueller militärischer, kriegerischer Auseinandersetzungen. Damit verdeutlicht Lammert, dass die Konferenz zum Thema Ende des Zweiten Weltkrieges und seine Lehren für die Gegenwart auch ganz konkrete realpolitische Entwicklungen in den Blick nahm und nehmen musste.
Konferenz anlässlich 80 Jahre Kriegsende
Den Keynote-Vortrag „Über Kriege und wie man sie beendet“ beginnt der Historiker Prof. Dr. Jörn Leonhard (Universität Freiburg) mit der Schilderung zweier Schicksale von Soldaten im Ersten und Zweiten Weltkrieg, einer aus Frankreich, einer aus Japan, beide mit ihrer ihnen ganz eigenen Dramatik. Mit den Biografien von Octave Monjoin und Onoda Hiros möchte Leonhard vor allem illustrieren, wie wenig sich offizielle und individuelle Erinnerungen miteinander verbinden müssen, wie er sagt. Leonhard erklärt, welche Dinge historisch für die Beendigung von Kriegen relevant waren und sind, welche Rolle Medien spielen, Konferenzen und Verträge, aber auch welche Bedeutung Narrativen zukommt und wie sich diese historisch wandeln und vor allem warum. Das Selbstbild vieler Deutscher als Opfer des Nationalsozialismus, das hätte sich mit den Auschwitz-Prozessen und der damit einhergehenden Dekonstruktion beispielsweise grundlegend verändert, so Leonhard.
Obwohl historische Vergleiche sinnvoll sein können, betont der Historiker, dass vergleichen nicht auch gleichsetzen bedeuten sollte. Die Spezifik jeder Situation muss im Fokus bleiben: „Man kann keine Krise an die Geschichte delegieren.“ Entgegen des fast geflügelten Wortes wiederhole sich Geschichte auch nicht, sondern sie fordert zur Auseinandersetzung heraus, so Leonhard.
Welche Lehren sich aus der Auseinandersetzung mit dem Zweiten Weltkrieg ergeben und welche aktuellen Handlungsmöglichkeiten es im Speziellen in der Ukraine gibt, diskutiert der Historiker dann im Anschluss mit der Politikwissenschaftlerin und Leiterin des European Council and Foreign Relations in Berlin (ECFR) Dr. Jana Puglierin sowie der Historikerin Dr. Tatiana Timofeeva von der Viadrina bei einer Podiumsdiskussion, die von Dr. Gesine Dornblüth moderiert wird. Es geht um aktuelle politische Konflikte und geopolitische Entwicklungen, um die USA, die Ukraine und Russland, um Putin und Trump. Unterschiedliche politische Interessen der Akteure werden genauso besprochen, wie die Handlungsmöglichkeiten Europas sowie moralische, politische und gesellschaftliche Werte in Europa und Deutschland. Bei der Diskussion offenbart sich mindestens eine Nüchternheit im Angesicht einer komplexen Weltlage. Jörn Leonhard befürchtet: Wenn Europa sich auf die Logik einlasse, Frieden nur als Abwesenheit militärisch eskalierter Gewalt zu verstehen, verrate Europa die Lektionen, die so schmerzlich aus dem Zweiten Weltkrieg gelernt wurden.
„Dass man Putin zuhört und mit ihm spricht, das ist schon ein Sieg“, sagt Tatiana Timofeeva als es um die laufenden Gespräche zwischen Russland, den USA und der Ukraine geht. Jana Puglierin befürchtet, dass es eigentlich Scheinverhandlungen sind. Tatiana Timofeeva selbst hatte große Hoffnung, als sie Russland zu Kriegsbeginn verließ, berichtet sie. Diese Hoffnung schwindet zusehends. „Ein gerechter Frieden für Russland wäre, wenn das Regime nicht weiter existiert“, erklärt sie. Auch Jana Puglierin gibt sich wenig optimistisch. Sie beobachte auf verschiedenen Feldern eine zunehmende Abwendung von der Ukraine: „Was wir als Europa nicht geschafft haben, dass ist die Welt davon zu überzeugen, dass sie auf unserer Seite steht.“
Die Veranstaltung bildete den Abschluss einer zweitägigen Konferenz in Berlin, die eine internationale Konferenzreihe der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kooperation mit der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder), der Université Paris 1 Panthéon Sorbonne und der Columbia University New York eröffnete. Ziel der Reihe ist es, einen vergleichenden Blick auf das Kriegsende zu werfen. Die von Viadrina-Historikerin Prof. Dr. Claudia Weber mitorganisierte Konferenzreihe wurde in Berlin unter anderem von Viadrina-Professor Prof. Dr. Eduard Mühle eröffnet.
Lea Schüler
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