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Im Spotlight

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Im Spotlight dieser Ausgabe des Forschungsnewsletters steht Frau Professorin Claudia Weber mit ihrem im C.H. Beck Verlag erschienenen Werk "Der Pakt. Stalin, Hitler und die Geschichte einer mörderischen Allianz, 1939-1941".

In unserem Interview diskutiert Frau Weber zentrale Aspekte ihres Buchs und präsentiert Ideen zur Förderung von Forschenden und Nachwuchswissenschaftler*innen. Wir danken sehr herzlich für den Beitrag!


Liebe Frau Professorin Weber,
Ihr in diesem Jahr erschienenes Buch „Der Pakt. Stalin, Hitler und die Geschichte einer mörderischen Allianz 1939-1941“ hat sowohl in der Wissenschaft als auch in den Medien große Aufmerksamkeit erfahren. Können Sie kurz zusammenfassen, was die zentralen Erkenntnisse Ihres Werks sind?
 
In meinem Buch ging es mir vor allem darum, die deutsch-sowjetische Bündnisgeschichte von 1939 bis 1941 zu untersuchen. Zwar ist weithin bekannt, dass das Dritte Reich und die Sowjetunion mit dem Hitler-Stalin-Pakt als Verbündete in den Zweiten Weltkrieg gingen. Die zahlreichen Verbindungen und Verflechtungen dieses Bündnisses – von den gemeinsamen Umsiedlungen bis zur Zusammenarbeit von Gewaltakteuren des NKWD und der SS - sind jedoch bisher kaum einem breiteren Publikum bekannt.  Dies wollte ich ändern und ein besonderes Schlaglicht auf die ersten zwei Jahre des Zweiten Weltkriegs werfen. Zu den zentralen Erkenntnissen gehört u.a. die der wechselseitigen Bedingtheit von Gewaltaktionen auf beiden Seiten. Um ein Beispiel zu nennen: die Sowjetunion deportierte im Frühsommer 1940 zahlreiche jüdische und polnische Flüchtlinge in das Landesinnere nachdem ein vereinbarter deutsch-sowjetischer Flüchtlingsaustausch weitgehend erfolglos geblieben war. Diese Wechselbeziehungen wollte ich herausstellen. Außerdem hat mich immens überrascht, wie sehr sich die nationalsozialistischen Akteure bei den Umsiedlungen an den Praktiken des stalinistischen NKWD orientierten und diese sogar lobten.       
 
Worauf begründet sich Ihrer Meinung nach die große Aufmerksamkeit für Ihr Werk?
 
Ich glaube, weil ich genau diese Kooperationen in den Mittelpunkt gestellt habe und sie zudem in den historischen Kontext der deutsch-sowjetischen Beziehungen nach dem Ersten Weltkrieg einbette. So betrachtet, verliert der Hitler-Stalin-Pakt das Skandalöse, das ihm oftmals zugeschrieben worden ist. Es gibt zweifelsohne sehr viele Bücher über den Hitler-Stalin-Pakt, die meist nur die unmittelbare diplomatische Vorgeschichte und die Verhandlungen vom August 1939 beschreiben. Danach wurde die Geschichte wieder getrennt voneinander betrachtet, also entweder die deutsche oder die sowjetische Besatzungspolitik, entweder Hitlers „Blitzkriege“ in Westeuropa oder die Stalinisierung des Baltikums. Und dann ging man schnell zum 22. August 1941 über; dem Tag, an dem das Dritte Reich die Sowjetunion überfiel und beide Diktaturen zu erbitterten Kriegsgegnern wurden. Mich interessierten nun genau die zweiundzwanzig Monate dazwischen, die Praxis, die Praktiken und Interaktionen. Für viele ist das neu. Das große Interesse freut mich sehr.            
 
Wir wünschen uns an der Viadrina natürlich mehr von diesen Erfolgsgeschichten. Was kann die Universität Ihrer Meinung nach tun, um Forschende besser zu unterstützen?
 
Es gibt sicher mehrere Möglichkeiten, wobei meine Skepsis gegenüber Anreizprogrammen mit den Jahren eher gewachsen ist. Forschungsgelder können wissenschaftliche Neugier und die Lust am Schreiben nicht auslösen, aber sie können dabei helfen, ein produktives Arbeitsumfeld herzustellen. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann beispielsweise die Möglichkeit eines zusätzlichen Forschungssemesters in der konzentrierten Endphase des Schreibens. Und eine größere Akzeptanz dafür, dass Wissenschaft eben auch eine wunderbar einsame Angelegenheit ist, die viel Nachdenken, Freiheit und Ruhe erfordert. In der Hetze unserer wissenschaftspolitischen Imperative, die zum permanenten Netzwerken oder Verfassen von Drittmittelantragsprosa auffordern, kommt mir dies zu kurz. Ich habe gelegentlich den Eindruck, dass gute Wissenschaft an der Erfüllung von steigenden Planzahlen gemessen wird. Diesen Zusammenhang verstehe ich nicht.    

Nachwuchswissenschaflter*innen müssen sich heutzutage in einem sehr kompetitiven Umfeld behaupten. Haben Sie einen Ratschlag für die Nachwuchswissenschaflter*innen der Viadrina im Hinblick auf eine sinnvolle Karriereplanung?
 
Die eigene Denklust eben nicht an die Zeiten der Imperative und Sollvorgaben zu verlieren. Ich weiß, dass Nachwuchswissenschaftler*innen bei Bewerbungen natürlich immer bestimmte Kriterien, z. B. die der Mitteleinwerbungen, erfüllen sollen. Gleichzeitig beobachte ich unter Kolleg*innen den  wachsenden Wunsch nach originellen Thesen und konträren Argumenten. Auch damit kann man punkten, schließlich wollen wir alle nicht gelangweilt werden. Außerdem glaube ich, dass die neuen Medien gute Möglichkeiten bieten, sich frühzeitig „einen Namen“ zu machen. Internetforen wie „Zeitgeschichte. Online“ aus Potsdam oder „Geschichte der Gegenwart“ aus Zürich sind in meinem Fach hervorragende Orte, um eigene Thesen und die eigene Person in einem größeren Umfeld sichtbar zu platzieren.               
 
Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.       


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Claudia Weber: Der Pakt. Stalin, Hitler und die Geschichte einer mörderischen Allianz 1939-1941. München: C.H. Beck, 2019.

Im Zweiten Weltkrieg waren Nazideutschland und Stalins Sowjetunion nicht nur erbitterte Gegner, sondern vorübergehend auch Verbündete. Der Pakt war mehr als das politische Zweckbündnis, das Hitlers Überfall auf Polen erlaubte und den Krieg für die Sowjetunion hinauszögerte. Seine Wirkung blieb nicht auf Osteuropa beschränkt, auch wenn beide Mächte ihren Gewaltfuror dort entfesselten.

Der "Hitler-Stalin-Pakt" gilt noch heute meist als historischer Unfall oder bestenfalls als Präludium zum "eigentlichen" Krieg, der mit Hitlers Überfall auf die Sowjetunion begonnen habe. Dabei ermöglichte die Zusammenarbeit der beiden Diktatoren nicht nur den Kriegsbeginn in Europa, sondern veränderte in zweiundzwanzig Monaten die politische Landkarte des Kontinents von Grund auf.
Claudia Weber zeichnet auf der Grundlage von historischen Quellen und Archivdokumenten minutiös nach, wie Hitler und Stalin zwischen 1939 und 1941 den Kontinent untereinander aufteilten, ihre Handlanger miteinander verhandelten und es schließlich zum Bruch dieses schicksalhaften Bündnisses kam. Dabei analysiert sie die deutsch-sowjetische Zusammenarbeit in der Bevölkerungs- und Umsiedlungspolitik und enthüllt erschreckende Aktionen gegen Kriegsflüchtlinge: gegen Juden, Polen und Ukrainer.   


Copyright Cover & Text: C.H. Beck Verlag.

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