„Wie zufrieden und stolz wäre sie, dass diese Anerkennung ihr nun endlich zuteilwird“ – Viadrina benennt Seminarraum nach Frankfurter Übersetzerin Karin Wolff

„Ich stelle mir ihren ungläubigen und erstaunten Gesichtsausdruck vor, wenn sie von der Ehre gehört hätte, dass ihr Name – Karin Wolff – einen Seminarraum an der von ihr heimlich geschätzten, öffentlich aber häufig geschmähten Viadrina zieren sollte.“ Mit diesen Worten stieg die emeritierte Viadrina-Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Christa Ebert in ihre Laudatio zur Würdigung von Karin Wolff ein. Am 21. März 2022 wurde mit einem Festakt der Seminarraum im Gebäude in der Großen Scharrnstraße 23 a nach der Übersetzerin polnischer Literatur benannt, die eng mit der Viadrina und der Stadt Frankfurt (Oder) verbunden war.

„Mit dieser Ehrung von Karin Wolff würdigen wir die großen und bleibenden Leistungen der Übersetzerin – und setzen auch ein Zeichen der deutsch-polnischen Verständigung, die der Viadrina sehr am Herzen liegt“, sagte Kanzler Niels Helle-Meyer zu Beginn des Festaktes. Auch die besondere kommunikative Bedeutung des nun nach Karin Wolff benannten Seminarraumes hob er hervor: Ursprünglich befand sich genau dort das beliebte und repräsentative Café „Frankfurter Kranz“. Heute soll der Seminarraum auch mit öffentlichen Veranstaltungen wieder für Begegnung sorgen.
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Fotos: Heide Fest, Adam Czerneńko


Für die würdigende Laudatio war die 2012 emeritierte Literaturwissenschaftlerin Prof. Dr. Christa Ebert, die eng mit Karin Wolff zusammengearbeitet hatte, eingeladen worden. „Ich hätte gern die frühere Karin Wolff kennengelernt, eine Persönlichkeit, die sich mutig und mit vollstem Einsatz für das einsetzte, was für sie das Wichtigste war – die Freiheit. In der spießigen duckmäuserischen DDR fand sie dafür nur einen begrenzten Raum. Ihr Leben war abenteuerlich und mutig und dennoch exemplarisch für zahlreiche Intellektuellenschicksale in der DDR“, stellte Christa Ebert fest und ließ die rund 50 Gäste anhand einiger Schlaglichter am Leben von Karin Wolff teilhaben: Als Beste ihres Jahrgangs legte sie das Abitur in Frankfurt (Oder) ab, bekam aber wegen ihrer christlichen Weltanschauung und sozialen Herkunft zunächst keinen Studienplatz. Nach einem Jahr Schwerstarbeit in einem Möbellager folgte ein 14-wöchiger Krankenhausaufenthalt – der Beginn ihrer Karriere als Übersetzerin. Die sprachbegabte Karin Wolff beherrschte bereits sechs Sprachen und brachte sich im Krankenhaus im Selbststudium Polnisch auf Abiturniveau bei. Gleich danach bekam sie ihre ersten Übersetzungsaufträge. Zwischenzeitig arbeitete sie parallel bei einem Verlag in Berlin und als Übersetzerin bei dem Magazin POLEN in Warschau – ein herausforderndes Arbeitsleben, das, insbesondere nach der Wende, trotz allem ein ungeregeltes Einkommen einbrachte.

„Wie zufrieden und stolz wäre sie, wenn sie erleben könnte, dass die Anerkennung, die ihr seitens ihrer Stadt und der Uni ungenügend erschien, ihr nun endlich zuteilwird“, so Christa Ebert. Dass dieses Urteil nicht immer gerechtfertigt war, führte die Laudatorin aber ebenso aus: Es hätte durchaus Kontakte zwischen Karin Wolff und der Viadrina, speziell mit dem Collegium Polonicum, gegeben – Übersetzungsseminare, Workshops und Vorträge, bei denen sie ihr Wissen und übersetzerisches Können eindrucksvoll demonstrierte.

Nach einem Sektempfang am Karin Wolff-Seminarraum fanden im Karl Dedecius Archiv im Collegium Polonicum Słubice zwei Führungen – auf Deutsch und auf Polnisch – statt. Dort konnten die Gäste biografische Dokumente aus dem umfangreichen Nachlass von Karin Wolff besichtigen: Schulhefte, Fotos aus verschiedenen Zeitepochen, eine Auswahl an Korrespondenzen unter anderem mit Władysław Bartoszewski, Handschriften und eine Sammlung von Kalendern und Notizbüchern. Nach ihrem Tod 2018 erhielt die Viadrina einen Großteil des Nachlasses von Karin Wolff als Schenkung. Das Privatarchiv ist Teil des Karl Dedecius Archivs und stellt dort den drittgrößten Bestand in den Archivsammlungen dar.

Der Vorschlag zur Benennung des Seminarraumes nach der Übersetzerin Karin Wolff war im Rahmen eines universitätsinternen Wettbewerbs von den Universitätsmitarbeitenden Dr. Agnieszka Brockmann, Dr. Ilona Czechowska, Dr. Małgorzata Szajbel-Keck, Dr. Krzysztof Wojchiechowski und Dr. Hans-Gerd Happel eingereicht worden. Eine Jury hatte über alle Vorschläge beraten und der universitäre Senat schließlich über die Benennung entschieden.
(UP)

Hier können Sie die Laudatio von Prof. em. Dr. Christa Ebert nachlesen.