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Zentrum für Lehre und Lernen

Hochschullehre im digitalen Zeitalter

Warum und wozu beschäftigen wir uns in der universitären Lehre mit dem digitalen Wandel?

Die Digitalisierung verändert zuerst Informations- und Kommunikationsverhalten der Menschen – aber auch Berufsbilder, Berufe, Tätigkeiten, die Grenzen verschiedener Lebensbereiche. Dies kann nicht ohne Auswirkungen auf das Lernen bleiben – und muss deshalb auch Konsequenzen für das Lehren haben.

Für die Hochschullehre stellen sich eine Reihe von Fragen, wie z.B.: Wie werden Kenntnisse und Informationen angemessen vermittelt, wenn Informationen digital jederzeit und an jedem Ort zur Verfügung stehen können? Welche Qualifikationen und Fähigkeiten benötigen Studierende, um sich in diesem Umfeld Inhalte und Denkweisen erarbeiten zu können („digital literacy“)? Welche Bedeutung hat die Hochschullehre, wenn Studierende jederzeit und an jedem Ort konkurrierende Informations- und Kommunikationsangebote erhalten? Wie lernen Studierende, die seit ihrer Kindheit daran gewöhnt sind, über digitale Plattformen in Kurzsprache und mit schnell wechselnden Aufmerksamkeits­spannen zu schreiben oder zu kommunizieren? Welche Lernformen und Lehrformate versprechen angesichts der Lern- und Kommunikationsgewohnheiten von Studierenden Erfolg (= Erreichung der Lernziele)?

Mit „Digitalisierung“ wird in der Hochschullehre häufig vor allem die Nutzung von digitalen Instrumenten in der Lehre assoziiert. Dies bringt die Gefahr mit sich, die Frage, wie Lernen und Lehre sich im Hinblick auf gesellschaftliche Entwicklungen des digitalen Zeitalters verändert und verändern muss, zu vernachlässigen. Gleichzeitig entsteht damit der Eindruck, es sei eine Frage des individuellen Geschmacks und der individuellen Neigungen, mit welchen Mitteln gearbeitet wird, und welche Kompetenzziele in der Lehre angestrebt werden. Dementgegen betrachtet die Viadrina eine strategische Debatte und einen strategischen Umgang mit den Herausforderungen, die eine Digitalisierung der Gesellschaft für die universitäre Lehre mit sich bringt, als Chance, das eigene Profil zu schärfen.

Lernen als soziale Erfahrung

Die Viadrina hat sich als Ort der exzellenten, auf das jeweilige Lernziel ausgerichteten Lehre positioniert. Die hohe Zufriedenheit der Studierenden ist eng mit der guten und intensiven Vorort-Betreuung und dem direkten Kontakt zu den Lehrenden verknüpft – so das in zahlreichen internen wie externen Evaluationen geäußerte Feedback der Studierenden. Dies spiegelt wider, was einen wesentlichen Aspekt des Lernens an Hochschulen und gerade an der Viadrina darstellt: Lernen ist eine soziale Erfahrung. Direkte persönliche Kommunikation und Präsenz sind wesentliche Elemente erfolgreichen Lernens.

Universitäre Lehre findet überwiegend in Vorlesungen, Seminaren und projektförmigen Lehrveranstaltungen statt, die ganz unterschiedliche Chancen und Herausforderungen bieten. Seminaristische Präsenzformate stehen z.T. vor Problemen wie der ungenügenden Vorbereitung der Studierenden und deren Passivität. In Vorlesungen hingegen werden oft wiederkehrend vergleichbare Wissensstände vermittelt, so dass die Gefahr besteht, dass die Funktion der Lehrenden sich auf die Erarbeitung einer Darstellungsform für das Wissen beschränkt und die kritische Reflektion und Wissens­produktion von Seiten der Studierenden zu kurz kommen. Eine Erweiterung des analogen Lehrraums ins Digitale ist einer von mehreren Wegen, mit solchen Chancen und Herausforderungen umzugehen und eine inklusive und barrierefreie Umgebung für verschiedene Lernstile und -bedarfe zu schaffen.

Verändertes Informations- und Kommunikationsverhalten fordert insofern nicht nur dazu auf, herkömmliche Unterrichtsformen zu hinterfragen. Digitale Informations- und Kommunikations­instrumente bieten auch Möglichkeiten, die Rolle von Lehrenden in ihrem Verhältnis zu Studierenden zu reflektieren und Lehre studierendenzentrierter, aktivierender und flexibler zu gestalten. So bietet die Digitalisierung auch Möglichkeiten, auf die Bedürfnisse einer zunehmend heterogenen Studierendenschaft einzugehen und die Studierenden für eigenverantwortliches und vorausschauendes Denken und Handeln zu bilden, während gleichzeitig sowohl analoge wie digitale Denk- und Lernräume angeboten werden, die es ermöglichen, Zeit, Langsamkeit und Konzentration produktiv zu erleben.