Zwischen Protektionismus und Liberalismus: IFES-Gegenwartsanalyse über die US-Handelspolitik der Trump-Ära

Frankfurt (Oder), 

Eine große Portion wissenschaftlicher Expertise garniert mit der Möglichkeit, nebenbei eine Portion Milchreis mit Zimt und Zucker aus der Mensa zu verspeisen: Die „Gegenwartsanalyse zur Mittagszeit“ vom Viadrina Institut für Europastudien (IFES) ist eine Möglichkeit, innerhalb von einer Stunde geballtes Wissen präsentiert zu bekommen und zugleich satt zu werden. Doch das Thema des 18. Juni 2025 könnte so manchem auf den Magen geschlagen haben.

Die Viadrina-Wissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Neyer und Prof. Dr. Sascha Münnich sprachen über die handelspolitische Eskalation zwischen den USA, China und der Europäischen Union sowie die aktuellen und zu erwartenden Auswirkungen. Moderiert wurde das Panel von Dr. Sonja Priebus.

Jürgen Neyer am Rednerpult

Der Wirtschaftssoziologe Sascha Münnich verwies in seinem Vortrag auf die zuweilen einseitige Kritik am Vorgehen des US-Präsidenten Donald Trump und an seinem Fokus der Abschottung und der Anhebung von Zöllen. „Vergessen wir dabei nicht unsere Globalisierungskritik“, erinnerte er. Man könne angesichts des Protektionismus der USA nicht so tun, als wäre man generell für den Freihandel: „Die EU war auch gegen TTIP – Stichwort: Chlorhühnchen.“ Protektionismus mit Augenmaß sei keine schlechte Sache und werde auch von der EU aktuell angestrebt, so Münnich. In bestimmten Wirtschaftsbereichen sei die Zusammenarbeit auf transnationaler Ebene sinnvoll, etwa in Bezug auf Hochtechnologie. Doch die Politik Trumps verspreche gegenüber der eigenen Wählerklientel auch, dass die Industrie in den Mittleren Westen der USA zurückkehren werde. „Ein Eingriff des Staates erlaubt einen Umbau der Wirtschaft“, sagte Münnich. Das Problem in den USA sei jedoch, dass diejenigen im Verwaltungsapparat, die diesen Umbau organisieren müssten, aktuell entlassen werden. Zugleich werden diejenigen abgeschoben oder aus dem Land herausgehalten, die den nun noch ärmer werdenden Menschen auf dem Arbeitsmarkt zur Konkurrenz werden könnten.

Jürgen Neyer, Professor für Internationale Politik, schloss an diesen Gedanken an, indem er drei Bevölkerungsgruppen beschrieb: „Menschen wie uns hier geht’s gut“, erklärte er und deutete in den gut besetzten Seminarraum – „wir besuchen internationale Konferenzen, reisen, alles fein, alles dufte.“ Die zweite Gruppe bestehe aus den gut ausgebildeten Arbeiter*innen, die Konkurrenz aus Indien und Pakistan haben. „Und die dritte besteht aus den working poor – sie haben nicht einen rationalen Grund, liberal zu wählen.“ Denn das Versprechen des Liberalismus, wie etwa Wohlstand für alle, werde aus deren Sicht nicht eingelöst. „Freihandel ist toll, wenn die innere Ordnung der Gesellschaft die negativen Effekte kompensiert“, spitzte Neyer zu. In den USA herrsche aber ein neues, ein anderes Mind-Set. Und in diesem Glauben an den Merkantilismus und „America first“, handele die Trump-Administration nur logisch.

Welche Folgen hat diese Wirtschaftspolitik für die EU? Wenn Europa „seinen Kram nicht zusammenbekommt“ und die wirtschaftliche Abhängigkeit nicht als integrativ, sondern als Waffe gegeneinander einsetze, so Neyer, werde es einen Konflikt der Blöcke geben. Unter anderem Umweltfragen und Sozialstandards würden noch weiter in den Hintergrund rücken.

„Wo sind wir falsch abgebogen?“, war daraufhin eine Frage aus der Zuhörerschaft. Seit wann verfange der Liberalismus nicht mehr? Münnich verwies auf die vielschichtigen Problemlagen; es seien soziale, ökonomische und kulturelle Unterschiede innerhalb einer Gesellschaft, die es kompliziert machten. Neyer stellte infrage, ob es überhaupt „falsch“ sei. Es sei die große Erzählung des Liberalismus, die für uns gelte, weil wir sie kennen. Aber: Solche großen Erzählungen hätten sich in der Vergangenheit schon immer mal geändert. „Wir schauen auf die Welt heute mit den Maßstäben der Vergangenheit“, so Neyer.  Das rot-grüne Projekt hätte besser erklärt werden sollen, um erfolgreich zu sein. „Aber Leute, die ökonomisch absteigen, also morgen weniger haben als heute, die werden sauer, die wählen nicht liberal“, fuhr er fort. Glaubwürdigkeit, Vernunft und die Fähigkeit, aus der Geschichte zu lernen – darum gehe es, um die Demokratien nach „unserem“ Verständnis zu erhalten und die aktuellen „Verirrungen hoffentlich zu überwinden“, so Neyer. Eine gut organisierte Verteilung ohne Nationalismus, das sei die große Aufgabe, erklärte Sascha Münnich. „Wir wollen doch die kulturellen Unterschiede feiern.“

Heike Stralau

Zum IFES

Beitrag teilen:


Zurück zum Newsportal

Abteilung für Hochschulkommunikation