Globale Lieferketten, Zwangsarbeit und Importverbote – Gastvortrag von Arbeitsrechtlerin Judith Fudge
Noch bis Ende Mai ist die renommierte Arbeitsrechtlerin Prof. Dr. Judith Fudge von der kanadischen McMaster-Universität Gastprofessorin an der Viadrina. In einem Workshop über Verflechtungen globaler Lieferketten und moderner Sklaverei, sprach sie kurz vor Ende ihres Gastaufenthalts darüber, wie sich Importverbote von Produkten aus Zwangsarbeit auswirken und warum idealistisches Wunschdenken den betroffenen Arbeiter*innen nicht weiterhilft.
Auf die Frage, wie sie ihren Weg an die Viadrina gefunden hat, hat Judith Fudge eine klare Antwort: Eva Kocher. 2018 haben sich die beiden beruflich in Hamburg kennengelernt und sofort viele Gemeinsamkeiten festgestellt: ihren Einsatz für interdisziplinäre Perspektiven zum Beispiel und ihre feministische Arbeit. Außerdem arbeiten beide zu globalen Lieferketten. Bevor sie dieses Jahr in den Ruhestand geht, hat sich Judith Fudge entschieden, noch einmal an die Viadrina zu kommen. „Ich fand das Forschungsteam von Eva Kocher spannend; ich wusste, dass sie eine Gruppe von Kolleg*innen hat, die an Lieferkettenregulierung arbeiten“, begründet sie ihre Motivation. An der Viadrina hat sie verschiedene Vorträge, Präsentationen und Diskussionen gehalten und in dem Zuge gemeinsam mit Prof. Dr. Eva Kocher beschlossen, auch einen Workshop zu veranstalten.
Bildergalerie
Ergebnis war der Workshop „Global Supply Chain and Modern Slavery Governance – Narratives, Regulatory Practices, and Accountability“, der Mitte Mai stattfand. Die Idee: die Expertise der Viadrina zu dem Thema zusammenzuführen und sich mit Gästen anderer Universitäten austauschen. Im Laufe des Tages sprachen neben vielen anderen, beispielsweise auch Prof. Dr. Ulla Gläßer und Prof. Dr. Markus Beham von der Viadrina. Eva Kocher moderierte den ganztägigen Workshop, Judith Fudge eröffnete ihn inhaltlich mit einem kurzen Vortrag mit dem Titel „Getting off the Ban Wagon: Why Workers' Advocates Need to Be Cautious About Endorsing Forced Labour Import Bans”. Darin erklärt sie, warum Importverbote für Waren, die in Zwangsarbeit hergestellt wurden, mit Vorsicht zu betrachten sind.
Dafür schaut sie auf die USA, Mexiko und Kanada, wo solche Importverbote bereits greifen. Sie erklärt, wie sie historisch entstanden sind, welche Hintergründe sie haben und welche tatsächlichen Auswirkungen. Eins der größten Probleme ist aus der Sicht von Judith Fudge, dass diese Verbote oft die tatsächliche Situation der Arbeiter*innen und die Bedingungen, unter denen sie arbeiten, nicht oder kaum berücksichtigen. Die Importverbote, die zunächst vielversprechend klingen mögen, könnten auch gegenteilige Auswirkungen haben. Wenn wirtschaftliche Akteure dadurch Zugang zu bestimmten Märkten verlieren, könne das beispielsweise auch zunehmenden Druck auf Löhne und Arbeitszeiten bedeuten.
Es ist nur eins von vielen Problemen, das Judith Fudge im Nachdenken über den rechtlichen Umgang mit Zwangsarbeit benennt. Die Debatte über solche Importverbote ist komplex. Judith Fudge wünscht sich daher mehr Nuancen in der Diskussion, mehr Realitätssinn als Wunschdenken. Ihr Fokus ist dabei klar: die Situation der betroffenen Arbeiter*innen zu verbessern. Mit viel Wunschdenken könne man solche Importverbote für Produkte aus Zwangsarbeit sicherlich so konzipieren, dass man auch die Bedingungen der Arbeiter*innen damit verbessere, sagt Judith Fudge. Im Kern seien diese Verbote aber darauf angelegt, die nationalen Märkte und Arbeiter*innen zu schützen, in denen diese Importverbote verabschiedet werden. Sie fordert daher Zwangsarbeit nicht länger als externes Problem zu behandeln: „Anstatt Zwangsarbeit als etwas zu behandeln das ‚woanders‘ passiert, ist es wichtig, es als Symptom eines tieferliegenden systemischen Problems zu verstehen.“
Lea Schüler
Zurück zum Newsportal
Beitrag teilen: