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Nachruf auf Prof. em. Dr. Dr. Ulrich Knefelkamp

Der Förderverein zur Erforschung der Geschichte der Viadrina trauert um seinen Vorsitzenden Prof. em. Dr. Dr. Ulrich Knefelkamp. Durch seine Initiative wurde der Verein 1996 gegründet, und er hat ihn bis zu seinem Tod geleitet und gelenkt. Die jüngere Erforschung der alten, 1506 in Frankfurt (Oder) gegründeten, 1811 im Zuge der Neustrukturierung der preußischen Universitätslandschaft nach Breslau verlegten und 1991 als Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) wiedergegründeten Universität ist maßgeblich mit seinem Namen verbunden.

Inspiriert und durch sein zielstrebiges, dabei immer unprätentiöses Engagement motiviert, haben Kolleginnen und Kollegen, Doktorandinnen und Doktoranden von innerhalb und außerhalb der Universität seinen Faden aufgenommen und mit zahlreichen Publikationen zur Aufhellung der Universitätsgeschichte der alten Viadrina beigetragen. Das meiste dazu ist in den seit 1998 von Ulrich Knefelkamp redigierten „Jahrbüchern“ des Vereins erschienen, die zu einem zentralen Ort der Verständigung über das institutionelle Gedächtnis unserer Universität geworden sind. Grundlage hierfür ist die Sammlung von Akten zur Organisation und zum Personalbestand der alten Viadrina, die durch Knefelkamps Initiative im Archivportal unserer Universität vorzüglich dokumentiert ist. Zu den besonderen Verdiensten, die Knefelkamp sich für die Erforschung der alten Viadrina erworben hat, gehört darüber hinaus die ebenfalls von ihm initiierte, in einem Gemeinschaftsprojekt mit der Universitätsbibliothek Wrocław durchgeführte Rekonstruktion der Bibliothek, die 1811 nach Breslau transferiert wurde und als Digitalisat über die Homepage der Universitätsbibliothek allgemein zugänglich ist.

In weiteren eigenen Studien sowie von ihm organisierten Vortragsreihen hat Ulrich Knefelkamp sich dem Verhältnis der Universität zur Stadt Frankfurt (Oder) zugewandt. Besonders hervorzuheben ist hierbei die in Kooperation mit der Frankfurter Universitätsbibliothek vorgenommene Erschließung und Digitalisierung der bedeutenden Kirchenbibliothek St. Marien, die wertvolle Quellen über das akademische Leben der Universitätsstadt im 17. Jahrhundert enthält und die sich in der Frankfurter Getraudenkirche befindet. Den kunstgeschichtlichen einzigartigen Antichrist-Glasmalereien der Fenster der Marienkirche, die i. J. 2002 aus der St. Petersburger Eremitage zurückgeführt wurden, widmete er einen, gemeinsam mit Frank Martin herausgegebenen, Sammelband.

Sein Interesse an den Beziehungen zwischen Universität und Stadt war jedoch keineswegs antiquarisch auf die frühe Neuzeit gerichtet. Aus tiefem historischen Verständnis hat er vielmehr auch als engagierter Zeitgenosse die Kommunikation zwischen der 1991 wiedergegründeten Universität und der Stadt mitgeprägt. Sein institutioneller Blick war dabei immer auf die handelnden Menschen gerichtet. Als Kommunikator war er ein Glücksfall für die Viadrina, in den Beziehungen zur Stadt Frankfurt (Oder) ebenso wie für die internen Prozesse der Universität. In zahlreichen Funktionen, insbesondere als Dekan der Fakultät für Kulturwissenschaften (1995-1999) und als Vorsitzender des Senats (1999-2007), hatte er maßgeblichen Anteil an Integration der jungen Universität.

Geboren 1951 im ostwestfälischen Herford, absolvierte er nach dem Abitur eine Ausbildung zum Apotheker, bevor er sich dem Studium u. a. der Geschichte, Kunstgeschichte, Volkskunde und Medizingeschichte in Würzburg und Freiburg i. Br. zuwandte. Hier wurde er 1980 mit einer Dissertation über „Das Gesundheits- und Fürsorgewesen der Stadt Freiburg im Breisgau im Mittelalter“ zum Dr. phil., und fünf Jahre später mit der Dissertation „Die Suche nach dem Reich des Priesterkönigs Johannes. Dargestellt anhand von Reiseberichten und anderen ethnologischen Quellen des 12.-17. Jahrhunderts“ zum Dr. rer. nat. promoviert. Seine Habilitation erfolgte 1987 an der Universität Bamberg mit der Schrift „Das Heilig-Geist-Spital in Nürnberg vom 14.-17. Jahrhundert“. Die Themen seiner akademischen Qualifikationsschriften umreißen den Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Interessen, die er in zahlreichen Publikationen weiter verfolgte und vertiefte.

Dass ihn sein Weg nach Frankfurt (Oder) führen würde, musste vor dem Hintergrund seiner akademischen Karriere in der alten Bundesrepublik als unwahrscheinlich erscheinen. Erst die in Folge der Revolution in der DDR und der Vereinigung der beiden deutschen Staaten wiedergegründete Universität in Frankfurt (Oder) eröffnete hierzu die Möglichkeit, die Knefelkamp nach mehreren Vertretungsprofessuren als Privatdozent nutzte und 1994 den Ruf auf den Lehrstuhl für „Mittelalterliche Geschichte Mitteleuropas und regionale Kulturgeschichte“ an der Europa-Universität Viadrina annahm. Neben seinem Engagement in der akademischen Selbstverwaltung entfaltete er hier rasch eine überaus erfolgreiche Lehrtätigkeit, verbunden mit zahlreichen, gemeinsam mit Studentinnen und Studenten durchgeführten Projekten zur regionalen Kulturgeschichte, unter denen die Rekonstruktion der östlichen Routen des Jakobswegs, die bis Santiago de Compostela führten, besonders zu nennen ist.

Seine bisherigen Arbeitsfelder erweiterte er 1996 durch die Gründung der an seinem Lehrstuhl angesiedelten Forschungsstelle für vergleichende Universitätsgeschichte, aus der im selben Jahr die Gründung unseres Fördervereins hervorging. Ihm galt in den letzten Jahren sein vorzügliches Engagement. Noch im Juni 2020 leitete er, trotz fortgeschrittener Krankheit, die Jahresversammlung des Vereins. In seiner Wahlheimat Bamberg ist er am 25. November 2020 verstorben.

Die Mitglieder des Fördervereins zur Erforschung der Geschichte der Viadrina gedenken ihres verstorbenen Vorsitzenden in großer Dankbarkeit und Anerkennung. Sein Vermächtnis wird auch die künftige Arbeit des Vereins leiten.

Reinhard Blänkner

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