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Zwischen Campus und Quarantäne – drei Erasmus-Studierende aus Italien berichten

Gerade noch nach Hause gekommen, in Frankfurt (Oder) hängen geblieben oder gar nicht erst angereist – drei italienische Studierende, die ein Semester an der Viadrina verbracht haben oder verbringen wollten, erzählen von ihren Erlebnissen und davon, wie sie die Situation ihres Heimatlandes erleben, das mit am meisten von der Corona-Pandemie betroffen ist. Weiterlesen>>>

Vorlage Italien neu ©Maria Chiara Gaiezza, Collage Heide Fest

Von Italien an die Viadrina: Ilaria (v.l.) musste ihr Auslandssemester in Frankfurt (Oder) absagen, Maria erwischte noch eines der letzten Flugzeuge zurück in ihre Heimat und Muftawu sitzt seit Mitte März in der Grenzstadt fest.

Nach dem Viadrina-Semester mit einem der letzten Flüge zurück nach Italien

Maria Chiara Gaiezza hatte Glück. Sie konnte im Wintersemester 2019/2020 die Hörsäle der Viadrina noch besuchen. Als Maria von der Pandemie in ihrem Heimatland erfuhr, war sie noch in Frankfurt (Oder). „Da klang alles noch nicht beängstigend“, sagt sie. Doch die negativen Nachrichten mehrten sich, schließlich riegelte die italienische Regierung die Universitäten ab.

Anfang März stieg Maria, die im achten Semester „Modern Languages and Literature“ an der Universität Pavia studiert, in eines der letzten Flugzeuge nach Italien. „Fast jeder am Flughafen in Berlin, der nach Italien wollte, hatte eine Maske auf“, erinnert sie sich. Nach der Landung wurden alle Passagiere untersucht. „Sie kontrollierten unsere Körpertemperatur mit einem Gerät, das einer Waffe ähnelte.“ Ein paar Tage nach ihrer Ankunft wurde die Lombardei zur „roten Zone“ erklärt. Ihre Freunde, die sie seit Monaten nicht gesehen hatte, konnte Maria nicht wiedertreffen. Ein paar Tage später stand ganz Italien unter Quarantäne. Aus dem Haus darf man seitdem nur zum Einkaufen und Arbeiten. „Also bleibe ich zu Hause“, sagt sie. Angst hat Maria mehr um ihre Familie als um sich selbst. Der Ausnahmezustand bedeutet für ihre Mutter, die in einem Krankenhaus arbeitet, sehr viel Druck. Auch um ihre Großmutter sorgt sie sich, weil die zur Risikogruppe gehört. Der Mann einer Nachbarin liegt mit Covid 19 im Krankenhaus. Auch viele ihrer Freunde leben in Gebieten, in denen die Sterberate hoch ist. Angst machen Maria die Folgen, die die Pandemie mit sich bringt. „Jetzt kümmern wir uns um alle, die krank sind und versuchen sie zu heilen. Danach müssen wir uns um alle Betroffenen kümmern, die einen geliebten Menschen verloren haben.“

Einen Großteil ihrer Zeit verbringt Maria am Telefon. Am meisten mit ihrer Großmutter. „Auch ihre Freunde ruft die Studentin jeden Tag an. „Es ist schön, auch mal mit jemandem außerhalb meiner Familie zu reden. Wir machen unseren Aperitivi jetzt einfach online, spielen Spiele oder chatten einfach nur“, sagt sie. Sogar eine Party haben sie und ihre Freunde über Skype schon organisiert. „Die Krise macht uns eben auch kreativ.“


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Student aus Bergamo sitzt in Frankfurt (Oder) fest

So hatte sich Muftawu Habibu das nicht vorgestellt. Eigentlich wollte er am 15. März schon wieder im norditalienischen Bergamo sein. Doch sein Flug wurde abgesagt. Seinen Vertrag im Wohnheim hatte er da bereits gekündigt, untergekommen ist der Ghanaer, der in Bergamo International Management Entrepreneurship and Finance studiert, jetzt bei einem Freund in Frankfurt (Oder).

„Sich jetzt finanziell über Wasser zu halten, ist schwer. Meine Freunde und Familie helfen mir“, sagt er. Aber seine Lebenserhaltungskosten so abzudecken, sei schwierig. Muftawu trägt es mit Fassung: „Gesundheitlich geht es mir gut. Ich habe keine Angst, weil ich weiß, dass sich die Dinge wieder einrenken werden.“ Im Herbst wollte er eigentlich sein Studium abschließen. Ob er das realisieren kann, ist noch offen. „Ich wünschte, ich könnte nach Bergamo zurückkehren, um meinen Master zu beenden“, sagt er. „Aber die Situation dort ist einfach zu alarmierend.“ An die Viadrina kam er über ein Erasmus-Programm im Oktober vergangenen Jahres. Bis Ende Mai wird sein Visum in Deutschland nun verlängert. Seine Seminare und Vorlesungen kann er online besuchen. „Trotzdem ist es nicht dasselbe“, sagt er.

In Bergamo dürfen seine Studienfreunde ihre Wohnungen nur mit einer polizeilichen Genehmigung verlassen. Viele Waren in den Supermärkten seien Mangelware. Muftawu appelliert: „Wir können gemeinsam kämpfen und zusammen gewinnen. Was wir nicht können, sind die verlorenen Leben wiederzuholen. Also sollten wir uns alle sozial verantwortungsbewusst verhalten.“


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Recherche für die Masterarbeit in der Grenzstadt muss ausfallen

Ilaria Gallo ist traurig, denn sie musste ihren Erasmus-Aufenthalt für das Sommersemester an der Viadrina absagen. Besonders enttäuscht ist sie, weil sie für ihre Abschlussarbeit Interviews in der Grenzstadt geplant hatte. „Ich wollte an die Viadrina, weil ich am reichhaltigen Kursangebot des Masters ‚Sprachen, Kommunikation und Kulturen in Europa‘ interessiert war. Die Tatsache, dass sich Frankfurt (Oder) direkt an der Grenze zu Polen befindet, hat mich zu meiner Masterarbeit inspiriert. Mit den vielen Studierenden aus der ganzen Welt, stellt die Viadrina ein optimales Lernumfeld dar“, sagt sie.

Die Möglichkeit, das Semester per Online-Lehre wahrzunehmen, hat Ilaria abgelehnt. „Ich wollte eine reale Erfahrung machen.“ Verschieben kam für sie nicht infrage, da sie kurz vor dem Ende ihres Studiums steht. Derzeit studiert die Italienerin im vierten und letzten Semester "Language, Society and Communication" an der Universität Bologna. Auch dort ist man auf einen Online-Lehrbetrieb umgestiegen.

Statt an der Oder schreibt Ilaria ihre Arbeit nun in Padua bei ihren Eltern. Von der Situation in Italien berichtet sie: „Man darf nur noch aus dem Haus, um Lebensmittel einzukaufen oder um zur Apotheke, zum Arzt oder zur Arbeit zu gehen. In den meisten Regionen ist es verboten, Spaziergänge zu machen.“ Ihre Region Veneto sei eine Ausnahme, sagt sie. „Seit einer Woche ist es den Menschen dort erlaubt, auch allein spazieren zu gehen.“ Mundschutz und Handschuhe seien bei den Ausgängen Pflicht. „Manchmal gehe ich allein spazieren, weil ich auf dem Land wohne und es brauche, Zeit in der Natur zu verbringen.“ Die Situation werde langsam besser, Angst habe sie nicht, „weil ich vorsichtig bin und die meiste Zeit zu Hause verbringe.“ (KH)


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