Auf den Cappuccino folgt der Griff ins Duftkerzen-Regal – Prof. Dr. Martin Eisend über seine Studie zu Koffein und Einkaufsverhalten

Mit dem Coffee-to-go-Becher durch das Einkaufszentrum? Vielleicht keine so gute Idee angesichts von Inflation und gestiegenen Preisen. Zu diesem Schluss kommt Viadrina-Marketingexperte Prof. Dr. Martin Eisend gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Frankreich, Spanien und den USA in einer Studie zur Auswirkung von Koffein auf das Einkaufsverhalten. Im Interview erklärt er die Ergebnisse der Studie, und wie genau sie zustande gekommen sind.

Herr Eisend, was macht die Frage, wie sich Koffeinkonsum auf das Kaufverhalten auswirkt, für Sie interessant und wie sind Sie überhaupt auf die Frage gekommen?
Auf die Frage sind eine Kollegin und ein Kollege aus Spanien gekommen, die dazu eine erste Studie durchgeführt hatten und mich einluden, mit ihnen daran weiterzuarbeiten. Ich fand die Frage und die ersten Ergebnisse sehr spannend – nicht nur, weil ich selber leidenschaftlicher Kaffeetrinker bin. Koffeinkonsum ist ein alltägliches Verhalten vieler Menschen und wir wissen trotzdem kaum, wie sich dieses Alltagsphänomen auf unser Kaufverhalten auswirkt.

20220831_Martin Eisend-Kaffee-Studie_EUV2002 ©Heide Fest

Was haben Sie herausgefunden?
Das zentrale Ergebnis der Studien ist, dass Konsumentinnen und Konsumenten nach dem Genuss koffeinhaltiger Getränke mehr Geld beim Einkaufen ausgeben und auch mehr Produkte kaufen. Erklären konnten wir das dadurch, dass Koffein aktiviert und damit die Bereitschaft zunimmt, impulsiver zu handeln. Das zeigt sich insbesondere im Hinblick auf die Produkte, die mehr gekauft werden und für die insgesamt mehr Geld ausgegeben wurde, nämlich vor allem für hedonistische Produkte. Im Vergleich zu utilitaristischen Produkten, die einen praktischen Nutzen haben, wie zum Beispiel Brot, Putzmittel und Heftpflaster, sind hedonistische Produkte, wie etwa Duftkerzen oder Spiele, Produkte, die zum Vergnügen gekauft und mit Genuss und Freude konsumiert werden. 

Wie genau sah die Untersuchung aus?
Wir haben sieben Experimente durchgeführt, bei denen eine Gruppe von Konsumentinnen und Konsumenten ein koffeinhaltiges Getränk zu sich nahmen, in der Regel Kaffee, während in einer zweiten Gruppe die entkoffeinierte Version oder Wasser getrunken wurde. Danach gingen die Testpersonen einkaufen und wir haben kontrolliert, was sie ausgegeben haben und was und wie viel sie gekauft haben. Die Experimente wurden sowohl in realen Einkaufssituationen als auch am Computer durchgeführt, mit verschiedenen Getränken und Marken und auch in drei verschiedenen Ländern. Trotz der Unterschiedlichkeit dieser Bedingungen haben alle Experimente vergleichbare Ergebnisse geliefert, was die Gültigkeit und Generalisierbarkeit der Ergebnisse unterstreicht.

Welcher Teil der Ergebnisse hat sie besonders überrascht?
Überraschend fand ich, wie stark der Koffein-Effekt war. In einigen Experimenten haben Konsumentinnen und Konsumenten nach dem Genuss koffeinhaltiger Getränke bis zu 40 Prozent mehr Geld ausgegeben als in der Vergleichsgruppe. Bemerkenswert ist das vor allem deshalb, weil dieser Effekt von den meisten Teilnehmenden nicht erwartet wird. Wir haben nämlich neben den Experimenten auch eine Befragung durchgeführt, in der wir Testpersonen fragten, ob sie glauben, dass Kaffeekonsum einen Einfluss auf ihr Kaufverhalten hat. Die deutliche Mehrheit ging davon aus, dass es keinen Einfluss gibt.

Welche Folgerungen können aus den Ergebnissen für die Wirtschaft aber auch für die Konsumentinnen und Konsumenten gezogen werden?
Die Folgerungen für Unternehmen und Händler, die ja daran interessiert sind, dass Menschen Geld für ihre Produkte ausgeben, liegen auf der Hand und es gibt auch schon einige Händler wie zum Beispiel Autohäuser, die ihren Kundinnen und Kunden Kaffee anbieten. Für Konsumentinnen und Konsumenten, die ihr Ausgabeverhalten besser kontrollieren wollen, haben die Ergebnisse eine klare Botschaft: Vorsicht mit Kaffee vor dem und beim Einkauf! Gerade in Zeiten von hoher Inflation, die dazu zwingt, das eigene Ausgabeverhalten zu kontrollieren und anzupassen, sind diese Ergebnisse relevant.

Ergeben sich aus den Ergebnissen weitere Forschungsfragen für Sie?
Ich selbst forsche viel zur Wirkung von Werbung und frage mich nun, ob Koffeinkonsum Konsumentinnen und Konsumenten empfänglicher für Werbebotschaften macht.

Werden Sie als erklärter Kaffee-Liebhaber Ihr Verhalten ändern?
Ich trinke gerne Kaffee und tue das auch vor oder beim Einkaufen. Als Marketingforscher glaube ich ja, dass ich selbst weniger anfällig für Marketing bin und mein Konsumverhalten gut im Griff habe. Wir wissen aus der Marketingforschung aber auch, dass alle Konsumentinnen und Konsumenten glauben, sie wären weniger anfällig für Marketing als sie es tatsächlich sind, und dass sie ihr Verhalten besser unter Kontrolle haben, als das tatsächlich der Fall ist. Daher sollte ich selbst in Zukunft wohl mehr darauf achten, wann und wo ich einen Kaffee trinke.

Die Studie „Caffeine’s Effects on Consumer Spending“ ist eine Kooperation von Prof. Dr. Martin Eisend mit Forschenden der University of South Florida, der University of the Basque Country, der Louisiana State University, der SKEMA Business School und der Neoma Business School. Sie ist kürzlich im Journal of Marketing erschienen.
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