National Chengchi University, Taiwan 2024: "Mein Semester in Taiwan war ein unvergessliches Erlebnis und es fällt mir schwer, ein einzelnes Highlight hervorzuheben"

Erfahrungsbericht European Studies (Master)

Vorbereitung 

Die Vorbereitung auf ein Austauschsemester in Taiwan nimmt einige Zeit in Anspruch, ist aber im Allgemeinen nicht allzu schwierig. Sowohl die Viadrina als auch die Partneruniversität in Taipeh beantworten gerne Fragen zur Organisation des Programms und helfen bei eventuellen Schwierigkeiten. EU-Bürger dürfen sich bis zu 30 Tage lang visumfrei in Taiwan aufhalten, das Semester überschreitet jedoch diese Grenze. Aus diesem Grund habe ich bei der Taiwan-Vertretung in Berlin ein Visitor Visa beantragt. Das Visum gilt für 90 Tage, und ich rate dazu, sich ein Multiple-Entry Visum (kostet gegen 100 Euro) zu besorgen, während des Semesters eine Reise in ein nahe gelegenes Land zu unternehmen und nach der Rückkehr nach Taiwan weitere 90 Tage zu bekommen.Für das Visum braucht man eine Krankenversicherung (ich glaube, das muss man sowieso haben, wenn man für längere Zeit unterwegs ist). Ich habe mich für Hanse Merkur entschieden, sie bieten ein gutes ,,Young Travel Outgoing‘‘ Paket. Da ich ursprünglich aus Bulgarien komme und den Sommer zu Hause verbracht habe, bin ich von Sofia mit Turkish Airlines über Istanbul nach Taipeh geflogen. Die Fluggesellschaft kann ich nur empfehlen, sie haben auch einen Nachlass für Studierende, wenn man sich im Vorfeld ein Studentenprofil anlegt. Es gibt auch m.E. auch direkte Flüge von München oder Frankfurt (Main), sie sollen aber teurer sein. Was die Bewerbung an der Gasthochschule betrifft, war sie relativ schnell und einfach. Man bekommt Ende Februar/Anfang März eine Einladung von der Uni, digital alle Unterlagen und Formulare auszufüllen. Dann bewirbt man sich auch um einen Platz im Dorm/I-House (mehr darüber im nächsten Abschnitt). Es ist empfehlenswert, an allen Einführungsveranstaltungen (eine digitale im August und eine vor Ort eine Woche vor dem Klassenbeginn) teilzunehmen, da alles Wichtige dort ausführlich erklärt wird und man auch seine ersten Kontakte zu den anderen Austauschstudenten knüpfen kann. Ich hatte geplant, 10 Tage vor dem Vorlesungsbeginn in Taiwan anzukommen, musste aber aus persönlichen Gründen meine Flugbuchung ändern und bin letztendlich am Tag vor der Einführung gelandet, was nicht zu schlimm war. Man braucht aber zumindest eine Woche, um sich an das Klima anzupassen – im frühen September ist es extrem heiß und sehr, sehr, sehr feucht Nicht zuletzt gibt es ein Buddyprogramm, was für jede Person anders funktioniert hat – bei mir mit wenig Erfolg, ich habe mich mit meinem Buddy nur einmal getroffen, was auch nicht so schlimm war, da ich mich mittlerweile mit anderen taiwanesischen und ausländischen Studenten befreunden konnte.

 

Taipeh, vom Berg Xiangshan

Unterkunft

Es gibt in Taipeh im Großen und Ganzen drei Optionen – Studentenwohnheime, I-House und private WGs, und im Folgenden gehe ich ein bisschen genauer darauf ein. Die Präfernzen für die eine oder andere Option müssen bei der Bewerbung bei der Uni angegeben werden. Die Wohnheime liegen am Campus und sind am billigsten – nur gegen 240 EUR (für Bachelor-Studierende) und 330 EUR (für Master-Studierende) für das gesamte Semester. Dafür teilt man sich das Zimmer zu viert (im Bachelor) und zu zweit (im Master). Bad, Küche usw werden in der Regel von der ganzen Etage genutzt. Einige Wohnheime sind relativ modern und gut ausgestattet, andere eher alt, es ist pures Glück, wo man landet. Es gibt genug Räume, also wenn man in einem ,,Dorm‘‘ wohnen möchte, kriegt man mit fast 100% Sicherheit einen Platz. Das I-House ist auch am Campus, der Unterschied zu den Dorms besteht darin, dass man alleine wohnt, in der Regel in einem Einzelzimmer mit eigenem Bad. Das kostet ca 1700 EUR pro Semester. Es gibt jedoch deutlich weniger Plätze als Bewerber, und die Vergabe erfolgt nach dem Lotterieprinzip, nicht ,,first come, first serve‘‘. Da ich für das I-House nicht ausgewählt wurde (die Ergebnisse wurden Ende Mai veröffentlicht) und auch meine Privatsphäre mir ziemlich wichtig war, habe ich mich für die dritte Option entschieden – eine private WG in der Stadt. Einem muss bewusst sein, dass die Uni außerhalb der Stadt ist. Wenn man also am Campus wohnt, ist das praktisch für den Unialltag, es kann aber 1-1,5 Stunden bis zum Zentrum dauern, in der Regel in einem überfüllten Bus. Besser ist es meiner Meinung nach, in der Stadt zu bleiben, damit man auch etwas von dem taiwanesischen Lebensstil spürt und die Kultur mit den Nachtmärkten, lokalen Cafes und Ständen erleben kann. Ich habe mein Zimmer über eine Agentur gefunden, die Wohnungen meistens an internationale Studenten vermietet. Das hat zwar mehr gekostet (gegen 470 EUR Warmmiete pro Monat), für ein sehr großes Einzelzimmer in einer 7er-WG. Die große Anzahl der Mitbewohner war gar kein Problem, da wir drei Badezimmer, eine große Küche, Dachterrasse und einem Wohnzimmer hatten. In der Miete sind nicht nur die Nebenkosten, sondern auch Netflix (Fernsehen in jedem Zimmer), die Reinigung der Badezimmer und anderer Gemeinschaftsräume einmal pro Woche, die Müllentsorgung alle paar Tage und Verbrauchsmaterialien wie Toilettenpapier, Vero, Shampoos, Waschschwämme, Waschmittel, etc, inbegriffen. Die Wohnung ist voll möbliert und mit allen notwendigen Utensilien ausgestattet. Sie befindet sich in ,,Zhonghe“, eine halbe Stunde mit dem Bus vom Campus entfernt und in der Nähe einer U-Bahn-Station mit schneller Verbindung zum Stadtzentrum und anderen U-Bahn-Stationen. Das Viertel ist traditionell, was mir sehr gefallen hat, da ich so in den taiwanesischen Lebensstil eintauchen konnte. Die Unterkunft und die Vermieter kann ich nur empfehlen, bei Interesse kann ich euch die Kontaktdaten weiterleiten.

Studium an der Gasthochschule 

Insgesamt kann ich sagen, dass das Studium an der NCCU weniger aufwändig ist als das an der Viadrina. Die Kurse werden im Sommer in mehreren Stufen gewählt, und alles wird von der internationalen Abteilung der taiwanesischen Uni ausführlich erklärt. In der Regel bekommt man fast immer einen Platz in den gewünschten Kursen. Da ich an der Viadrina European Studies im Master studiere, fiel mir die Kurswahl etwas schwer, da die Kurse in Taiwan erwartungsgemäß inhaltlich und thematisch wenig mit Europa zu tun hatten. Am Ende habe ich mich für drei Kurse entschieden - ,,International Relations in the European Union‘‘, ,,Post-Communist Democratization‘‘ and ,,Seminar in International Development -  Issues of Agriculture, Economics and Trade‘‘ Ich bin mit meiner Wahl sehr zufrieden und kann alle Veranstaltungen empfehlen. Die meisten Kurse in Taiwan finden in relativ kleinen, seminarähnlichen Gruppen statt, wobei der Schwerpunkt viel mehr auf der Diskussion und dem Erfahrungsaustausch während der Vorlesungen, sowie auf mehreren Präsentationen während des Semesters liegt als auf der Abschlussprüfung, wenn es überhaupt eine gibt. Alle Kurse fanden auf Englisch statt, und die Professoren waren äußerst freundlich und fachlich vorbereitet. Es war sehr interessant, einen anderen Blickwinkel auf globale Prozesse und politische Phänomene aus einer ostasiatischen Perspektive zu bekommen, vor allem in Taiwan, das ein Hotspot der globalen Geopolitik ist. Solange man sich während des Semesters etwas bemüht und sich aktiv an den Diskussionen beteiligt, kann man eine gute Note erwarten. Die einheimischen Studenten sind zu Beginn etwas schüchtern und zurückhaltend, freuen sich aber sehr, wenn Ausländer Interesse an Taiwan, der lokalen Kultur und dem Lebensstil zeigen. Die Besonderheit des einheimischen Tagesablaufs ist, dass die Vorlesungen in der Regel 3 Stunden dauern, was etwas unangenehm ist, wenn man an 1,5-stündige Veranstaltungen gewöhnt ist. Wer Interesse hat, kann an der Universität einen kostenlosen Chinesischkurs besuchen, der für alle Niveaus vom Anfänger bis zum Fortgeschrittenen angeboten wird. Es ist wichtig zu beachten, dass die Mandarin-Kurse (auch die Teilzeitkurse) sehr intensiv sind und man sich deutlich bemühen muss. Daher rate ich euch, sich nur dann für einen solchen Kurs anzumelden, wenn ihr die Sprache wirklich lernen wollt.

 

Alltag und Freizeit

Im Gegensatz zu den meisten Ländern Südostasiens ist Taiwan kein sehr günstiges Reiseziel. Die durchschnittlichen Lebenshaltungskosten sind ähnlich hoch wie in Deutschland, und natürlich hängt alles von den Essgewohnheiten, der Häufigkeit von Ausflügen, Partys, Reisen usw. ab. Wenn man sich an die taiwanesische Küche hält und in traditionellen kleinen Lokalen oder auf den berühmten Nachtbasaren isst, ist das Essen sehr günstig. Das Gleiche gilt im Allgemeinen für die öffentlichen Verkehrsmittel. Ausländische Produkte (vor allem europäische Molkereiprodukte, Schokolade und andere ,,exotischere‘‘ Waren) sind sehr teuer, ebenso wie nicht saisonale oder aus anderen Ländern eingeführte Früchte. Auch feiern zu gehen ist nicht ganz billig, vor allem in den berühmten Clubs im trendigen Stadtzentrum, aber mit einem gewissen Maß an vernünftiger Planung und mit Hilfe von Stipendien oder Ersparnissen kann man bequem leben und viel in Taiwan erleben. Als moderne Metropole und eine der Megastädte Asiens bietet Taipeh unzählige Angebote für jeden Geschmack und lässt garantiert keine Langeweile aufkommen. Von den trendigen Einkaufszentren, glitzernden Geschäften und berühmten Restaurants im Herzen der Stadt bis hin zu den unzähligen Tempeln, heißen Quellen und Hunderten von kleinen Märkten in den traditionelleren Vierteln - die Stadt ist unglaublich und ein wunderbarer Ausgangspunkt für asiatische Abenteuer. Und damit kommen wir zum Wichtigsten - der Natur, Taiwans größtem Schatz und Anziehungspunkt Nummer eins. Die Insel ist berühmt für ihre „300 nationalen Gipfel“, was die große Anzahl kleiner und großer Berge symbolisiert, von denen viele innerhalb der Städte beginnen. Taiwan ist der grünste Ort, den ich je gesehen habe - jede Stadt ist praktisch aus dem Dschungel zurückgewonnenes Land. Aufgrund der geringen Größe des Landes ist es einfach und relativ schnell, herumzureisen. Während des Semesters konnte ich die meisten der beeindruckendsten Orte Taiwans besichtigen, wobei Sun Moon Lake, Alishan, Shizhou Teeplantagen, Yehliu, Kaohsiung, Tainan, die Inseln Kinmen und Kenting ein Muss für jeden Besucher sind. Mein Rat lautet daher – reist so viel wie möglich, oder lasst euch vor oder nach dem Semester Zeit. Unerwartet für viele verbirgt diese kleine Insel Dutzende von erstaunlichen Orten. Natürlich habe ich versucht, die Zeit zu nutzen, um einige der anderen interessanten Orte in der Umgebung zu besuchen, für die man relativ günstige Tickets finden kann - Okinawa in Japan, Hongkong, Macau, Malaysia, Kambodscha, Singapur, Brunei, Laos, die Liste ist lang und hängt von deinen Interessen und deinem Budget ab. Am Ende dieses Berichts könnt ihr euch einige Bilder ansehen. Auch an der Universität selbst gibt es interessante Dinge zu tun, denn sie bietet eine große Auswahl an Studentenclubs, von Kalligrafie über Kino bis hin zu Baseball. Auch das Fitnessstudio der Universität ist gut und kann von allen Studenten zu sehr günstigen Preisen genutzt werden.

Fazit

Mein Semester in Taiwan war ein unvergessliches Erlebnis und es fällt mir schwer, ein einzelnes Highlight hervorzuheben. Ich werde mich wahrscheinlich auf zwei Dinge konzentrieren, die sich mir besonders gut ins Gedächtnis eingebrannt haben: das Tauchen mit riesigen Meeresschildkröten auf der Insel Xiaoliuqiu an der Südküste Taiwans und der Sonnenaufgang in Angkor Wat in Kambodscha, ein Kindheitstraum von mir, den ich mir während meines Aufenthalts in Asien erfüllen konnte. Die Möglichkeit, nicht nur den Kontinent zu bereisen, sondern auch dort zu leben, zu studieren und mich in die Lebensweise vor Ort einzufügen, werde ich noch lange in Erinnerung behalten. Ich kann keine besonders schlimmen Momente verzeichnen, ich möchte nur erwähnen, wie schwierig es für mich war, mich in den ersten Wochen an den neuen Ort zu gewöhnen. Ein Problem für mich war neben dem heißen und feuchten Klima auch die völlig neue Küche (ich stamme vom Balkan und meine Essgewohnheiten könnten sich kaum stärker von der traditionellen chinesischen Küche unterscheiden) und die praktische Unmöglichkeit, auf Englisch mit Leuten außerhalb der Universität zu kommunizieren. Ähnlich wie in Ländern wie Südkorea und Japan ist das Niveau der Englischkenntnisse in Taiwan nicht sehr hoch und Übersetzungs-Apps werden oft euer bester Freund sein. Oftmals können aber auch sie euch nicht genau erklären, was ihr esst! Das ist ja aber alles Teil des Abenteuers, und wenn man mit offenem Herzen und Neugier nach Taiwan kommt, dann passiert einem vor allem Gutes und es kann unvergesslich werden. Ich kann es euch nur ans Herz legen – für mich war das ein riesiger Schritt und jede Sekunde hat sich gelohnt

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Outgoing Studierende

EU-Programme

Wirtschaftswissenschaften
Aleksandra Klecha & Torsten Glase
Raum AM 214
outgoing-wiwi@europa-uni.de

Kulturwissenschaften und Jura
Nicole Klück & Christin Reise
Raum AM 209
outgoing@europa-uni.de

Non-EU-Programme

Afrika, Asien, Australien
(alle Fakultäten)
Nicole Klück
Raum AM 209
outgoing@europa-uni.de

Georgien, Kosovo, Ukraine
(alle Fakultäten)
Ana Retsch
Raum AM 246
erasmus-world@europa-uni.de

Nord- und Lateinamerika
(alle Fakultäten)
Claudia Casiano
Raum AM 206
outgoing@europa-uni.de