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Viel Schmerz und ein Funke Hoffnung – Ausstellung über polnische Vertriebene von 1939 eröffnet

Ein über viele Jahrzehnte wenig beachtetes Kapitel der deutsch-polnischen Geschichte kann seit dem 29. Oktober in der Frankfurter Marienkirche besichtigt werden. „Vertriebene von 1939 … Deportationen von polnischen Bürgern aus den ins Dritte Reich eingegliederten Gebieten“ ist der Titel einer Wanderausstellung, die auf Einladung des Zentrums für Interdisziplinäre Polenstudien (ZIP) der Viadrina bis zum 1. Dezember in Frankfurt gezeigt wird.

„In diesen Gesichtern sehen wir den Tod – so nah.“ Mit diesem Satz beschrieb Marek Woźniak, Marschall der Woiwodschaft Wielkopolska, das Packende der Ausstellung. Egal, ob von NS-Fotografen für Propaganda-Zwecke inszeniert oder von polnischen Betroffenen aus Verstecken dokumentiert: Die vielen Fotos der über Nacht aus ihren Häusern gerissenen und in fremden Gebieten sich selbst überlassenen Polinnen und Polen zeigen die NS-Gewaltverbrechen auf eine durchdringende und schmerzhafte Weise. >>>weiterlesen

Fotos: Heide Fest

Wie die Aufarbeitung dieser Verbrechen mit 80 Jahren Abstand zu deutsch-polnischer Nähe führen kann, davon war die Eröffnung geprägt. „Ich bin dankbar, dass wir uns heute gemeinsam als Deutsche und Polen, als Europäerinnen und Europäer, erinnern können“, sagte Viadrina-Präsidentin Prof. Dr. Julia von Blumenthal. Auch Marschall Marek Woźniak bezog Stellung für ein gemeinsames Erinnern: „Die Ausstellung ist Teil unserer Arbeit an einem Europa, das frei von Hass und Nationalismen ist.“ Grundlage dafür seien die Fähigkeit und der Wille zuzuhören.

An diesen Gedanken knüpfte die Podiumsdiskussion im Anschluss an. Moderiert von Viadrina-Historiker Dr. Markus Nesselrodt beschäftigte sich die Runde aus Wissenschaft, Pädagogik, Kultur und Politik mit der Frage, welche Erinnerung die Grenzregion an die Themen Flucht und Vertreibung brauche.

Dr. Magdalena Gebala vom Deutschen Kulturforum östliches Europa betonte die Rolle, die das Wissen beim Erinnern spiele: „Wir können die heutige Grenzregion nicht begreifen, ohne zu wissen, wer einmal in unseren Häusern gelebt hat.“ Eine Chance für die Vermittlung der historischen Themen sei Regionalisierung. „Viele reden von den großen nationalen Narrativen, doch in dieser Betrachtungsweise gehen viele Menschen verloren.“

Diesem Plädoyer pflichtete Dr. Uwe Schröder, Direktor des Pommerschen Landesmuseum in Greifswald, bei. Auch er setzt in seinem Haus auf Regionalisierung und emotionale Personalisierung von Geschichte. Dass man angesichts solch schwieriger Themen bei aller Anschaulichkeit die Vielschichtigkeit und Kontroverse nicht scheuen sollte, darüber war sich das Podium einig. 

Genau für diese Leistung wurde der Journalist und Ausstellungsmacher Dr. Jacek Kubiak mehrfach gelobt. Kubiak hatte während der Ausstellungseröffnung berichtet, wie die Zeitzeugen zu Beginn des Projekts bei ihm Schlange gestanden hatten, um nach Jahrzehnten des Schweigens von ihren Traumata zu berichten. Nach allen Grausamkeiten fragte er sie schließlich auch, ob sie etwas Gutes mit den Deutschen verbinden. Und tatsächlich gab es Erzählungen von geschenkter Milch, einem zugesteckten Fladen Brot oder gar den vollständig aufbewahrten Wertsachen der Vertriebenen. „Es ist ein Zeichen der Hoffnung, dass man auch in solchen Zeiten Anstand beweisen kann“, so Kubiak. (FA)

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