Unterschätzte Kunst im Scheinwerferlicht – Monika Muskała und Thomas Weiler berichten über ihre preisgekrönte Übersetzungsarbeit

Monika Muskała und Thomas Weiler – beide mit dem Karl Dedecius Preis 2019 für ihre Übersetzungen ausgezeichnet – waren am 31. Mai 2022 im Senatssaal der Viadrina zu Gast. Auf Einladung der Karl Dedecius Stiftung sprachen sie über die Bedeutung des Preises und verdeutlichten die Herausforderungen von Literaturübersetzungen anhand ihrer Texte.

Übersetzerinnen und Übersetzer werden oft vergessen, wenn fremdsprachige Literatur – natürlich in ihrer Übersetzung – besprochen, rezensiert und ausgezeichnet wird. Und so war es das besondere Verdienst dieses von Dr. Birgit Kehl moderierten Gespräches, dass es Monika Muskała und Thomas Weiler Raum gab, eindrücklich verständlich zu machen, was es bedeutet, einen literarischen Text – sei es ein Kinderbuch oder ein zeitgenössisches Theaterstück – in eine andere Sprache zu übertragen.

Das Gespräch wurde musikalisch begleitet vom Ensemble Bizzare. Im Anschluss besuchten die Preisträgerin und der Preisträger mit ihren Gästen die wachsende Ausstellung  „Karl Dedecius: Brückenbauer zwischen Polen und Deutschland“ in der Universitätsbibliothek, in der nun auch sie vertreten sind.    Fotos: Małgorzata Szajbel-Keck


Thomas Weiler verdeutlichte anhand des von ihm übersetzten Kinderbuches „Bucheckern, Bernstein, Brausepulver – Die Danziger Kindheit von Günter Grass“ einige der Herausforderungen von Literaturübersetzungen. Die Autorin Elżbieta Pałasz erfindet darin eine Kindheit für den Weltliteraten und verwendet dafür Zitate, Personen und Motive aus Grass‘ Werk. „Die sind natürlich nicht markiert, das muss man einfach merken“, sagte Thomas Weiler und berichtete, wie er die Autorin in der Hoffnung kontaktierte, sie habe all die Zitate irgendwo gesammelt. „Als sie sagte, das habe sie nicht, wusste ich, was auf mich zukommt“, so der Übersetzer.

Von solchen „Kryptozitaten“ wusste auch Monika Muskała zu berichten. Als Beispiel für eine besonders herausfordernde Übersetzung hatte sie Elfriede Jelineks Drama „Rechnitz“ mitgebracht, das sie in einem Zeitraum von zehn Jahren aus dem Österreichischen ins Polnische übertragen hatte. Die Zitate von Friedrich Nietzsche und Hannah Arendt waren dabei nicht die größte Herausforderung. Der Text über ein bis heute ungeklärtes Massaker an jüdischen Zwangsarbeitern sei derart „ungeheuerlich, monströs und unberechenbar“, dass es ihr nicht möglich war, ohne Pausen an der Übersetzung zu arbeiten. „Das war die schwierigste Aufgabe in meinem Leben“, sagte Monika Muskała. „Was da in der Sprache passiert, kann man nur mit dem Bösen vergleichen, um das es geht.“

Der Karl Dedecius Preis, mit dem beide im Jahr 2019 für ihre Übersetzungen ausgezeichnet wurden, bedeutet für Monika Muskała und Thomas Weiler viel, wenn auch Unterschiedliches. So betonte Thomas Weiler, dass der Preis ihn besonders freue, weil damit seine Arbeit an Kinderliteratur gewürdigt werde, die „sonst oft unter dem Radar läuft“. Es sei aber keineswegs so, dass ihm „die Verlage die Bude einrennen“ würden. „Aber im Kollegenkreis ist das eine gewichtige Größe, da gibt es nichts Vergleichbares“, betonte er. Für Monika Muskała hatte der Preis auch einen praktischen Nutzen. Die gebürtige Polin und Wahl-Wienerin nutzte ihn für ihre Bewerbung um die österreichische Staatsbürgerschaft aufgrund außerordentlicher Leistungen. Auf diese Weise habe sie nicht ihre polnische Staatsbürgerschaft ablegen müssen.

Das Gespräch wurde von der Karl Dedecius Stiftung in Kooperation mit dem Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien der Viadrina und dem Deutschen Polen-Institut, mit finanzieller Unterstützung der Marion Dönhoff Stiftung und der Robert Bosch Stiftung organisiert. Es fand im Rahmen des Workshops „Literaturübersetzung im deutsch-polnischen Kulturdialog – Zbigniew Herbert in deutscher Übersetzung“ statt und wurde auch von vielen Studierenden verfolgt. Am Vormittag vor dem Gespräch hatten sie sich mit Monika Muskała und Thomas Weiler über verschiedene Aspekte des Übersetzens ausgetauscht.

Zur Aufzeichnung des Gesprächs (deutsch)

Zur Aufzeichnung des Gesprächs (polnisch)

(FA, Małgorzata Szajbel-Keck)

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