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Pluralisierung statt Säkularisierung in der Rechtsprechung – 25 Jahre Verfassungsgericht des Landes Brandenburg

Hochkarätig besetzt war das Symposium anlässlich des 25-jährigen Bestehens des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg am 29. November im Logensaal der Viadrina: Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke gratulierte den Gästen, darunter zahlreiche Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter. Den Festvortrag hielt Bischof a. D. Prof. Dr. Wolfgang Huber.

Überschrieben mit „Religionsfreiheit heute – bewährt sich das deutsche System?“ widmete sich das Kirchenoberhaupt dem Thema „weltanschauliche Freiheit“. Diese habe, so der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland und Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz a. D., mit ihrem Ursprung in der Weimarer Verfassung eine lange Tradition und sei als essentielles Gut bis heute in der brandenburgischen Verfassung explizit festgeschrieben. Damit unterscheide sie sich von anderen Verfassungen im positiven Sinne, so Huber.

Zahlreiche Beispielurteile – vom „Kruzifix-Streit“ bis zu den „Kopftuch-Urteilen“ – aufgreifend, plädierte Huber für eine fortschreitende Pluralisierung anstatt einer reinen Säkularisierung der Rechtsprechung: „Toleranz und Akzeptanz der Menschenrechte und die Neutralität des Staates sind insbesondere in Zeiten verstärkter Zuwanderung islamisch-gläubiger Menschen elementare Bedingungen für eine friedliche Pluralität.“
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Fotos: Thomas Ritter

An dieses Spannungsfeld zwischen normativer Religion und vermeintlich neutraler Rechtsprechung knüpfte eine von Dietmar Ringel (rbb-Inforadio) moderierte Podiumsdiskussion an. Unter der Überschrift „Religionsfreiheit – Gefahr oder Segen“ ging es um alltagspolitische rechtliche Fragen, auf die es keine einfache Antworten ohne normative Bezüge gibt: Wie soll die Institutionalisierung von in Deutschland neuen Religionsgemeinschaften rechtlich behandelt werden, wie kann und soll die rechtliche Situation im katholisch geprägten Polen bewertet werden, und wie soll Religionsfreiheit im Rechtsstreit ausgelegt werden? – Das diskutierten Prof. Dr. Ferdinand Kirchhof, Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts, Prof. Dr. Richard Schröder, Theologe und Philosoph, Kristina Schmidt, Richterin am Bundesarbeitsgericht und Verfassungsrichterin in Brandenburg sowie Dr. Michał Rynkowski, Dozent für Europa- und Völkerrecht an der Universität Wroclaw.

Das ganztägige Symposium hatte am Vormittag mit Vorträgen über aktuelle Fragestellungen des Verfassungsrechts in den Bereichen Digitalisierung und Europa und zahlreichen Grußworten begonnen. Unter den Gratulanten waren auch Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke und Landtagspräsidentin Britta Stark sowie Verfassungsgerichtspräsident Jess Möller. Woidke nannte den Anlass ein „Fest der Demokratie“ und betonte die Vertrauenswürdigkeit des Verfassungsgerichts in Zeiten politischen Drucks.

(Gunhild Genzmer / Michaela Grün)

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