Jugend als Changemaker in Friedensprozessen? – Prof. Dr. Lars Kirchhoff zum zehnjährigen Bestehen der Youth, Peace and Security UN-Resolution
Seit zehn Jahren gibt es die UN-Resolution für Jugend, Frieden und Sicherheit (YPS). Doch welche Rolle spielen junge Menschen in geopolitischen Verhandlungen angesichts des aktuellen friedens- und sicherheitspolitische Pradigmenwechsels? Darüber diskutierte Viadrina-Konfliktforscher Prof. Dr. Lars Kirchhoff am 9. Dezember 2025 bei einer Tagung in Berlin. Eingeladen hatte die Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt) in Kooperation mit der Deutschen Koalition für Jugend, Frieden & Sicherheit anlässlich des zehnten Jahrestages der YPS-Agenda.
Herr Kirchhoff, Ziel der Tagung war es, einen kritischen Blick auf die Umsetzung der Jugend, Frieden und Sicherheits-Agenda zu werfen. Wie lautet ihr Urteil nach zehn Jahren?
In der aktuellen Situation – konkret dem Primat der Macht – sind die Vorzeichen für eine aktive Rolle junger Menschen in geopolitischen Aushandlungen kurzfristig eher schlechter geworden. Statt um Konflikttransformation und positiven Frieden geht es gegenwärtig oft um funktionale, mittelfristige, transaktionelle Deals, die tieferen gesellschaftlichen Dynamiken spielen eine untergeordnete Rolle. Wenn aber Ziel nicht positiver Frieden, sondern politische Ko-Existenz entlang wirtschaftlicher Logik ist, leiden unweigerlich die Diversität und damit eben auch die Relevanz junger Menschen bei der Aushandlung solcher Deals.
Kauffmann
Gibt es auch Aspekte, die Sie optimistischer einschätzen?
Auf jeden Fall, zumindest perspektivisch. Im Grundsatz haben viele Regierungen, multilaterale Organisationen und NGOs ja längst erkannt, dass ohne eine Beteiligung junger Menschen weder Frieden noch Sicherheit als Konzepte funktionieren.
Ohne aktive Beteiligung junger Menschen funktionieren die Konzepte von Frieden und Sicherheit nicht.
Lars Kirchhoff
Die Grundpfeiler der YPS-Agenda – konkret etwa Jugendpartizipation, Schutz junger Menschen, Prävention von Radikalisierung, Partnerschaften und Reintegration – hatten vor der zweiten Amtszeit von Trump deutlich an Beachtung und Relevanz gewonnen. Die Rolle der Jugend hatte sich nach und nach von einer Wahrnehmung als „Opfer von Gewalt“ hin zum echten „Changemaker“ verschoben. Ein Schlüssel dafür war, das Thema nicht mehr als Anhängsel oder als alleinstehendes Thema zu behandeln, sondern zu analysieren, welche konkrete Relevanz die Jugend in welchen den klassischen Themenbereichen von Friedensprozessen hat. Und auf einigen Feldern – von Wahlen über Entwaffnung bis hin zur Übergansjustiz und gesellschaftlicher Versöhnung – drängt sich die elementare Rolle der Jugend geradezu auf.
All das wird gegenwärtig zwar überschrieben, aber programmatisch nicht vergessen. Ich bin überzeugt, dass nach einer kurzen Zeit von Trumps Dealmaking Friedensprozesse wieder differenzierter werden, einfach weil sonst nichts Nachhaltiges entsteht. Und selbst in der primär sicherheitspolitisch geprägten Gegenwart gibt es wie beschrieben ja einen harten Kern an funktionalen Argumenten, Jugend einzubeziehen, jenseits aller Lippenbekenntnisse.
Welche Rolle kann dabei die Viadrina spielen?
Das ist in einem derart vielschichtigen Prozess natürlich nur eine kleine, dafür eine doppelte: Zum einen machen stehen wir mit der hier an der Viadrina etablierten, angewandten Friedens- und Konfliktforschung eindeutig und sichtbar für den Einbezug aller entscheidenden Akteure in Aushandlungsprozesse, das ist sozusagen unser methodischer Markenkern. Jugend ist dabei elementar; dafür treten wir etwa auch in unserer umfassenden Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt ein.
Zum anderen bietet die Viadrina eine ganze Reihe an Angeboten, wie sich junge Menschen gezielt methodisch für die notwendige „Teilnahme auf Augenhöhe“ an politischen Aushandlungsprozessen qualifizieren können. Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt bieten wir seit vielen Jahren Programme für junge Personen aus Krisen- und Kriegsgebieten an. Und an der Viadrina selbst sind es Angebote wie der ViAPACS oder das Masterprogramm International Human Rights and Humanitarian Law, perspektivisch auch der neue Master Conflict and Democracy, die eine exzellente Basis bieten, sich frühzeitig mit dem notwendigen Wissen und methodischen Werkzeugen auf ein aktives politisches Einbringen vorzubereiten.
Mehr zur Tagung
Die Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung (FriEnt) hat im Dezember in Kooperation mit der Deutschen Koalition für Jugend, Frieden & Sicherheit zum 10. Jahrestag der sogenannten YPS-Agenda eine Tagung ausgerichtet. Ziel war der kritische Blick auf den Stand der Implementierung der Jugend, Frieden & Sicherheits-Agenda (Resolutionen des UN- Sicherheitsrats 2250 (2015), 2419 (2018) und 2535 (2020)). Die Veranstaltung fand in den Räumlichkeiten der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin statt, teilgenommen haben Vertreter*innen zahlreicher Jugendorganisationen. Nach einem Impulsvortrag von Mahammad Agmaro von der Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Jordanien stand die Frage im Zentrum, welche Implikation der friedens- und sicherheitspolitische Paradigmenwechsel für die Rolle junger Menschen in geopolitischen Verhandlungen hat. Gemeinsam mit Prof. Dr. Lars Kirchhoff haben die Geschäftsführerin des Zentrums für Internationale Friedenseinsätze (TZIF), Dr. Astrid Irrgang, Paul Klahre (UNOY Peacebuilders), Judith Böckle (Bundesvorsitzende der Katholischen Landjugendbewegung Deutschlands) und Robert Kalwis vom Jugendbeirat des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) diskutiert.

Frauke Adesiyan
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