„Meilenstein für die Ukrainestudien“ – KIU eröffnet Graduiertenschule

Frankfurt (Oder), 

Drei Jahre lang werden sie zu ukrainischer Kunst, Geschichte, Politik und Gesellschaft forschen, und dabei weit über die Ukraine hinausschauen: die ersten zwölf Doktorand*innen der Graduiertenschule am Kompetenzzentrum für Interdisziplinäre Ukrainestudien (KIU). Am 16. Juni 2025 wurde die erste Graduiertenschule für Ukrainestudien in Deutschland an der Viadrina eröffnet. Im bis auf den letzten Platz besetzten Logensaal ging es um die künftige Bedeutung der Ukrainestudien, den Nutzen, den die internationale Wissenschaft davon hat, und um die Themen der Doktorand*innen.

3,8. Mit dieser Zahl machte Dr. Susann Worschech knapp deutlich, welche Bedeutung das neue Graduiertenprogramm hat. Es sind durchschnittlich 3,8 Dissertationen mit Ukraine-Bezug, die an deutschen Universitäten jährlich entstehen. „Diese Zahl symbolisiert die marginalisierte Rolle, die die Ukraine bisher in der deutschen Wissenschaft gespielt hat“, sagte die wissenschaftliche Koordinatorin des KIU und nannte die Eröffnung des Graduiertenprogrammes vor diesem Hintergrund einen Meilenstein für die Ukrainestudien. „Wir schreiben heute Wissenschaftsgeschichte in Deutschland“, so ihre ganz bewusst und stolz gewählten Worte.

galerie eröffnung graduiertenschule kiu

Davon, dass das Programm tatsächlich weit über die Grenzen Deutschlands als wichtiger Schritt wahrgenommen wird, sprechen einerseits die Zahlen. Rund 90 Bewerbungen aus vielen Ländern der Welt sind für das Graduiertenprogramm eingegangen, zwölf Promotionsvorhaben wurden ausgewählt, neun der Doktorand*innen werden mit einem Stipendium gefördert. Andererseits zeugte auch die wissenschaftlich, politisch und zivilgesellschaftlich prominente Zusammensetzung im Publikum und auf dem Podium von der Bedeutung des Anlasses. Gäste aus der ukrainischen Botschaft, der Landesregierung, des Landtages und aus der internationalen Wissenschaft verfolgten die Eröffnung. Eigens aus Kyjiw angereist war Volodymyr Sheiko, Direktor des Ukrainischen Instituts. Er stellte in seiner Festrede heraus, welche Bedeutung die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Ukraine für deren nationale Sicherheit hat. „Russland bestimmte lange Zeit das Bild, das man in Europa von der Ukraine hatte. Diese Sichtweise wurde auch zur Basis der Annahme, dass die Ukraine den Krieg nicht überleben kann“, sagte Sheiko. Die Erzählungen auch durch Ukrainestudien zu ändern, sei aber kein reiner Akt der Solidarität. Ein tieferes Verständnis der ukrainischen Geschichte und Gesellschaft sei wichtig für die gesamteuropäische Sicherheitsarchitektur, so seine Überzeugung.

Dass trotz des gewachsenen Interesses an der Ukraine das Wissen in europäischen Medien und Gesellschaften immer noch viele Lücken aufweist, konstatierte Prof. Dr. Yuliya Yurchuk von der Södertörn Universität in Schweden im anschließenden Podiumsgespräch. Auch in der Ukraine selbst wandele sich das Selbstbild vor den Augen der Weltöffentlichkeit. Die dringend notwendige und andauernde Veränderung in der Erforschung der Ukraine betonte auch Prof. Dr. Oksana Mikheieva von der Ukrainischen Katholischen Universität Lwiw. „Wir müssen das Wissen über die Ukraine neu verstehen, es entkolonialisieren und die Fragmente wieder zusammenfügen“, betonte die frühere Viadrina-Stipendiatin. Mit Stolz beobachte sie, dass die Viadrina und der KIU zu einem deutschen Zentrum der Ukrainestudien werden. „Es sind riesige Veränderungen und wir sind im Epizentrum dieses Wandels“, sagte sie.

Immer wieder betont wurde auf dem Podium, dass Ukrainestudien nicht zum Selbstzweck betrieben werden und nicht nur für die Ukraine selbst interessant seien. „Es geht darum, globale Prozesse zu verstehen“, so Yuliya Yurchuk. Die Resilienz der Ukrainer*innen, Migrationsfragen oder Management-Modelle – all das sei unter globalen Gesichtspunkten relevant, betonte auch Oksana Mikheieva. Auf die Nachhaltigkeit von Ukrainestudien angesprochen sagte Volodymyr Sheiko: „Der Schlüssel ist, dass Universitäten den Wert der Ukrainestudien für sich selbst verstehen. Dass wir gut erklären, warum es eine sinnvolle Erweiterung ihres Portfolios ist.“ Um einer künftigen Marginalisierung der Ukrainestudien zu entgegnen, die mit dem Ende des Krieges unweigerlich drohe, sei die Interdisziplinarität und Breite der Ukrainestudien entscheidend. 

Wie interdisziplinär die Graduiertenschule aufgestellt ist, bewiesen die Doktorand*innen mit einer Kurzvorstellung ihrer Forschungsthemen, denen sie sich von verschiedenen KIU-Partnern betreut in den kommenden drei Jahren widmen werden. Die Vorhaben reichen von der Frage, wie Social-Media-Kommunikation über den Krieg Empathie erzeugen kann, über die Erkundung Leichter Sprache in der Ukraine und feministische Perspektiven auf Frieden bis zur Erforschung queerer Körper in ukrainischer Kunst und Mittel der Korruptionsbekämpfung im andauernden Krieg. Zur Übersicht der Doktorand*innen und ihrer Vorhaben

Iryna Samchenko, Botschaftsrätin der Ukrainischen Botschaft in Deutschland, dankte den jungen Forschenden dafür, „dass Sie helfen, der Ukraine ihre Stimme zurückzugeben“. In jedem Fall werden dank des KIU-Graduiertenprogrammes 2028 nicht mehr nur 3,8 Promotionen zu Ukraine-Themen in Deutschland fertiggestellt. „Wir sind hier, um das zu ändern; ihr seid hier, um das zu ändern“, sagte Susann Worschech an den ersten Jahrgang gerichtet.

Frauke Adesiyan

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