Alles andere als ein Randphänomen – Internationale Konferenz „Contesting 21st Century B/Orders” über aktuelle Grenzforschung

Rund 150 internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler besuchten vom 6. bis 9. September 2023 die Konferenz „Contesting 21st Century B/Orders” an der Europa-Universität. Das Viadrina Center B/ORDERS IN MOTION hatte anlässlich seines zehnjährigen Bestehens eingeladen, um aktuelle Fragen der Grenzforschung interdisziplinär zu diskutieren. Die Tagung endete mit einer polnisch-kanadisch-deutschen Gesprächsrunde über die Herausforderungen transnationaler Forschung.

Für Prof. Dr. Kira Kosnick, Leiterin des Viadrina Center B/ORDERS IN MOTION, sind die Synergieeffekte zwischen den Konferenzteilnehmenden aus verschiedenen Ländern und Disziplinen das eigentliche Highlight der Veranstaltung. „Wir haben bewusst Forschende eingeladen, die mit ihren Themen sonst so nicht aufeinandertreffen“, beschreibt sie den Ansatz der Tagung, der zugleich auch Gründungsidee des von ihr geleiteten Centers ist. Die Themenfelder „territoriale, geopolitische Grenzen“, „symbolische und kulturelle Grenzziehungen“ sowie „Migration und Grenze“ würden in der Forschungslandschaft oft separat betrachtet. Dabei bedingen und beeinflussen die Kategorien einander, so ihre Überzeugung. >>>weiterlesen

Das unterstrichen auch die Teilnehmerinnen und der Teilnehmer des abschließenden Round Table: Die Unterteilung der Konferenz in verschiedene thematische Stränge habe einerseits geholfen zu sortieren; andererseits habe sie gezeigt, „dass wir Themen wie ,politische Grenze‘, ,Migration‘ und ,symbolische Grenzziehungen‘ nicht voneinander trennen können“, so Prof. Dr. Elżbieta Opiłowska von der Universität Wrocław. Prof. Dr. Astrid Fellner von der Universität des Saarlandes pflichtete ihr bei: „Selbstredend braucht jede Forschung Systematisierung. ,Border Studies‘ aber müssen immer aus verschiedenen Perspektiven betrieben werden. Sie rücken die vermeintliche Peripherie ins Zentrum, nehmen grenzüberschreitende Dynamiken, Mobilität und Migration in den Blick und sind daher immer international und interdisziplinär“, hob sie hervor und schlug damit den Bogen zu einer wissenschaftspolitischen Forderung, die ausdrückliche Zustimmung aller Teilnehmenden auf dem Podium fand: Erfolgreiche Grenzforschung braucht Forschungsförderung jenseits nationalstaatlicher Förderrahmen und Förderlogiken.

Die „Wahrnehmungen des Grenzlandes und der Grenzländer“ ins Zentrum der Betrachtung zu rücken, sei dabei wichtig und keineswegs ein Randphänomen, so Prof. Dr. Emanuel Brunet-Jailly von der kanadischen University of Victoria. „Wir haben es weltweit de facto mit einem sehr großen Bevölkerungsanteil zu tun, der in Grenzgebieten lebt; er wird bisher nur häufig übersehen.“

Dabei seien doch, warb Viadrina-Wissenschaftler und Konferenzteilnehmer Dr. Gautam Chakrabarti, gerade die Grenzgebiete spannend, weil hier Räume für neue Möglichkeiten entstehen: „Vielleicht können in Grenzräumen, die voller liminaler Energie sind, neue Ideen von Europa, neue Ideen des Zusammenlebens entstehen.“ Astrid Fellner, die mit Viadrina-Linguistin Prof. Dr. Konstanze Jungbluth in einem gemeinsamen Forschungsprojekt Spracherwerb in grenzüberschreitenden Ausbildungen in der französisch-deutschen und der polnisch-deutschen Grenzregion untersucht, freute sich über den Enthusiasmus, fügte aber einschränkend hinzu: „In unserer Forschung sehen wir genau diese Ansätze; wir sehen aber auch, dass immer wieder in die nationalstaatlichen Paradigmen verfallen wird.“ Deswegen sei der Transfer der Forschung in die Politik und die Gesellschaft zentral.

Dass die Arbeit des Viadrina Center B/ORDERS IN MOTION bereits Wirkung gezeigt hat, davon ist Senior Researcher PD Dr. Carolin Leutloff-Grandits im Gespräch überzeugt. Grenzen komplex zu denken, sei ein aktueller Trend der Grenzforschung, den das Center mit gesetzt habe. „Die verschiedenen Dimensionen von Grenze können nicht einfach addiert werden; es gibt eine Wirkung untereinander und jede Grenze hat für die unterschiedlichen Subjekte nochmal ganz verschiedene Bedeutungen“, verdeutlicht sie. Ein Beispiel sei der Umgang mit und die Positionierung von Geflüchteten – je nach Herkunftsland.

Neben der transdisziplinären Herangehensweise ist für Kosnick und Leutloff-Grandits die Internationalität in Ihrem Forschungsfeld entscheidend. „Dass wir als vernunftbegabte Wesen so stetig den Ast absägen, auf dem wir sitzen, hat eine Menge mit Grenzen und ihrem Verhältnis zu Ordnungen zu tun“, so Kira Kosnick. In Zeiten globaler Krisen sei es fatal, Nachdenken und Forschen an nationalen Grenzen zu orientieren. „Wir sehen das Elend der Welt oft als Elend der Anderen. Dann wollen wir die Tür zumachen, als könnte unser kleines nationales Wohnhaus als isolierte Insel funktionieren. Das sehe ich als sehr große Herausforderung, über die wir gemeinsam nachdenken müssen.“ Das Viadrina Center B/ORDERS IN MOTION sei für sie dafür genau der richtige Ort.


Die Konferenz war eine Kooperationsveranstaltung mit den internationalen Forschungsnetzwerken „Borders in Globalization“– 21st Century Borders (BIG) und „Transfrontier Euro-Institut Network“ (TEIN).

Text: Michaela Grün und Frauke Adesiyan
Fotos: René Matschkowiak und Michaela Grün

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