„Diese mutige und engagiert demokratische Haltung zeichnet viele Whistleblower:innen aus“ – Dr. Robert Brockhaus erhält Fritz-Bauer-Studienpreis

Dr. Robert Brockhaus hat in diesem Jahr seine Dissertation zum Thema „Geheimnisschutz und Transparenz – Whistleblowing im Widerstreit strafrechtlicher Schweigepflichten und demokratischer Publizität“ an der Juristischen Fakultät der Viadrina erfolgreich verteidigt und erhielt dafür am 3. Juli 2023 den Fritz-Bauer-Studienpreis für Menschenrechte und juristische Zeitgeschichte des Bundesministeriums für Justiz. Im Logbuch-Interview berichtet Robert Brockhaus, was ihn mit dem namhaften Juristen Fritz Bauer (1903–1968) verbindet und worin die Aktualität seiner Arbeit liegt.

 

Herr Brockhaus, Sie haben den Fritz-Bauer-Studienpreis erhalten, weil Sie in Ihrer Dissertation laut Bundesjustizministerium Zusammenhänge aufzeigen, „die für die strafrechtswissenschaftliche Diskussion im Spannungsfeld zwischen Transparenz und Geheimnisschutz neu sind und der weiteren Betrachtung bedürfen“. Was bedeutet das konkret?

Wer Geheimnisse aufdeckt, kann sich strafbar machen und dafür gibt es gute Gründe. Auf der anderen Seite gibt es auch Interessen daran, dass bestimmte Dinge publik werden, gerade bei Missständen in staatlichen Einrichtungen und Unternehmen, die die Allgemeinheit betreffen. Wenn Geheimhaltungsinteressen und Offenlegungsinteressen kollidieren, was sich besonders plastisch beim Whistleblowing zeigt, stellt sich die Frage, wie das Recht hiermit umgeht. Zwar lässt sich im Recht seit ein paar Jahrzehnten ein Wandel hin zu mehr Transparenz beobachten, im Strafrecht wurde dieser Wandel aber noch nicht ansatzweise nachvollzogen. Das ist misslich, denn der öffentliche Zugang zu Informationen über Fehlentwicklungen in staatlichen Einrichtungen, aber auch in privaten Organisationen, ist wesentlich für unsere Demokratie. Solche Informationen versetzen uns oft erst in die Lage, Dinge richtig zu erfassen, sie zu kritisieren und für Veränderungen einzutreten. Deshalb spreche ich mich dafür aus, den strafrechtlichen Geheimnisschutz zu reformieren.

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Robert Brockhaus bei der Preisverleihung.


 

Gab es einen konkreten Auslöser für die Wahl des Themas?

Mein gedanklicher Ausgangspunkt war der Fall von Edward Snowden, der vor zehn Jahren umfassende Überwachungsprogramme der National Security Agency und anderer Nachrichtendienste aufdeckte. Sollte er in die USA zurückkehren, würde er dafür bestraft werden, und das, obwohl diese Programme von verschiedenen Gerichten als verfassungs- und menschenrechtswidrig bewertet wurden. Dieser Widerspruch hat mich von Anfang an beschäftigt.

 

Welche Verbindung sehen Sie zu der Arbeit von Fritz Bauer?

Fritz Bauer stand den Landesverratsvorschriften, die Staatsgeheimnisse schützen sollen, kritisch gegenüber. Anlässlich der Spiegel-Affäre, mit der ich mich auch befasst habe, hat er sich für eine Reform dieser Vorschriften ausgesprochen. Seitdem hat sich die Rechtslage etwas verbessert. Ich meine aber, dass heute eine grundlegendere Reform der Strafvorschriften erforderlich ist. Mit meinen Reformvorschlägen greife ich Aspekte auf, die schon Fritz Bauer thematisiert und kritisiert hat.

Dann gibt es noch eine Verbindung auf einer anderen Ebene: Fritz Bauer hat als Staatsanwalt in der deutschen Nachkriegsjustiz dafür gekämpft, dass NS-Verbrechen verfolgt werden. Er hat sich dabei unter Berufung auf das Recht gegen bestehende Machtverhältnisse gewandt – mit Erfolg. Diese mutige und engagiert demokratische Haltung zeichnet auch viele Whistleblower:innen aus, mit denen ich mich in meiner Arbeit beschäftige.

Robert Brockhaus mit BM Buschmann

Robert Brockhaus und Bundesjustizminister Marco Buschmann.


 

Sehen Sie es ähnlich wie Fritz Bauer, wenn er über die Arbeit als Anwalt sagt, „man muss helfen, nicht nur logisch denken“?

Ja, das sehe ich ähnlich. Zum Beispiel wird die Unterscheidung von Recht und Unrecht dem Leben nicht immer gerecht. Im Strafrecht gilt es beispielsweise anzuerkennen, dass es regelmäßig viele miteinander verquickte Ursachen sind, nicht nur individuelle, sondern auch strukturell-gesellschaftliche, die zu einer Straftat führen. Entsprechende Zwischentöne und Ungereimtheiten aufzuzeigen, die an der vermeintlichen Klarheit einer Anklage zweifeln lassen, das ist eine anwaltliche Aufgabe im Strafprozess.

Hilfe leistet man als Anwalt natürlich schon vorher: Zunächst muss man der Mandantschaft die Rechtslage erklären und dabei die Rechtssprache möglichst laiengerecht übersetzen. Das bringt Licht ins Dickicht der Vorschriften und macht deutlich, worauf es ankommt und worauf nicht.

 

Was bedeutet das Ihrer Ansicht nach für die Ausbildung von Juristinnen und Juristen an Hochschulen?

Die juristische Ausbildung sollte nicht nur die Technik des Subsumierens und Kenntnisse der Gesetze und Rechtsprechung vermitteln, sondern sie sollte sich auch grundlegenderen Fragen widmen, die zum Beispiel die Kriminologie, Rechtsphilosophie und Rechtssoziologie stellen.

 

Welche wissenschaftlichen Projekte haben Sie als nächstes im Sinn?

Whistleblowing und Fragestellungen rund um den strafrechtlichen Schutz von Geschäfts- und Staatsgeheimnissen beschäftigen mich weiter. Zum Beispiel befasse ich mich damit, wie sich das Hinweisgeberschutzgesetz, das am 2. Juli 2023 in Kraft getreten ist, strafrechtlich auswirkt. Zum Thema ziviler Ungehorsam, mit dem ich mich schon in meiner Dissertation befasst habe, erscheint Anfang nächsten Jahres ein Sammelband, den ich mitherausgebe. Allgemein interessieren mich Straftaten, die unter Berufung auf öffentliche Interessen, zum Beispiel Werte unseres Grundgesetzes, begangen werden. Ich vermute, dass aufgrund der verschiedenen Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, künftig wieder häufiger politische Anliegen im Gerichtssaal zur Sprache kommen.

 

Interview: Heike Stralau
Fotos: Photothek / Janina Schmitz

Zum Bericht des Bundesjustizministeriums inklusive eines Livemitschnitts der Verleihung des Fritz-Bauer-Studienpreises 2023.

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