Grenzräume in Europa: Neuer Sammelband über Herausforderungen und Perspektiven der Daseinsvorsorge
Grenzen sind kein Randphänomen: Rund 40 Prozent der Fläche der Europäischen Union gelten als Grenzraum und darin leben immerhin 30 Prozent der Bevölkerung. Was, in welchem Umfang und in welcher Qualität dort in Sachen grenzüberschreitender Daseinsvorsorge geleistet wird, zeigt ein aktuell erschienener Sammelband am Viadrina Center B/ORDERS IN MOTION, der am 25. Juni 2025 in einem Podiumsgespräch vorgestellt wurde.
Als die Idee für das Buch vor etwa fünf Jahren aufkam, erzählt Dr. Norbert Cyrus, sei die Vorstellung von Grenze noch eine andere gewesen: „Sie hat sich in den vergangenen Jahren sehr gewandelt, dazwischen kamen Corona und Kriege.“ Davor habe man in der Forschung eine stärker werdende Durchlässigkeit von Nationalstaatsgrenzen angenommen, die mit der Pandemie teilweise ganz ausgesetzt wurde. „Und aktuell werden Grenzen wieder stärker betont, grenzüberschreitendes Leben ist beeinträchtigt und begründet wird dies mit Sicherheit“, verweist Norbert Cyrus, der selbst Mit-Herausgeber und -Autor des Buches ist, auf die Kontrollen an der Grenze zu Polen.

Heike Stralau
Die Podiumsgäste, darunter Mitherausgeber Dr. Peter Ulrich (Universität Potsdam) und Autor Dr. Marcin Krzymuski (Frankfurt-Słubicer Kooperationszentrum) – beide Viadrina-Alumni – sowie Autorin Dr. Sabine Zillmer vom Think Tank „Spatial Foresight“, blicken in ihren Beiträgen vornehmlich darauf, wie Grenzen durchlässig werden können und welche Konsequenzen die aktuelle Re-Nationalisierung für die Daseinsvorsorge haben könnte. Es gehe im deutsch-polnischen Grenzraum besonders um Brandschutz, Rettungsdienste, öffentlichen Nahverkehr und die Gesundheitsversorgung und um einen 360-Grad-Ansatz, wie es Peter Ulrich beschreibt.
Welche Bedeutung dabei den lokalen Akteur*innen und deren politischer Unterstützung zukommt, verdeutlichte Sabine Zillmer, indem sie ihre Vergleichsstudie zwischen den Grenzräumen in Ost und West vorstellte. „In westdeutschen Grenzräumen ist die Zusammenarbeit viel intensiver, weil sie traditionell gewachsen ist, seit Langem stabil ist und dadurch Vertrauen geschaffen wurde.“ Sie plädierte stark dafür, dass grenzüberschreitende Projekte von unten wachsen sollten. Wenn etwas aufgezwungen oder verordnet werde, sei das nicht nachhaltig. „Demokratie ist mühsam; es ist ein Verhandlungsprozess – aber für mich bedeutet das: Lebensqualität.“
Wie die Lebensqualität von Marcin Krzymuski als Grenzpendler 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie gelitten hatte, berichtete der Mitarbeiter der Frankfurter Stadtverwaltung in einem persönlichen Rückblick. Fotos von der versperrten Stadtbrücke und von Zelten am Grenzübergang, die als Corona-Test-Stellen aufgebaut wurden, waren Bestandteile seiner Präsentation. Wohl einer der größten Bedarfe der damals grenzüberschreitenden Daseinsvorsorge: Auskunft und Kommunikation.
Grenzüberschreitende Daseinsvorsorge – Stand und Perspektiven in europäischen Verflechtungsräumen
Das Buch versammelt Beiträge mit konzeptionellen Überlegungen sowie empirischen Analysen der Praxis grenzüberschreitender Kooperationen in den Daseinsvorsorgebereichen Mobilität, Gesundheit, Bildung, Katastrophenschutz, Energiekooperation, Wärmeversorgung, Raumplanung und Grenzmobilitätsberatung. Die transdisziplinäre Ausrichtung des Bandes befördert den intra- und interregionalen Dialog zur Gestaltung grenzüberschreitender Daseinsvorsorge und bietet Impulse für Lern- und Transferprozesse in und zwischen europäischen Verflechtungsräumen.
Heike Stralau
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