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Angesichts des verheerenden Krieges in der Ukraine waren die 18. Medienrechtstage am 13. und 14. Juli 2022 dem Thema „Journalismus in Zeiten des Krieges“ gewidmet. Auf dem international besetzten Podium diskutierten Medienschaffende mit Menschen aus Politik und Wissenschaft. Zu den Medienrechtstagen eingeladen hatte die Europa-Universität Viadrina zusammen mit der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Südosteuropa-Gesellschaft.
Es war ein ambitioniertes Programm mit hochkarätigen Referentinnen und Referenten, das die 18. Medienrechtstage dem Publikum im Senatsaal und an den Bildschirmen zu Hause boten: geschichtliche und politische Hintergründe zur Entwicklung Russlands nach dem Zweiten Weltkrieg, völkerrechtliche Expertise über die Dokumentation und die Ahndung von Kriegsverbrechen, Strategien gegen Propaganda und Fake News, Erfahrungsaustausch von Journalistinnen und Journalisten, die unlängst aus der Ukraine berichtet hatten. „Wir wollen mit dieser Veranstaltung einen Beitrag dazu leisten, eine freie Ukraine in Europa zu erhalten“, eröffnete Viadrina-Medienrechtsprofessor Dr. Johannes Weberling die Veranstaltung.
Die Notwendigkeit einer umfassenden Perspektive begründete Viadrina-Historiker Prof. Dr. Jan C. Behrends zu Beginn der Tagung: „Die Entwicklung der post-kommunistischen Staaten nach 1990 spielt eine wichtige Rolle für das Verständnis der aktuellen Geschehnisse. Was wir derzeit beobachten, hat eine lange Vorgeschichte, die wir verstehen und im Auge behalten sollten.“ Behrends machte deutlich, dass das Geschichtsverständnis in Deutschland bis heute unvollständig und politische Interpretationen in der Vergangenheit oft falsch gewesen seien. Die Perspektive der osteuropäischen Staaten werde systematisch vernachlässigt. Dass die deutsche Politik die „Renaissance totalitärer Herrschaft in Europa“ viel früher hätte bemerken und dem entschieden entgegentreten müssen, bekräftigte auch Marieluise Beck. Die Gründerin des Zentrums Liberale Moderne war bis 2017 Mitglied des Bundetages für Bündnis90/Die Grünen. „Wir waren viel zu lange unwillig, mit unangenehmen Wahrheiten, die uns unangenehme Konsequenzen bescheren, umzugehen“, sagte sie.
Für eine osteuropäische Perspektive standen die tschechische Journalistin Zuzana Kleknerová sowie Viadrina-Alumnus Dr. Ivo Indzhov, Dozent für Journalismus an der St. Kyrill-und-St.-Method-Universität in Weliko Tarnowo, Bulgarien. „Kein Mensch in Tschechien versteht die deutsche Haltung bei den Waffenlieferungen, viele sind enttäuscht“, kommentierte Kleknerová. Ihr Land erlebe seit längerem massive russische Propaganda, die das Ziel habe, das Vertrauen der Bevölkerung in Demokratie und die Regierung zu unterminieren. Das gelte auch für Bulgarien, berichtete Indzhov, traditionell ein russlandfreundliches Land. Nun vermische sich dort die russische Propaganda mit dem rechts-nationalen Diskurs.
Propaganda und Fake News entlarven
Strategien gegen Kriegshetze thematisierte die Eröffnungsveranstaltung am Donnerstag. Der beste Schutz sei gute journalistische Arbeit, so die einhellige Meinung der Teilnehmenden. Dafür müsse man aber auch Geld in die Hand nehmen, guter Journalismus brauche Zeit, betonte David Crawford, ehemals Investigativ-Reporter vom Wall Street Journal und heute Journalist beim Recherchezentrum CORREKTIV. Hier tue Deutschland zu wenig. „Hätte man mehr Zeit gehabt, frühzeitig zu analysieren, was Putin macht, hätte man möglicherweise eine andere politische Strategie gefahren“, so Crawford. Teresa Dapp, die für die Deutsche Presse-Agentur die Faktencheck-Redaktion leitet, kritisierte, dass man bei der Berichterstattung über die Ukraine in deutschen Medien häufig den Hinweis finde, bestimmte Information ließen sich nicht hinreichend überprüfen. „Das stimmt oft nicht. Viele Informationen können sehr wohl mit wenig Aufwand auf den Wahrheitsgehalt geprüft werden.“ Die Faktencheck-Redaktion biete entsprechende Schulungen an.
Dr. Christian Booß, der online zugeschaltet war, sowie Prof. Dr. Johannes Ludwig, Initiator des Projektes „investigativ.org“, gaben mit Hinweis auf den Irak-Krieg zu bedenken, dass nicht nur Russland Quelle von Fake News und Desinformation sei. „Im Krieg stirbt die Wahrheit immer zuerst“, so Ludwig. Das gelte für alle Kriege. Booß mahnte: „Empathie mit den Angegriffenen, Moral und politische Überzeugung kann und sollte meines Erachtens nicht journalistisches Handwerk ersetzen.“
Geschichten aus dem Krieg erzählen, ist das der richtige Ansatz?
Doch lässt sich überhaupt seriös und ausgewogen aus einem Kriegsgebiet berichten? Darüber diskutierten im zweiten Panel des Tages Journalistinnen und Journalisten, die unlängst in der Ukraine gewesen waren. „Kriegsberichterstattung hat eine Unwucht, das liegt in der Natur der Sache“, erklärte Gerhard Gnauck, politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Natürlich versuche man das Analytische im Blick zu behalten, ausgewogen zu berichten. Dies würde allerdings erschwert durch die russischen Mediengesetze und die mangelnde Gesprächsbereitschaft des „russischen Lagers“. Ukrainische Kolleginnen und Kollegen hätten verständlicherweise oft nicht die Zeit und die Nerven, ihre Rolle auf einer Metaebene zu reflektieren, so Gnauck. Mascha Shikolay, Redakteurin und Übersetzerin von KATAPULT Ukraine beschrieb, wie schwer es ihr manchmal falle, neutral zu bleiben: „In Deutschland dürfen wir Russland nicht einmal als Terrorstaat bezeichnen.“ Ihre Redaktion verfolge dennoch das Ziel, gesicherte und umfassende Nachrichten aus dem Krieg in der Ukraine zu liefern – auch auf Russisch. Ein Beitrag gegen Fake News.
Jan Jessen, Redaktionsleiter Politik für die Neue Ruhr Zeitung, ging auf die Schwierigkeiten ein, als Journalist vor Ort an verlässliche Informationen zu kommen: „In den von Russland besetzten Gebieten kann man ohne Genehmigung nicht arbeiten – und die bekommt man nicht. Man weiß nicht, was dort passiert. In diesem Krieg gibt es sehr viele graue und schwarze Flecken.“ In der Ukraine sei, bedingt durch die Verhängung des Kriegsrechts, die Berichterstattung eingeschränkt, das Fernsehen gleichgeschaltet. Anders als im Irak-Krieg sei es aktuell nicht möglich, als westlicher Korrespondent an die vorderste Front zu kommen. Er betrachte es deshalb als seine Aufgabe, mit den Menschen vor Ort zu sprechen. „Das ist die einzige Art, wie wir Berichterstattung machen können. Ich schreibe über das, was ich sehe, fühle, rieche“, so Jessen. Eine Zuschauerin aus dem Publikum wandte ein, ob das „Geschichtenerzählen aus dem Krieg“ der richtige Ansatz sei. „Was hilft es, wenn ich einen analytischen Zugang wähle und nach zwei Sätzen wird die Zeitung weggelegt?“, entgegnete Nancy Waldmann von der Märkischen Oderzeitung. Man müsse die Leserinnen und Leser im Blick behalten und da sei der Zugang über das Erzählen von persönlichen Geschichten leichter.
Journalistinnen und Journalisten diskutierten Möglichkeiten guter Berichterstattung aus der Ukraine. - Foto: Yvonne Martin
Forderung nach einer deutschen Ermittlungsgruppe
Im abschließenden Panel legten die Viadrina-Juristinnen Anne Fock und Prof. Dr. Gudrun Hochmayer die straf- und völkerrechtlichen Möglichkeiten dar, Kriegsverbrechen, gerade auch gegenüber Journalistinnen und Journalisten, zu ahnden. Christian Mihr vom Verein „Reporter ohne Grenzen“ berichtete darüber, wie seine Organisation Kriegsverbrechen der russischen Armee dokumentiert. Über 50 Vergehen gegen das Völkerrecht habe man vor dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bereits angezeigt, so Mihr. Die Erfolgsaussichten stufte er allerdings als eher gering ein: „Am Ende wird das Völkerrecht politisch angewandt. Das müssen wir endlich überwinden.“ Medienrechtler Prof. Dr. Johannes Weberling forderte für Deutschland die Einrichtung einer „zentralen Ermittlungsgruppe für die Kriegsverbrechen in der Ukraine“, um dem Völkerrecht zur Geltung zu verhelfen.
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