Tartu University, Estland 2025: "Es war ein tolles Auslandssemester"

Tartu, 

Erfahrungsbericht European Studies (MA)

Vorbereitung

Die Bewerbung an der Uni Tartu verlief recht einfach, da Estland ein EU-Land und Vorreiter in Sachen Digitalisierung ist. Das bedeutet, dass man sich nicht um ein Visa kümmern muss, wenn man aus einem europäischen Land kommt und dass sie Kommunikation mit der Uni fast ausschließlich über E-Mail und online verläuft – auch vor Ort. Der einzige Moment, an dem man mit Personen wegen Unidokumenten Kontakt hatte, war bei der Beantragung der Aufenthaltserlaubnis und natürlich während der Kurse.

Estland

Die Anreise nach Tartu läuft im Normalfall, wenn man nicht Zug fährt (wo man allerdings etwas Zeit einplanen sollte, denn die Verbindungen aus Deutschland sind lang und mit viel Umsteigen), über den Flughafen Tallinn oder Riga. Kleiner Tipp: Im Nachhinein ergab sich, dass es über Riga teilweise günstiger ist, aber es kommt auf die Airline und das Angebot an. Man fährt von Riga dann noch 4:55 Stunden Bus für ca 22€ und von Tallinn aus fährt man 2:30 Stunden Bus für 15€ bis nach Tartu. Die Buslinie heißt Lux-Bus und ist wirklich super. Man kann ganz einfach über die App zB Tickets kaufen und es gibt die Option für nur wenig Geld mehr einen Komfortsitz hinten im Bus zu kaufen. Dort ist dann mehr Beinfreiheit und ein etwas bequemerer Sitz. Aber es ist nicht unbedingt nötig, denn auch die normalen Sitze sind bereits völlig ausreichend, in jeder Kategorie gibt es Bildschirme mit Unterhaltungsprogramm und man hat immer WLAN im Bus. Für die Bildschirme empfiehlt es sich Kopfhörer mit Kabel mitzunehmen, man kann sie aber auch für wenig Geld beim Busfahrer erwerben. Die Busreisen in Estland sind eine gängige Fortbewegungsmöglichkeit und die Busse und Ausstattung ermöglichen wirklich recht komfortables Reisen. Sobald man in den Erasmus-Whatsapp-Gruppen ist oder den Onlineauftritt von Lux-Express verfolgt, bekommt man auch ab und zu Promotionscodes mit, mit denen die Busfahrten noch günstiger werden.

Kurz vor Beginn des Semesters erhält man von der Studienkoordinatorin bereits eine E-Mail mit weiteren Ansprechpartnern und Hinweisen zu der Anmeldung. Die Kommunikation läuft da recht unkompliziert. Vor Ort muss man zu einer Polizeistelle oder dem „Welcome Center“ vor dem Universitätshauptgebäude und sich registrieren, damit man eine ID bekommt, die jede in Estland lebende Person braucht. Dafür hat man aber Zeit, es empfiehlt sich trotzdem es recht zu Beginn zu machen, damit man es nicht vergisst. In allen Dingen wird man aber gut beraten, wenn man per Mail nachfragt. Es gibt ein paar Einführungstage der Uni, direkt bevor Beginn der Vorlesungszeit, zu denen man am besten auch gehen sollte, denn erstmal lernt man dort bereits die ersten Leute kennen und dann ist das Informationsangebot auf der Veranstaltung wirklich breit. Es gibt nicht nur Hinweise zur Uni sondern auch zum Leben in Estland generell. Es gibt auch ein Tutoren-/Buddy-Angebot, für das man sich schon vor Uni-Start bewerben kann per E-Mail. Man bekommt dann den Kontakt einer studierenden Person in Tartu, die in der Regel bemüht ist und  hilfreiche Tipps geben kann.

Unterkunft

Es gibt verschiedene Studierendenwohnheime, die Erasmus Studis sind alle im Raatuse 22. Die Wohnungen sind dort alle gleich aufgebaut, es gibt pro Wohnung 3 Zimmer mit jeweils 2 Betten, geteilter Küche, Toilette und Bad mit Dusche. Für die normale Miete, die zwischen 200 und 300€ liegt, teilt man sich ein Zimmer. Wenn man sich rechtzeitig direkt auf ein Einzelzimmer bewirbt, kann man es alleine beziehen, zahlt dann aber auch die doppelte Miete. Aus der Erfahrung haben beide Optionen Vor- und Nachteile. Wer die Privatsphäre schätzt und das Geld hat, dem empfehle ich sich auf ein Einzelzimmer zu bewerben. Aber auch mit Zimmerpartner kann es natürlich eine tolle Zeit werden und vielleicht knüpft man so noch tiefere Freundschaften. Der Zustand der Wohnungen ist insgesamt völlig ausreichend. Wenn man Glück hat, landet man in einer der wenigen renovierten Wohnungen und hat eine größere schönere Küche. Es gibt allerdings in keiner der Wohnungen einen Ofen, jede Küche hat nur eine Mikrowelle und je nachdem, was die Vorbewohner angeschafft haben, einen Wasserkocher. Ansonsten ist der Service im Raatuse aber sehr gut, wenn es irgendein Problem gibt, kann man immer zu der 24/7 besetzten Rezeption unten gehen und bekommt sehr schnell Hilfe. Dort bekommt man zu Beginn auch seinen Schlüssel. Das Leben in Raatuse war wirklich schön, denn man hat seine Freunde immer nur auf dem Gang entfernt. Es gibt auch Möglichkeiten in Tartu in einem eigenen Apartment zu leben, relativ nah beim Wohnheim gibt es zB Rare Apartments. Aber ich empfehle es ins Raatuse 22 zu gehen, die Zeit dort war toll.

Studium an der Gasthochschule

Ich war am Johan Skytte-Institut, der Politik Fakultät. Die Kurse hier sind alle auf einem Hügel, dessen Anstieg manchmal hart war am Morgen. Aber die Wege sind alle sehr kurz in Tartu. Nur wenige Studiengänge haben Lehrgebäude, zu denen man mit dem Bus weiter fahren müsste. Die meisten Veranstaltungen sind fußläufig im Zentrum. Die meisten Veranstaltungen, insbesondere für die Wirtschaftsstudierenden, sind im Delta Gebäude, welches wirklich sehr neu und schön ist und am nächsten am Wohnheim. Aber auch das Skytte-Gebäude hat seinen Charme und ist näher an der Bibliothek. Für die Bibliothek und die Stadt gibt es zu Beginn einige Führungen, organisiert von der Uni und auch ESN Tartu. Man wird also auch dort gut informiert.

In vielen Kursen an der Politikfakultät gab es Anwesenheitspflicht, man durfte 3 Mal fehlen. Es gab eine große Auswahl an Kursmöglichkeiten. Man registriert sich für die Kurse und erhält darüber auch die Infos mit Studienlevel und Anforderungen und am Ende die Noten über das Student Information System – SIS. Wie es funktioniert und den Link und Zugangsdaten bekommt man am Anfang zugeschickt. Die Auswahl war recht breit, thematisch waren die Kurse im Jahr 2024/25 natürlich stark auf den Beziehungen zwischen Russland und der EU. Aufgrund von Estlands Vergangenheit als ehemaligem unterdrückten Sowjet-Staat und der geografischen Nähe sind diese Themen sehr relevant. Es gab aber auch allerhand andere thematische Angebote. Die Lehre in Tartu ist sehr hochwertig und gut, man muss dafür für einige Kurse aber auch einiges tun. Am besten entscheidet man sich in den ersten Wochen, nachdem man sich die Anforderungen angehört hat, denn man hat ein/zwei Wochen zu Beginn noch Zeit die Kursregistrierungen zu ändern, danach nicht mehr! Ich habe folgende Kurse belegt: Regional Conflicts in Eurasia, E-Governance, Illiberal Turn in Europe and Russia, einen Kurs, indem es um die Kultur Estlands ging (Estonia and Estonians (on the Basis of English)) und einen Sprachkurs Estnisch (Estonian for Beginners I, on the Basis of English, Level 0 > A1.1). Für den Sprachkurs ist keine Anerkennung möglich, man kann ihn aber ohne Modulzuordnung im Learning Agreement eintragen lassen. Ich empfehle trotzdem stark ihn zu machen, auch wenn man der Meinung ist es lohnt sich nicht die Energie hineinzustecken, denn man lernt so meiner Meinung nach die Esten viel besser kennen und kommt auch im Alltag besser zurecht. Außerdem ist der Sprachkurs zusammen mit dem Kulturkurs der einzige Kurs, wo man mit anderen Studierenden außerhalb der eigenen Fakultät zusammenkommt und gut andere internationale Studierende kennenlernen kann. Das Studienangebot war generell breit und die Qualität der Lehre hoch, alle Professoren waren bemüht, offen für Fragen und per Mail immer zu erreichen.

Alltag und Freizeit

Die Lebenserhaltungskosten sind auf demselben Level wie in Deutschland, teilweise etwas höher. Lebensmittelpreise sind recht hoch, aber vergleichbar zu uns. Wenn man auf den Markt am Busbahnhof oder in die Markthalle geht, ist es geringer. Allerdings sind Drogerieprodukte jeglicher Art sehr teuer, also diese unbedingt vorher mitnehmen oder schicken lassen! Shampoo/Duschbad/Deo und co findet man nur im Supermarkt, es gibt keine Drogerien, und sie sind super teuer! Ich empfehle einzukaufen bei Coop (dort unbedingt eine Coop-Karte kostenlos machen für Rabatt), Maxima oder beim Lidl (ein kleines Stück außerhalb, kann man aber gut laufen vom Wohnheim und kommt dabei an einem Strand mit Volleyballfeldern vorbei am Anne-Kanal – sehr schön). Dort ist es etwas günstiger als beim Selver, der direkt neben dem Raatuse 22 Wohnheim liegt. Für Mittagessen in Bibliothek oder Restaurants muss man 5-10€ einplanen. Es gibt allerdings ein täglich wechselndes günstigeres Mittagsgericht „Paevapraad“ in fast allen Cafés und Restaurants – das Angebot kann man auf dieser Seite verfolgen: https://päevapakkumised.ee/tartu. Das meiste Geld fließt wahrscheinlich in die Freizeitaktivitäten. Es gibt sehr schöne Cafés im Zentrum, in die man sich auch gut zum Lernen setzen kann, wie zB das Werners oder Cruffin. Schaut auch mal in das etwas weiter gelegene Viertel beim Aparaaditehas, dort gibt es auch das tolle Restaurant Kolm Tilli und einen industriellen Berlin-Vibe. Getränke in Bars/Clubs sind recht teuer, ich empfehle den SuperAlko in der Barstraße (geht vom Hauptplatz Raekoja Plats nach rechts ab), dort gibt es den Alkohol günstiger. Man darf nicht auf der offenen Straße trinken, außer im Pirogovi-Park hinter dem Rathaus. Deshalb ist das auch ein beliebter Ort, um sich zu treffen und vorzuglühen. Bars gibt es ansonsten recht viele, ich empfehle Möku (die Studibar schlechthin, man trifft alle dort und der Vibe ist toll, mittwochs gibt es Bingo und im Club die Treppe hoch sind oft Veranstaltungen), Kivi (haben einen kleinen Innenhof mit Tischtennisplatte), Pühaste (wenn man ruhiger sitzen will, große Biersortenauswahl), TreppBar (für Shots, bspweise den legendären Spartashot den jeder Studi in Tartu getrunken haben muss - aber auf eigene Gefahr) und Barlova in Karlova (sehr urig). Man darf kein allzu großes Nachtleben in Tartu erwarten, aber wenn man sich dem annimmt, kann man trotzdem viel Spaß haben. Tanzen kann man im Seik, in der SpaceBar oder im Shooters-Club (ist aber nicht gut). Seik am Samstag hat bessere Musik. Immer Donnerstag ist dort außerdem Karaoke. Es gibt regelmäßig organisierte Veranstaltungen von ESN und von Pyramid Estonia im Genialistide Clubi über dem Möku. Dort gibt es einige Technoevents, die gut sind. Im Lucky Loore kann man sehr gut Dart und Billiard spielen. Aber eine absolute Herzensempfehlung, die ich jedem Nahe lege, der in Kontakt mit Esten kommen möchte, ist das wöchentliche Bierpong-Turnier immer mittwochs 19 Uhr im Gunpowder Cellar. Dort kann man nicht nur seine Bierpongskills verbessern, sondern auch echte Freundschaften knüpfen. Sportangebote gibt es auch viele in Tartu, es gibt ein faires Angebot für das Uni-Gym und auch sonst viele andere Gyms. In regelmäßigen Abständen gibt es in dem Uni-Gym (für welches man auch zu Beginn eine Führung buchen kann bevor man sich einschreibt) auch Basketballspiele der Uni-Mannschaft, welche großen Spaß machen sich anzusehen. Fußball gibt es in Tartu auch, der Sport ist aber nicht so beliebt wie bei uns weshalb es nicht viele Zuschauer bei den Spielen gibt. Öffentliche Verkehrsmittel braucht man nicht, wenn man sich primär im Zentrum bewegt. Man kann mit seiner Geldkarte oder mit einer im Touristenoffice gekauften Buskarte (wo man dann Studi-Rabatt erhält) mit dem Bus fahren, wenn man beispielsweise zum Einkaufszentrum Lõunakeskus möchte, wo es eine Eisbahn in der Mall, viele Einkaufsmöglichkeiten und ein Kino gibt. Es gibt auch noch ein Kino bei den 2 großen Einkaufszentren Kaubamaja und Kvartal, die im Zentrum von Tartu liegen. In der Stadt gibt es sonst überall Elektrofahrräder und Elektroroller, die man sich ausleihen kann.

Fazit

Es war ein tolles Auslandssemester und ich empfehle es nach Tartu zu gehen. Im Gegensatz zu Tallinn ist alles sehr klein und schnell fühlt es sich familiär an, denn man kennt schnell viele Studierende. Es gibt tolle Angebote für Studierende von ESN Tartu und die Lehre und Bibilothek ist sehr gut. Meine größte Empfehlung ist es, die ESN-Trips zu buchen und mitzumachen – ganz besonders den Lapland-Trip. Der erscheint erst teuer, aber es ist vergleichsweise wirklich günstig solche Erfahrungen am Nordpol zu machen – wirklich ein einmaliges Erlebnis, an das man sich immer erinnern wird. Rechtzeitig bewerben! Der einzige Minuspunkt war, dass in Estland im Winter wirklich wenig die Sonne scheint und es immer sehr dunkel ist. Deshalb empfehlen alle dort auch Vitamin-D zu nehmen. Und besorgt euch eine dicke Winterjacke, wenn ihr im Winter geht. Ansonsten kann diese Dunkelheit aber auch dazu führen, dass man gemütliche schöne Abende im Wohnheim gemeinsam mit neu gewonnenen Freunden verbringt.

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Outgoing Studierende

EU-Programme

Wirtschaftswissenschaften
Aleksandra Klecha & Torsten Glase
Raum AM 214
outgoing-wiwi@europa-uni.de

Kulturwissenschaften und Jura
Nicole Klück & Christin Reise
Raum AM 209
outgoing@europa-uni.de

Non-EU-Programme

Afrika, Asien, Australien
(alle Fakultäten)
Nicole Klück
Raum AM 209
outgoing@europa-uni.de

Georgien, Kosovo, Ukraine
(alle Fakultäten)
Ana Retsch
Raum AM 246
erasmus-world@europa-uni.de

Nord- und Lateinamerika
(alle Fakultäten)
Claudia Casiano
Raum AM 206
outgoing@europa-uni.de