Brandenburg nach der Bundestagswahl – IFES veranstaltet Analyse der AfD-Wahlerfolge
Die Landkarte von Brandenburg ist blau mit einem kleinen roten Fleck. Die AfD konnte bei der Bundestagswahl am 22. Februar 2025 alle bis auf einen Wahlkreis gewinnen. Welche neuen Fragen ergeben sich aus dieser politischen Situation für die Forschung an der Viadrina? Und was bedeutet das Ergebnis für Studierende und Beschäftigte? Zu einer Diskussion über diese Fragen hat das Institut für Europastudien (IFES) am 29. April 2025 eingeladen.
Eigentlich ist Brandenburg ein ziemlich durchschnittliches deutsches Bundesland, was soziodemografische Faktoren angeht. Und doch wählten hier bei der Bundestagswahl im Februar 2025 erheblich mehr Menschen die AfD (32,5 Prozent) als im Bundesschnitt (20,8 Prozent). Für Dr. Susann Worschech, die Moderatorin des Abends, ergab sich daraus die Frage: „Ist das Wählerverhalten in Brandenburg das neue Normal, auf das wir uns einstellen müssen?“
Ifes Wahlanalyse
Um unter anderem diese Frage zu beantworten, hatte das IFES Prof. Dr. Gideon Botsch eingeladen. Der Politikwissenschaftler und Leiter der Emil Julius Gumbel Forschungsstelle Antisemitismus und Rechtsextremismus in Potsdam ist ein ausgewiesener Experte, was den Rechtsextremismus in Brandenburg angeht. Er berichtete aus seiner Forschung: „Sozioökonomisch und soziodemografische Erklärungen der Wahlerfolge sind nur sehr bedingt aussagekräftig. Ich sehe hier eher eine begünstigende politische Kultur.“ Die AfD-Erfolge seien in Brandenburg nicht aus dem Nichts gekommen. „Antidemokratische und Rechts-Außen-Angebote werden hier seit langem angeboten und nachgefragt“, so seine Einschätzung. Botsch sagte, er habe wenig Hoffnung, die Wähler*innen der AfD „kurzfristig an die Demokratie zurückzuführen“. Nicht zuletzt sei die AfD in Brandenburg gesichert rechtsextrem und nazifiziere sich mit Blick auf ihre Programmatik, Aktivitäten und Biografien in raschen Zügen.
Doch warum wählen Brandenburger*innen zu mehr als einem Drittel AfD-Kandidat*innen, die nach Botsch vor allem für ihre Kompetenz ausgewählt werden, „möglichst rassistisch zu pöbeln“? Für Tom Leistner, Projektleiter der Initiative „Wir sind der Osten“, ist die dahinterliegende Wut keine Eigenart Ostdeutschlands und doch seien die Enttäuschung und Entwertung von Teilen der Bevölkerung hier anders begründet. „Bei vielen ist im kollektiven Gedächtnis: Die Probleme sind schon lange da, sie sind bekannt und doch ändert sich nichts.“ Gepaart mit einem Informationsdefizit durch sich ausdünnende Medienlandschaften, und einer politischen Sprache, die als fremd empfunden wird, führe das zu Misstrauen, Distanz und Entfremdung. „Ich sehe hier auch eine Verstetigung durch Wiederholung. Es kommt zu einer Normalisierung der dauerhaft negativen Grundstimmung“, so Leistners Beobachtung.
Zu der empfundenen Entfremdung gehöre, so skizzierte es Susann Worschech, auch eine zunehmend wissenschaftsfeindliche Umwelt – gerade an einer Universität ein Grund, um über den Umgang mit dieser Entwicklung zu sprechen. Hierauf angesprochen beschrieb Botsch einerseits die Gratwanderung von Wissenschaftler*innen, deren Forschung nicht für jeden verständlich ist – und seiner Meinung nach auch nicht immer sein muss. Darüber hinaus machte er auch darauf aufmerksam, dass in Städten wie Frankfurt (Oder) und Cottbus die Universitäten nicht optimal in die alltägliche Gesellschaft integriert seien. „Sowohl die BTU als auch die Viadrina haben trotz vieler Bemühungen irgendwie immer noch nicht ein Klima geschaffen, das in anderen ostdeutschen Städten anzutreffen ist“, teilte er seine Beobachtung. Dabei müsse sich auch die Stadt fragen lassen, was sie eigentlich tut, um Studierende und Beschäftigte der Viadrina willkommen zu heißen.
Viele Fragen des Abends, die auch aus dem Publikum heraus gestellt wurden, blieben offen – weil die Zeit fehlte und manchmal auch die Erkenntnis. Er würde wohl „Einstein der Rechtsextremismusforschung“ genannt werden, wenn er erklären könnte, wie genau die Wut der Bürger*innen mit ihrer Wahlentscheidung für eine rechtsextreme Partei zusammenhänge, sagte Gideon Botsch auf eine Frage nach dieser Korrelation. Auch Antworten auf die Fragen, warum enttäuschte Menschen nicht linke Revolutionen starten, statt die AfD zu wählen, oder inwieweit rechtes Gedankengut zu Popkultur wird und was man dieser entgegensetzen kann, wurden nur angetippt. Und so hoffte am Ende nicht nur Moderatorin Susann Worschech darauf, die Gesprächsrunde bald fortsetzen zu können – „dann gern auch mit einem stärkeren Blick in die Viadrina hinein“, so Susann Worschech.
Frauke Adesiyan
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