Ein Ende der Halbherzigkeit – Prof. Dr. Erol Pohlreich über sein Gutachten zur wirksameren Bestrafung von Abgeordnetenbestechung

Masken-Affäre, Aserbaidschan-Affäre, Amthor-Affäre. Immer wieder gelangen Fälle ans Tageslicht, in denen Abgeordnete des Bundestages als käuflich in Erscheinung getreten sind. Da solche Fälle einerseits in der öffentlichen Debatte für große Empörung sorgen, sich andererseits aber oft als straflos erweisen, hat sich die Ampelkoalition eine wirksamere Ausgestaltung des Straftatbestandes der Abgeordnetenbestechung vorgenommen. Ein Gutachten zu diesem Thema hat Viadrina-Jurist Prof. Dr. Erol Pohlreich im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen verfasst.

Herr Pohlreich, Ausgangspunkt für die Reformpläne ist die Feststellung, dass der geltende Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung ein stumpfes Schwert sei. Warum ist das so?
Abgeordnete sind laut Verfassung freier als Amtsträger, deshalb hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, die Abgeordnetenbestechung im Strafgesetzbuch gesondert zu regeln. Abgeordnete machen sich nur strafbar, wenn das Verhalten, für das sie eine Zuwendung bekommen, bei Wahrnehmung des Mandates erfolgt. Darunter versteht die Rechtsprechung – das hat sie im Rahmen der Maskenaffäre klargestellt – nur das Wirken im Parlament. Die andere Strafbarkeitslücke ist: Bei Amtsträgern ist es strafbar, wenn sie eine Zuwendung erhalten, die mit keiner konkreten Gegenleistung verbunden ist – mit der also bloß eine gewisse Gewogenheit hergestellt werden soll. Eine entsprechende Regelung gibt es für Abgeordnete nicht. Sie können also einem Abgeordneten im Bundestag einen Sack Geld hinlegen – solange der Abgeordnete im Gegenzug nicht im Bundestag wirken soll, ist das zwar abgeordnetenrechtlich unzulässig, aber es ist straflos.

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Welche Änderungen im Strafrecht schlagen Sie in Ihrem Gutachten vor?
Ich schlage vor, auf das Erfordernis einer konkreten Gegenleistung zu verzichten, um auch die Herstellung einer allgemeinen Gewogenheit zu erfassen. Außerdem sollte ein Verhalten im Zusammenhang mit dem Mandat genügen. Es würde also auch reichen, wenn ein Abgeordneter außerhalb des Bundestages zur Verfolgung politischer Zwecke für Geld oder eine geldwerte Zuwendung tätig wird und dafür seine Mandatsautorität und das Personal, über das er als Abgeordneter verfügt, oder etwa die Mailadresse des Bundestages verwendet.

Würde eine solche Regelung die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Abgeordneten nicht zu sehr einschränken?
Nein. Infolge verschiedener Skandale hat der Bundesgesetzgeber sich an anderer Stelle bereits ein strengeres Handeln auferlegt, vor allem im Abgeordnetengesetz. Danach ist die Interessenvertretung gegenüber der Bundesregierung gegen Entgelt unzulässig. Das bedeutet aber nur, dass Abgeordnete durch die Verwaltung des Bundestages sanktioniert werden können. Wer Geld oder geldwerte Zuwendungen gibt, kann nicht sanktioniert werden. Außerdem verfügt die Bundestagsverwaltung nicht über eine Polizei oder Staatsanwaltschaft. Es ist halbherzig, solche Sachverhalte im Abgeordnetengesetz als unzulässig zu behandeln, aber nicht dafür zu sorgen, dass man die Zuwendungsgeber, die an Abgeordnete herantreten, strafrechtlich belangen kann.

Wie sehen Sie Ihre Rolle als Jurist und Wissenschaftler in diesem politischen Umfeld?
Ich möchte die Möglichkeiten ausloten, die das geltende Recht bietet, um die Abgeordnetenbestechung demnächst wirksamer zu bekämpfen. Damit meine ich, dass wir Korruptionsfälle im Mandatsträgerbereich, die es ja tatsächlich gibt, strafrechtlich wirksam ahnden können. Eine demokratisch verfasste Gesellschaft darf nicht hinnehmen, dass Skandale wie die Amthor-Affäre, die Aserbaidschan-Affäre oder die Maskenaffäre straflos bleiben. Die gegenwärtige Rechtslage droht, das Vertrauen in den Parlamentarismus und in die Demokratie insgesamt zu beschädigen.

Interview: Frauke Adesiyan
Foto: Heide Fest