30 x Viadrina & ich: „Der Einsatz für unsere brillanten Studierenden lohnt sich“

Für die Reihe „30 x Viadrina & ich“ berichtet Prof. Dr. Arkadiusz Wudarski von begabten, mehrsprachigen Studierenden und von seiner Expertise bei deutsch-polnischen Rechtsfragen. Der Jura-Professor hat in seinen zwölf Viadrina-Jahren beobachtet, dass die Doppelstadt und die Europa-Uni die grenzüberschreitenden Potenziale noch zu wenig nutzen. Anlässlich von 30 Jahren Europa-Universität erzählen 30 Menschen – vom Erstsemester bis zur emeritierten Professorin – welche Rolle die Viadrina in ihrem Leben spielt.

Als Arkadiusz Wudarski im Jahr 2010 von einer vakanten Professur für Polnisches und Europäisches Privatrecht sowie Rechtsvergleichung an der Viadrina erfuhr, befand er sich gerade auf einer Reise durch Deutschland. Als Stipendiat der Humboldt-Stiftung forschte er damals an der Universität Osnabrück. Gemeinsam mit anderen jungen Forschenden aus vielen Ländern der Welt reiste er auf Einladung der Stiftung durch die Republik – Frankfurt (Oder) war als Endstation eigentlich nicht vorgesehen. Die Europa-Universität war ihm aber schon ein Begriff, seit er in seiner Heimatstadt Częstochowa Germanistik studiert hatte. „Die Viadrina war damals sehr begehrt, viele Polen wollten nach der Wende in den 1990er-Jahren dort studieren, auch ein Kommilitone von mir ging nach Frankfurt. Ich entschied mich damals aus familiären und sportlichen Gründen dagegen“, erzählt er. Wudarski war Leistungssportler in Kyokushin Karate. Auf das Germanistikstudium folgten noch Abschlüsse in Pädagogik und Jura.

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Sein Arbeitsweg führt ihn regelmäßig von der Frankfurter Oderseite über die Stadtbrücke ins Büro in Słubice: Prof. Dr. Arkadiusz Wudarski, Foto: Heide Fest.


An einem Nachmittag in der vorlesungsfreien Zeit hat er auf seine idyllische Frankfurter Terrasse unweit des Oderufers zum Gespräch eingeladen. Seine Leidenschaft für den Sport ist ihm bis heute geblieben: Vor Kurzem ist er aus Nepal zurückgekommen; sein T-Shirt zeugt vom Marathon am Mount Everest, an dem der teilgenommen hat. Wenig später wird er zum Marathon in Tallinn aufbrechen, auch in Chișinău, Zagreb, Lissabon und Ljubljana ist er die Marathon-Distanz schon gelaufen. Zwischen den Läufen plant er eine internationale Tagung zu Rechtsimplantaten am Collegium Polonicum. Ein großartiger Tagungsort, findet Wudarski: direkt am Fluss und damit an der Grenze zwischen zwei Ländern, eine vergleichsweise kurze Autofahrt vom Berliner Flughafen entfernt. Auch für ihn persönlich sei die Doppelstadt passend. „Das hier ist ein Ort für besondere Schwerpunkte, für besondere Leute, die viel mit Deutschland und Polen zu tun haben“, sagt er. Der größte Vorteil sei das unmittelbare Erlebnis zweier Länder und Nationen.

Allerdings nutzen Region und Universität ihre großen grenzüberschreitenden Potenziale viel zu wenig, so die Erfahrung des Rechtsprofessors der vergangenen zwölf Jahre. Er spricht von banalen Alltagssituationen, wie der, dass man in Frankfurt nicht mit Złoty, in Słubice aber sehr wohl mit Euro bezahlen könne. Auch die Sprachkenntnisse des jeweils anderen Landes seien sehr unterschiedlich ausgeprägt. Zudem beobachte er ein mangelndes Interesse am jeweiligen Gegenüber, zum Teil auch unter Studierenden und Beschäftigten der Universität. „Die europäische Integration zeigt hier ihr enormes Potenzial, aber auch ihre realen, nicht selten mentalen Grenzen, die man vielleicht – wenn überhaupt – erst mit dem Generationswechsel überwinden kann“, sagt er nachdenklich.

Gleichzeitig sieht er in den Studierenden, besonders denen des Deutsch-Polnischen Jurastudiums, ein unvergleichliches Potenzial. „Stellen Sie sich nur vor: Sie sprechen fließend drei Sprachen, kennen sich aus in zwei Rechtssystemen, sind jung und in Europa aufgewachsen“, schwärmt er. Und ergänzt: „Es lohnt sich, sich für diese brillanten Leute einzusetzen und mit ihnen Zeit zu verbringen.“ Nirgendwo sonst habe er eine derart selbstverständliche Mehrsprachigkeit erlebt. Er selbst wechselt gern in seinen Vorlesungen zwischen Deutsch, Englisch und Polnisch, wenn die Studierenden drohen abzudriften. „Das macht sie wach“, sagt er mit feinem Lächeln.

Regelmäßig lässt er in seine Lehre auch die Erfahrungen aus der Praxis einfließen, die er als Sachverständiger vor deutschen und polnischen Gerichten sammelt. Ein Frankfurter Autofahrer, der in Słubice in einen Unfall verwickelt ist, die polnische Bau-Firma mit Problemen auf einer deutschen Baustelle, deutsch-polnische Eltern im Streit um das Sorgerecht – es gibt viele Rechtsfragen bei denen die Expertise von Wudarski gefragt ist. „In manchen Fallkonstellationen muss das deutsche Recht in Polen und das polnische Recht in Deutschland angewendet werden. Daran verzweifeln einheimische Richter, weil sie weder die Sprache noch das Rechtssystem des Nachbarn kennen, aber ein Urteil aufgrund der ausländischen Rechtsordnung fällen müssen“, erklärt Arkadiusz Wudarski seine Rolle. An der Viadrina sieht er hier eine große Expertise und kann sich vorstellen, dass ein am Collegium Polonicum angesiedeltes Institut für Rechtsvergleichung, das sich mit genau solchen Fragen befasst, Erfolg haben kann.
(FA)

Dieser Text ist der 29. Teil der Serie „30 x Viadrina & ich“.
Im nächsten und letzten Beitrag erzählt André Helbing von seinen Erfahrungen als Haustechniker. Die Texte erscheinen jeweils in der Rubrik „30 Jahre Viadrina" im Viadrina-Logbuch, alle bisher erschienenen Beiträge der Serie können dort nachgelesen werden.

Steckbrief

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Name:
Arkadiusz Wudarski

An der Viadrina bin ich:
seit dem 1. Oktober 2010.

Das mache ich an der Viadrina:
Ich bin Professor für Polnisches und Europäisches Privatrecht sowie Rechtsvergleichung.

Die Viadrina ist für mich:
Spiegel und Bestandteil des zusammenwachsenden Europas mit einem noch nicht voll ausgeschöpften Potenzial.

 

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