Gesamtkonzept des Trialogs
Schon im Mittelalter standen diese Räume im Rahmen des mittelalterlichen Landesaufbaus (Thorn war die erste Stadtgründung des Deutschen Ordens, Königsberg sein urbanes Zentrum) und des Handels der Hanse (alle drei Städte waren Hanse-Mitglieder) miteinander in Verbindung. Die Handelswege führten um 1400 von Brügge nach Frankfurt (Oder), über Thorn nach Königsberg und weiter nach Nowgorod und vernetzten damit weite Teile Europas. Schon damals entwickelte sich der Raum zwischen Frankfurt (Oder) und der Memel zu einem Transitraum für den Handel, der sich in der folgenden Jahrhunderten ausweitete und in jüngster Zeit mit dem Beitritt Polens in die EU eine neue Qualität gewann. Aber nicht nur ländliche Handelswege, sondern auch Poststraßen, Schiffsverbindungen und die spätere Entwicklung der Eisenbahn (die Königlich-Preußische Ostbahn) schufen neue Verbindungen zwischen Ost und West.
Der Wandel dieser Räume vom 18. bis 20. Jahrhundert wurde von Grenzverschiebungen bestimmt, die europaweite Bedeutung gewannen. Zu ihnen zählen die preußisch-russischen Teilungen Polens (erst in dieser Zeit entstand die Landbrücke zwischen Brande¬burg und Ostpreußen, seit 1793 war die Stadt Thorn/Toruń preußisch) und die deutsch-polnische Grenzziehung des Jahres 1919/20, welche die preußische Festungsstadt Thorn zur Hauptstadt der polnischen Wojewodschaft Pommern werden ließ. Auch die Grenzverschiebungen nach dem Zweiten Weltkrieg, die eine in Europa zuvor noch nicht gesehene Zwangsmigration nach sich zog, haben alle drei Städte betroffen, besonders aber Königsberg, das zwar schon einmal in seiner Geschichte von russischen Truppen besetzt worden war (1757-1762), nun aber seine Identität völlig veränderte und zu Kaliningrad wurde.
Noch heute ist in Frankfurt (Oder), Toruń und Kaliningrad und ihren Regionen das kulturelle Erbe Brandenburg-Preußens sichtbar: in Stadtstrukturen und Stadtbauten, Herrenhäusern und Kirchen, Festungsanlagen und Schlachtfeldern. Dieses Erbe wie den Staat Brandenburg-Preußen überhaupt haben Deutsche, Polen und Russen in ihrer Historiographie seit dem 19. Jahrhundert völlig unterschiedlich gewertet, besonders aber nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Für das Kaliningrad-Gebiet war die preußisch-deutsche Geschichte über lange Jahrzehnte hinweg ein Tabu, das erst seit den 1990er Jahren gebrochen wird.
Die Betrachtung des gesamten Raumes „von oben“, aus heutiger europäischer Perspektive, legt es nahe, den Vergleich der städtischen Räume und ihrer regionalen Vernetzungen auf der Basis konkreter Themenfelder wie z.B. „Mobilität“, „Grenzen“, „Migration“ oder „Gedächtnis“ in gegenseitigem internationalen Austausch vorzunehmen. Diese Vorgehensweise gibt den beteiligten Forschern die Möglichkeit, an konkreten Beispielen die Bedeutung überregionaler Verbindungen und Vernetzungen, paralleler politischer und kultureller Entwicklungszüge in den einzelnen Regionen aufzuzeigen und in einen europäischen Kontext einzuordnen.
Die Zeitspanne – vom Mittelalter bis heute – die die Forschung erfasst, erlaubt die Wahrnehmung der Brüche und Kontinuitäten der Mobilität in lokalen und regionalen Räumen sowie den Mobilitätswandel des gesamten Raumes. Mit der Betrachtung der in den Blick genommenen Region aus politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Perspektive sucht die international angelegte Forschung ein differenziertes Bild des Raumes und seines gemeinsamen Erbes zu zeichnen. Eine neue deutsch-polnisch-russische Beschreibung verfolgt neben der notwendigen Vertiefung des wissenschaftlichen Austausches das Ziel, die Distanz zwischen den Nachbarregionen zu überwinden und nachbarschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland, Polen und Russland zu vertiefen.
Ein internationales Forum für die Diskussion der Forschungsergebnisse und den internationalen Austausch bilden die wissenschaftlichen Konferenzen und Sommerschulen des Trialogs, die jedes Jahr in einer anderen Region – Frankfurt (Oder), Toruń, Kaliningrad – stattfinden und zu denen Referenten der Partneruniversitäten und externe Experten eingeladen werden.