„Werden wir durch KI alle dümmer?“ – Präsenzstelle Fürstenwalde lädt zu Austausch über Künstliche Intelligenz mit Forschenden

„Wissenschaft trifft Gesellschaft“ – dieses Motto der Präsenzstelle Fürstenwalde ging am 21. September im Alten Rathaus in Fürstenwalde auf. Zum Thema „Ist Künstliche Intelligenz Fluch oder Segen?“ stellten Forschende der Viadrina und der TH Wildau ihre Arbeit vor und kamen mit dem Publikum ins angeregte Gespräch. Das Fazit: Künstliche Intelligenz bietet erstaunliche Möglichkeiten. Mit den rasanten Entwicklungen in der Bildung und der Politik mitzuhalten ist aber herausfordernd.

Als sich das Publikum im gut gefüllten Fürstenwalder Rathaussaal per spontaner Online-Abstimmung etwas von der Künstlichen Intelligenz wünschen durfte, fiel ihm einiges ein: den Abwasch erledigen, langweilige Mails beantworten, Hass-Nachrichten im Internet entdecken, für Weltfrieden sorgen. Ganz konkret und realistisch berichtete im Anschluss Harald Wolf von den Stadtwerken Frankfurt (Oder) darüber, wie Künstliche Intelligenz in seinem Unternehmen schon jetzt dafür sorgt, dass Wetter- und Preisprognosen erstellt und ausgewertet werden, die Frankfurterinnen und Frankfurter immer genug Wärme zur Verfügung haben und das Unternehmen dabei auch noch gewinnbringend handelt. „Die Frage der Veranstaltung kann ich Ihnen sofort beantworten: Für uns ist die KI Segen“, so sein eindeutiges Votum.

In den anschließenden Beiträgen der Forschenden und aus dem Publikum zeigte sich eine differenziertere Bewertung. Prof. Dr.-Ing. Jörg Reiff-Stephan, der an der TH Wildau Automatisierungstechnik unterrichtet, stellte eingangs die provokante Frage: „Werden wir durch KI alle dümmer?“ Mit Blick auf seine Studierenden ist für ihn die entscheidende Frage, wie man trotz der sich rasant entwickelnden Möglichkeiten, beispielsweise von ChatGPT, Menschen dazu bringt, weiterhin selbst zu denken. „Wie schaffen wir es, dass Bildungsinteressierte die Anwendbarkeit des Werkzeuges lernen und trotzdem die Inhalte in den Kopf bekommen?“, fragte er und sprach damit nicht nur den anwesenden Hochschul-Lehrenden aus dem Herzen, sondern auch vielen Lehrerinnen und Lehrern, die im Publikum saßen. So wie man beim Rechnen mit dem Taschenrechner immer auch einen Überschlag im Kopf nachvollziehen sollte, müsse man auch mit Texten umgehen, die durch KI erzeugt werden. „Ich muss auch mitdenken können“, so sein Fazit.

Eine kulturwissenschaftliche Perspektive auf das Thema KI eröffnete im Anschluss die Viadrina-Linguistin Prof. Dr. Britta Schneider. Sie warf die Frage auf: „Sehen wir Sprache als Computercode oder werden wir uns immer mehr bewusst, dass Sprache eine soziale Praxis ist?“ Zum einen werde durch ChatGPT oder Sprachassistenten wie Siri und Alexa Sprache immer mehr als riesiger Datensatz gesehen. Was korrekte Sprache ist, entscheide immer mehr die Auswertung einer unüberschaubaren Datenmenge und nicht etwa der Duden oder ein literarisches Standardwerk. Andererseits ändern die Maschinen, die wir nutzen, auch unsere Art zu sprechen. Wer Alexa etwas fragt, statt die Anfrage in eine Suchmaschine einzutippen, benutzt auch Mimik und Gestik. Einige Nutzerinnen und Nutzer bauen regelrechte soziale Beziehungen zu ihren Sprachassistenten auf.

Einen sehr kritischen Blick auf einen Einsatzbereich von KI, der den meisten im Saal weniger bekannt war, präsentierte schließlich Dr. Silvan Pollozek von der European New School of Digital Studies der Viadrina. Er beschäftigt sich in seiner Forschung mit Technologien, die in der europäischen Migrations- und Grenzkontrolle eingesetzt werden. Seit 2015 beobachte er einen „massiven Umbau der digitalen EU-Sicherheitsarchitektur“. Datenbanken werden erweitert und miteinander vernetzt. Immer mehr Daten sollen erfasst werden – beispielsweise Fingerabdrücke und Gesichtsscans von Kindern aus Nicht-EU-Ländern – und immer mehr Personen und Institutionen haben darauf Zugriff. Problematisch sieht Pollozek das auf verschiedenen Ebenen. Zum einen hat er selbst beobachtet, wie fehlerhaft die Datenaufnahme ist und welche weitreichenden Folgen – von abgelehnten Visa bis zu Abschiebung – solche Fehler haben. Zum anderen handele es sich dabei um eine Massenüberwachung und eine Kriminalisierung vieler verschiedener Gruppen von Migrantinnen und Migranten. „Wer überwacht das eigentlich?“, lautete auch eine Frage aus dem Publikum dazu.

So blieb am Ende des Abends das anerkennende Staunen über das, was Künstliche Intelligenz bereits kann und wie nah sie schon dem menschlichen Denken kommt. Getrübt wurde diese Einschätzung aber von Fragen nach Kontrolle, Regulierung, Teilhabe und Gerechtigkeit. Eine Stimme aus dem Publikum lautete abschließend: „KI ist superschnell, aber Gesetze brauchen sehr lange. Das ist die große Herausforderung: Die Politik muss den Entwicklungen hinterherkommen.“

Text: Frauke Adesiyan
Fotos: Florian Reischauer

>>> zur Videoaufzeichnung der Veranstaltung auf Youtube

 

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