Freiheit, Menschlichkeit und die Realitäten des Krieges – KIU veranstaltet Diskussionsabend mit Maksym Butkevych

Berlin, 

Knapp zwei Jahre und vier Monate war Maksym Butkevych in russischer Gefangenschaft, bevor er bei einem Gefangenenaustausch im Oktober 2024 freikam. Am 5. März 2025 sprach der ukrainische Journalist und Menschenrechtsaktivist bei der Veranstaltung „Der Kampf der Ukraine für Freiheit, Gerechtigkeit, Menschenrechte und die Zukunft Europas“ über seine Erfahrungen. Der Abend in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften war vom Kompetenzverbund für Interdisziplinäre Ukrainestudien (KIU) in Kooperation mit der Allianz Ukrainischer Organisationen und dem Zentrum Liberale Moderne organisiert worden.

Maksym Butkevych legt seine Hände auf die Brust und verbeugt sich vor dem Publikum, das ihn an diesem Abend stehend und mit langanhaltendem Applaus begrüßt. „Es ist, ehrlich gesagt, nicht einfach hier zu sein, vor allem nicht nach so einer Einführung und Begrüßung“, erklärt er. Dass Maksym Butkevych seinen Humor nicht verloren hat, wird an diesem Abend trotz aller Schwere, immer wieder deutlich: „Ich weiß noch immer nicht, was ich in solchen Situationen machen soll. Vor allem, wenn ich daran denke, dass ich vor weniger als fünf Monaten noch in der Strafkolonie in dem besetzten Teil von Luhansk, das von Russland kontrolliert wird, saß. Hätte mir damals jemand erzählt, dass ich in weniger als fünf Monaten hier bin und so begrüßt werde, hätte ich es mir nicht vorstellen können.“

Gespräch mit Maksym Butkevych

Als Pazifist im Kriegseinsatz

Bevor sich Maksym Butkevych noch im Februar 2022 zum Militär meldete, hat er als Journalist und Menschenrechtsaktivist gearbeitet, war unter anderem bei BBC World Service und dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR tätig. Im Juni 2022 wurde er von russischen Streitkräften gefangen genommen und zu 13 Jahren Haft verurteilt. Auf die Frage von Moderatorin Oleksandra Bienert, wie es zusammenpasst, dass ein Antimilitarist und Pazifist eine Waffe in die Hand nimmt und sich für den Kriegsdienst meldet und inwiefern der Krieg seine antimilitaristische Position verändert habe, sagt Butkevych, dass das auch eine Frage der Definition sei. Wenn pazifistisch sein bedeute, gegen Krieg zu protestieren, Gewalt zu verabscheuen und zu versuchen sie abzuwenden, dann sei er ein Pazifist. Aber wenn es dafür stehe – und so werde es seiner Beobachtung nach immer wieder ausgelegt – dass Gewalt niemals, unter keinen Umständen, also auch nicht zur Verteidigung, angewendet werden darf, dann ist er es nicht. Butkevych begründet diese Haltung: „Ich glaube ehrlich – und das ist nicht nur ein rationaler Glaube, sondern ein Gefühl, das meine Grundsätze berührt –: Wenn man ein Verbrechen bezeugt, das nur durch Gewalt verhindert werden kann und man macht nichts, dann wird man zum Komplizen dieses Verbrechens.“

Wenn Menschen Frieden fordern und damit meinen, die Ukraine nicht länger militärisch zu unterstützen, dann geht es für ihn auch um Ehrlichkeit, um intellektuelle und moralische: „Natürlich kann jeder sagen: Ich finde, die Ukraine sollte nicht unterstützt werden. Das ist eine Meinung. Aber dann sollten sie auch sagen: Ich möchte nicht, dass die Ukraine weiter existiert; ich möchte, dass die ukrainische Bevölkerung einem Genozid unterzogen wird; ich bin auf der Seite des Aggressors; ich unterstütze Unterdrücker, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, deswegen sollte die Ukraine nicht unterstützt werden. Sagt das dann einfach!

Russische Propaganda im Weißen Haus

Maksym Butkevych gibt an diesem Abend einen tiefen Einblick in die Wirklichkeiten des Krieges. Er spricht über seine Erfahrungen als Gefangener, darüber, was sie mit ihm gemacht haben und warum er so unermüdlich kämpft. Er spricht über seine Glaubens- und Grundsätze und teilt auch seine politischen Beobachtungen, beispielsweise über die Krim, die aus der öffentlichen Wahrnehmung fast gänzlich verschwunden sei: „Die Situation auf der Krim ist wahrscheinlich schlimmer denn je, aber die Welt verfolgt es nicht mehr. Wenn die Welt, die internationale und europäische Gemeinschaft, 2014 adäquat auf die gewaltvolle Übernahme von Teilen der Ukraine durch Russland reagiert hätte, wären wir nicht da, wo wir jetzt gerade sind. Wir hätten diesen scheußlichen Krieg nicht. Aber es wurde nicht ernstgenommen und jetzt tragen wir die Konsequenzen.“

Über den aktuellen politischen Diskurs und den Eklat beim Besuch von Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus sagt er, dass er von der Rhetorik Donald Trumps erschüttert sei. Seine Aussagen seien deckungsgleich mit russischer Propaganda, die er auch von russischen Aufsehern aus seiner Haft kenne; beispielsweise, dass Selenskyj ein Diktator sei und die Ukraine den Krieg provoziert habe. „Aber als ich sie gefragt habe: ‚Welche bewaffneten Streitkräfte sind in welches Territorium eingedrungen? Sagt es mir einfach!‘, da war eine merkwürdige Stille“, erzählt Butkevych. „Man kann probieren Informationen zu manipulieren; man kann versuchen, eine bestimmte Sichtweise auszubauen und zu verbreiten, aber man kann nicht behaupten, dass bewaffnete ukrainische Streitkräfte nach Russland eingedrungen sind, um anzugreifen. Nein, das war andersherum.

Plädoyer gegen Entmenschlichung und Rache

In der Gefangenenhaft hat er manchmal auch eine Art Rachewunsch bei manchen Inhaftierten aufkeimen sehen, die leise Hoffnung, dass russische Gefangene in der Ukraine möglicherweise ähnlich schlecht behandelt werden, wie sie. Butkevych erzählt, dass immer jemand widersprach, dass das Entscheidende sei, dass sie der Krieg nicht zu dem mache, wogegen sie kämpfen: „Der Krieg ist nicht nur schrecklich wegen dem Schmerz und Leiden, die er bringt, weil er uns geliebte Menschen nimmt und unser Zuhause zerstört, weil es unser Land mit Flüssen voll Blut flutet, sondern weil er uns unsere Menschlichkeit nimmt. Es bringt uns dazu, Gerechtigkeit mit Rache zu verwechseln.“ Butkevych ist davon überzeugt, dass Rache nicht der richtige Weg sein kann, dass Entmenschlichung außerhalb der Schlachtfelder keine Notwendigkeit haben darf. Seit einigen Wochen ist Butkevych aus dem aktiven Militärdienst entlassen und widmet sich vor allem seiner aktivistischen Arbeit. Wenn es hart auf hart kommt, würde er aber auch zurück an die Front gehen. 

Mitschnitt der Veranstaltung

Lea Schüler

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