Mariia Shkurko berät das ukrainische Parlament aus ihrem Frankfurter Wohnheimzimmer – Auftakt der Ringvorlesung „Inside/Outside Ukraine“

Am 31. Mai 2022 startete die Ringvorlesung „Inside / Outside Ukraine: Ukrainian Affairs and Research @Viadrina”. Wöchentlich stellen ukrainische Forschende, die vorübergehend Zuflucht an der Viadrina gefunden haben, ihre Forschungsschwerpunkte vor. Den Auftakt machte Mariia Shkurko, die über ihre Arbeit als wissenschaftliche Beraterin von ukrainischen Parlamentarierinnen und Parlamentariern berichtete.

„Der Anlass ist ein unschöner: die traurige Situation in der Ukraine“, begrüßte Dr. Susann Worschech, Initiatorin der Ringvorlesung, die Gäste der ersten Ausgabe. Jedoch bedeute der Krieg in der Ukraine für die Viadrina eine enorme Bereicherung durch zahlreiche „tolle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler“, die mit ihren Forschungsvorhaben an der Viadrina eine vorübergehende wissenschaftliche Heimat gefunden haben. Sie vorzustellen ist Intention der Vorlesungsreihe.

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Mariia Shkurko (rechts) und Susann Worschech nach der ersten Ausgabe der Ringvorlesung.


Sie bietet, soviel machte schon der erste Termin deutlich, einen Einblick in das Leben und Forschen in der Ukraine, der sonst kaum möglich wäre. So berichtete Mariia Shkurko, die kurz vor ihrer Flucht nach Frankfurt (Oder) an der Nationalen Taras-Schewtschenko-Universität Kyjiw ihren Master in Internationalen Beziehungen absolviert hat, über ihre Arbeit als Junior Researcher für das Information and Research Center des ukrainischen Parlaments. Sie beantwortet anonyme Anfragen von Mitgliedern des Parlaments, recherchiert Gesetzestexte, sucht nach internationalen best-practice-Beispielen und stellt Quellenmaterial zusammen. Der Krieg in der Ukraine bestimmt seit Monaten auch ihre Arbeit. „EU-Sanktionen gegen Russland, Kriegsverbrechen in der Ukraine, Konsequenzen des militärischen Angriffes für die Umwelt“, listet Mariia Shkurko die Themen der jüngsten Anfragen auf. Sie bearbeitet sie derzeit von ihrem Zimmer im Frankfurter Studierendenwohnheim aus. „Viele meiner Kolleginnen und Kollegen sind aus Kyjiw geflohen, in die West-Ukraine oder ins Ausland. Aber das Arbeiten aus dem Homeoffice sind wir aus der Pandemiezeit gewohnt“, sagt sie.

Der Anspruch an ihre Arbeit als Beraterin für das ukrainische Parlament ist vor allem ein praktischer: „Als Parlamentarier hast du keine Zeit, lange zu lesen. Du hast eine Frage und du brauchst eine Antwort.“ Um die zu liefern, hatten Mariia Shkurko und ihre Kolleginnen und Kollegen vor dem Krieg oftmals mehrere Wochen, nun werden Antworten oft mit einer Frist von ein oder zwei Tagen erwartet. Ein Druck, der die junge Frau nicht stört: „Unsere Arbeit ist gut, wenn sie dringend ist und wirklich gebraucht wird.“

Die Nichtregierungsorganisation, die den Abgeordneten ihre Recherche-Dienste anbietet, wird zum größten Teil von der US-amerikanischen Behörde für Entwicklungszusammenarbeit USAID finanziert. Eine inhaltliche Einflussnahme gebe es nicht, alle Inhalte werden mehrmals geprüft, ehe sie weitergegeben werden, betont Mariia Shkurko. Für sie ist es ein großer Fortschritt, dass sich Abgeordnete überhaupt beraten lassen. „Wir haben nicht diese Tradition, nach Hilfe zu fragen“, deutet sie an. Derzeit werde daran gearbeitet, das Information and Research Center im Parlament zu verankern, so wie es in andere Staaten – etwa bei den Wissenschaftlichen Diensten im Deutschen Bundestag – üblich ist. „Als Teil des Parlaments ist der Zugang zu Informationen natürlich viel leichter“, gibt Mariia Shkurko ein Beispiel für eine mögliche Arbeitserleichterung.

Dass sie aus ihrem Exil heraus weiter für ihr Land arbeiten kann, sei für sie hilfreich, erzählt die Politikwissenschaftlerin nach ihrer Präsentation. Die ersten Wochen im Krieg, als sie noch in Kyjiw arbeitete, begleitet von den Sirenengeräuschen, seien aus psychologischer Sicht sehr schwierig gewesen. Im April habe sie sich dann zum Weggehen entschieden und sich bei drei Universitäten als Doktorandin beworben. „Von der Viadrina kam nach einem Tag eine Antwort“, erzählt sie. Sie hätte auch ihre Familie mitbringen können, doch die habe das besetzte südukrainische Cherson nicht verlassen können.

Nun versucht Mariia Shkurko in Frankfurt (Oder) Fuß zu fassen, ihre Doktorarbeit voranzubringen und Halt in der ukrainischen Community zu finden. „Ich tue was ich kann. Das ist die beste Therapie“, sagt sie.

(FA)

 

Abteilung für Hochschul­kommunikation