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Abteilung für Hochschulkommunikation

Medieninformation Nr. 187-2016

vom 20. Oktober 2016

Konfliktmanagement deutscher Unternehmen hat sich deutlich professionalisiert

Europa-Universität Viadrina und PricewaterhouseCoopers veröffentlichen als Abschluss eines zehnjährigen Forschungsprojektes Studie zum Konfliktmanagement in der deutschen Wirtschaft


Über die Dauer eines Jahrzehnts (2005 bis 2015) haben Wissenschaftler der Europa-Universität Viadrina gemeinsam mit der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers die Entwicklungen im Konfliktmanagement deutscher Unternehmen begleitet und untersucht. Dieses bislang im deutschsprachigen Raum einzigartige Langzeit-Forschungsprojekt kommt mit der nunmehr veröffentlichten Studie „Konfliktmanagement in der deutschen Wirtschaft – Entwicklungen eines Jahrzehnts“ zu einem Abschluss. In der aktuellen Studie wurden gut 180 Unternehmensvertreter zum Umgang mit und der Einstellung zu unterschiedlichen Verfahrensarten befragt, mittels derer Konflikte zwischen und innerhalb von Unternehmen bearbeitet werden.

Der Ausgangsbefund von 2005 lautete: Außergerichtliche Konfliktbearbeitungsverfahren wie Schlichtung und Mediation wurden zwar deutlich positiver bewertet als das staatliche Gerichtsverfahren, aber zugleich erheblich seltener genutzt. Die zehn Jahre später erhobenen Vergleichsdaten zeigen eine erfreuliche Veränderung. Dr. Michael Hammes, Experte von PwC, stellt dazu fest: „Die Diskrepanz zwischen der positiven Einschätzung und der tatsächlichen Nutzung von außergerichtlichen Konfliktbearbeitungsverfahren bleibt zwar in der Gesamtschau noch bestehen, wird aber deutlich kleiner.“

Über alle Konfliktbereiche hinweg investiert inzwischen ein Großteil der Unternehmen gezielt in den weiteren Auf- und Ausbau von Konfliktmanagement-Strukturen sowie in die entsprechende Qualifikation von Führungskräften und Mitarbeitern. Fast 80 % der in der Studie befragten Unternehmen verzeichnen eine Professionalisierung ihres Konfliktmanagements und beinahe 70 % beobachten Veränderungen im Konfliktverhalten ihrer Führungskräfte.

Insbesondere die Mediation hat im Unternehmenskontext eine größere Relevanz bekommen. Vor allem bei Konflikten am Arbeitsplatz werden mittlerweile häufig Mediatoren hinzugezogen, um Streitigkeiten beizulegen. Dies soll nach Angaben der Unternehmen die Fortsetzung von Arbeitsverhältnissen ermöglichen und größtmögliche Vertraulichkeit gewährleisten. Etliche Unternehmen haben den Vorzug außergerichtlicher Verfahren bereits in entsprechenden Betriebsvereinbarungen kodifiziert oder in die Arbeitsverträge aufgenommen.

In der Gesamtschau stellt Prof. Dr. Lars Kirchhoff, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Konfliktmanagement der Europa-Universität Viadrina, fest: „Anstelle einer – teils erhofften, teils befürchteten – ‚Revolution’ in Sachen ADR tragen die Entwicklungen im Konfliktmanagement deutscher Unternehmen die Züge einer Evolution: eher graduell, dafür kontinuierlich und nachhaltig.“ Als Inspirationsquelle und Entwicklungsmotor wirken dabei insbesondere diejenigen Unternehmen, die sich im 2008 gegründeten Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft (RTMKM) zusammengeschlossen haben. Zusätzlich zu einer allgemeinen Präge- und Vorbildfunktion sind es vor allem die große Anzahl konkreter, aktueller Initiativen, mit denen der RTMKM das Feld voranbringt.

So haben die im RTMKM versammelten Unternehmen Anfang Oktober einen Preis ausgelobt, mit dem 2017 diejenige Anwaltskanzlei ausgezeichnet werden soll, die auf dem Feld Mediation und Konfliktmanagement das ausgereifteste Dienstleistungsspektrum anbietet. Ein weiterer zukunftsweisender Schritt ist die Initiierung einer Erklärung (Corporate Pledge) von Unternehmen, im Konfliktfall aktiv die Option eines außergerichtlichen Verfahrens zu prüfen. Rund 90 % der in der Studie befragten Unternehmen halten eine solche Erklärung für sinnvoll. Erste Unternehmen haben diese Erklärung zu einem nach Möglichkeit konsensbasierten Vorgehen im Konflikt bereits unterzeichnet.

Abschließend identifiziert die Studie drei zentrale Zukunftsthemen für Unternehmen mit Blick auf Konflikte: „Konfliktkompetenz wird zentraler Bestandteil eines zeitgemäßen Führungsverständnisses“, stellt Prof. Dr. Ulla Gläßer, Professorin für Mediation, Konfliktmanagement und Verfahrenslehre der Europa-Universität Viadrina, fest. „Führungskräfte werden sensibler für Konflikte in ihrem Umfeld. Sie integrieren mediative Elemente in ihre eigene professionelle Kommunikation und nutzen souveräner die Unterstützung neutraler Dritter für die Konfliktbearbeitung in ihren Zuständigkeitsbereichen.“ Zudem stehen für viele Unternehmen die weitere Professionalisierung ihrer Konfliktmanagement-Strukturen und der Ausbau der Schnittstellen zum Beschwerde-, Risiko- und Gesundheitsmanagement an. Höchste Priorität legen die Unternehmen auf die Stärkung von Ansätzen zur Konfliktprävention, die von einer professionellen Vorbereitung von Verhandlungen über differenzierte Streitbeilegungsklauseln bis hin zu optimierungsorientierten Feedback-Systemen reichen.

Kontakt: Michaela Grün (gruen@europa-uni.de)

Internetquellen:
Volltext der Studie „Konfliktmanagement in der deutschen Wirtschaft – Entwicklungen eines Jahrzehnts“ zum download unter
www.pwc.de/konfliktmanagement oder www.ikm.europa-uni.de/de/Studie_V.pdf

Überblick und Downloads zur gesamten Studienserie unter
www.ikm.europa-uni.de/de/kernbereiche/wirtschaft

Nähere Informationen zum Round Table Mediation und Konfliktmanagement der deutschen Wirtschaft und seinen Aktivitäten unter www.rtmkm.de


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