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Von Geschmack, Recht und Jugendschutz – Tagung über „Musik & Strafrecht“

So viel Musik läuft selten auf einer Tagung. Ob mittelalterlicher Bänkelgesang, Gangsta-Rap oder Black Metal – die Vortragenden bei der Veranstaltung „Musik & Strafrecht“ am 25. April im Senatssaal der Europa-Universität fanden zahlreiche Verbindungen zwischen den titelgebenden Feldern. Sie berichteten darüber überaus unterhaltsam.

„Anklagen gegen mich verlaufen stets im Sande, wie die Uhren von Salvador Dali“, reimt der deutsche Rapper Kollegah in seinem Song „Kool & the Gang“. Recht hat er, konnten Dr. Christian Rückert und Dr. Mustafa Temmuz Oğlakcıoğlu von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen in ihrem Vortrag „Gangsta-Rap, Strafrecht und Kunstfreiheit“ nur bestätigen. Und das, obwohl die Texte von Kollegah und seinen Kollegen oft voller Gewaltfantasien, Frauenfeindlichkeit und Homophobie stecken. Doch die Verarbeitung brutaler Lebensrealität und die nicht-zensierte Vulgärsprache seien stilprägend für den Gangsta-Rap und die Kunstfreiheit ein hohes Gut, resümierte Dr. Christian Rückert. Er lobte die maßvolle deutsche Justiz, die Verfahren gegen Rapper wie Kollegah und Farid Bang zumeist einstelle. „Wir wollen keine Geschmackskontrolle“, betonte der Jurist und zitierte den anwesenden Viadrina-Strafrechtler Prof. Dr. Christian Becker. „Wer denjenigen Kunstformen, die ihm selbst kulturell nahestehen, ihre Kontextabhängigkeit zugesteht, um sie im selben Atemzug anderen Kunstformen zu verweigern, handelt widersprüchlich und borniert“, hatte Becker einst geschrieben und sich damit auf die unterschiedlichen gesellschaftlichen Bewertungen von Jan Böhmermann und seinem Erdogan-Gedicht einerseits und Texten des Rappers Bushido andererseits bezogen. >>>weiterlesen

Fotos: Bastian Bielig/Agnieszka Lindner

Dass Geschmack und Recht zwei völlig verschiedene Kategorien sind und sich die Einmischung von Strafverfolgungs- und Regulierungsbehörden oft verkaufsfördernd, ja sogar legendenbildend auswirken, gilt nicht nur für Gangsta-Rap. Claudia Zielińska vom Viadrina-Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie belegte das in ihrem „Intermezzo“ über das Album „Ab 18“ der Band Die Ärzte. Die Musiker waren 1987 der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften zuvorgekommen und hatten ihr Album mit Songs wie „Geschwisterliebe“ und „Claudia hat ‘nen Schäferhund“ selbst indiziert.

Auch weitere Mitarbeiter von Strafrechtler Prof. Dr. Dr. Uwe Scheffler, der die Tagung organisiert hatte, kamen mit ihren Beiträgen zu Wort. Unter ihnen Paul Hoffmann, der nicht nur über erlaubtes und umstrittenes Sampling sprach, sondern mit seiner Band auch musikalisch zur Tagung beitrug.

Musik, die nicht unbedingt justiziabel ist, aber Straftaten thematisiert, stand im Zentrum des Vortrages von Dr. Markus Hirte, dem Direktor des Mittelalterlichen Kriminalmuseums Rothenburg. Er schlug den Bogen vom Bänkelgesang über Brechts Moritat von Mackie Messer bis zu Rammstein und den „Murder Ballads“ von Nick Cave. Auf dem gleichnamigen Album zählte Hirte 64 Tötungsdelikte. Solche musikalische Verbrechensverarbeitung staatlich regulieren zu wollen, sei aussichtslos, so die Überzeugung des Museumsdirektors. Schließlich gebe es das Mordmotiv schon seit mindestens 500 Jahren in der Musik. (FA/AL)

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