Banner Viadrina

06: Züge der Befreier und Besatzer - Pociągi wyzwolicieli i okupantów

06-01-CIA-Uran-FFO-1 ©Central Intelligence Agency

Die Bedeutung des Frankfurter Bahnhofs war auch dem amerikanischen Geheimdienst CIA bewusst, der akribisch jeden militärischen Zugverkehr protokollierte. Informationen über Truppentransporte wurden ebenso gesammelt wie Details über bauliche Veränderungen der Bahnanlagen. Besonders interessant waren für die Amerikaner jedoch Rüstungstransporte in die DDR und Lieferungen aus der DDR in die Sowjetunion, speziell Uranlieferungen aus dem Erzgebirge.

[Central Intelligence Agency, CIA-RDP82-00457R006800340011-5]

06-2-Lokkolonne-014_2 ©Eisenbahnfreunde Frankfurt (Oder) e.V.

Abtransport von Maschinenteilen in die Sowjetunion. Zugführer der Brigade 305 vor der Abfahrt nach Brest (1952)

[Sammlung der Eisenbahnfreunde Frankfurt (Oder) e.V.]

06-G1-Bahnhof-FFO-1958 ©Sammlung Jan Musekamp

Der Bahnhof um 1958. Im Pavillon links fand der Fahrkartenverkauf für Bus und Straßenbahn statt. Auf dem Hauptportal prangt ein Banner mit Marx, Engels, Lenin und Stalin.

[Sammlung Jan Musekamp]

06-03-Soldaten_Oder ©Christian Thiel

Der Abzug der Westgruppe Streitkräfte aus dem wiedervereinigten Deutschland war ein logistisches Großprojekt. Mehr als 500.000 Soldaten und deren Angehörige sowie Waffen und sonstige militärische Ausrüstung mussten transportiert werden. Erst 1994 wurde mit einer Zeremonie der letzte Zug verabschiedet. Die Soldaten sagten Deutschland Lebewohl, indem sie Münzen aus dem Zug in die Oder warfen.

[Aufnahme: Christian Thiel]

06-04-SU-Baldauf_1 ©Klaus Baldauf

Abschiedszeremonie auf dem Bahnsteig in Frankfurt (Oder), 1994.

[Aufnahme: Klaus Baldauf]

Das sowjetische Militär in Frankfurt (Oder)

Mit Kriegsende 1945 übernahm das sowjetische Militär die Kontrolle über den Frankfurter Bahnhof, denn er war für sie wichtiger Brückenkopf von und nach Berlin. Auch wenn der Betrieb bald wieder auf die Reichsbahn überging, blieb das Militär bis in die 1990er Jahre auf dem Bahnhof präsent. Frankfurts Lage machte ihn zum Knotenpunkt im militärischen Verkehr, dessen Bedeutung auch den westlichen Geheimdiensten nicht verborgen blieb.

Zwischen 1945 und 1990 hat der Frankfurter Bahnhof seine größte weltpolitische Bedeutung erfahren. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Frankfurt plötzlich nicht nur Grenzbahnhof, sondern lag auch an der strategisch wichtigen Ost-West-Strecke nach Brest in der Sowjetunion. Wie auch für die vielen Vertriebenen, die nach 1945 ihre Heimat in den ehemaligen deutschen Ostgebieten verlassen musste, und die Kriegsgefangenen, von denen viele erst Jahre nach Kriegsende aus sowjetischer Gefangenschaft zurückkehren konnten, war Frankfurt auch für das sowjetische Militär das Verbindungsglied zwischen dem Osten und Deutschland. Die besondere Bedeutung lässt sich auch daran ablesen, dass die Strecke Berlin-Frankfurt (Oder) im Gegensatz zu vielen anderen Bahnstrecken nach dem Krieg nicht von Demontagen im Rahmen von Reparationsleistungen betroffen war. Sie war schließlich selbst eine Hauptachse für den Transport der Reparationsgüter. Die Besatzungsmacht legte dabei großen Wert darauf, dass die Züge mit Reparationsgütern effizient und schnell voran kamen. Eigens hierfür wurden Kolonnen aus den erforderlichen Zügen und Eisenbahnern gebildet, die für den reibungslosen Ablauf verantwortlich waren und unter der ständigen direkten Überwachung durch das Militär standen. In Frankfurt alleine standen mehr als 1.400 Eisenbahner im sogenannten „Kolonnendienst“.

Im Mai 1945 wurde die Strecke für kurze Zeit sogar auf russische Breitspur „umgenagelt“, um eine durchgängige Verbindung für sowjetische Militärzüge von Moskau nach Berlin herzustellen. Eigens für Stalins Anreise im Sonderzug zur Potsdamer Konferenz wurde das Breitspurgleis im Juli bis Potsdam verlängert. Im gleichen Maße wie sich die Aufgabe der sowjetischen Streitkräfte in Deutschland bald wandelte, veränderte sich auch der Verkehr durch den Frankfurter Bahnhof. Während die Sowjetarmee anfangs vor allem Besatzer im Ostteil des besiegten Deutschland war, wandelte sich auch das Selbstverständnis der Streitkräfte für ihre Präsenz in Deutschland hin zur Rolle der Schutzmacht im Konflikt zwischen Ost und West. Züge mit Reparationsleistungen und Transporte von Kriegsgefangenen aus der Sowjetunion nach Frankfurt wurden Anfang der 1950er Jahre immer seltener, gleichzeitig nahm der internationale Güterumschlag zu. Für die steigenden Importe und Exporte im internationalen Handel mit den anderen sozialistischen Staaten wurde 1954 der Grenzbahnhof Oderbrücke eingeweiht, an dem die Übergabe der Züge zwischen Reichsbahn und der polnischen Eisenbahn vonstatten ging.[i]

Durch den Frankfurter Bahnhof wurden jedoch nicht nur Reparations- und Rüstungsgüter befördert. Er entwickelte sich zu einer Durchgangsstation für eine ganz spezielle Art “Pendler”. Die Soldaten der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland passierten die Stadt beinahe zwangsläufig auf ihren oft wochenlangen Transporten zwischen Heimat und Einsatzort – selbst dann, wenn sie nicht in einer der Frankfurter Kasernen dienten. Meist erfuhren sie erst in Frankfurt, wo genau in der DDR ihr Einsatzort war. Die Erfahrungen der Soldaten unterschieden sich besonders nach ihrem Dienstgrad. Das Offizierskorps bestand fast ausschließlich aus Russen aus dem europäischen Teil, hingegen waren bei den Wehrpflichtigen auch insbesondere Ukrainer und Belorussen stark vertreten. Offiziere genossen während ihres Dienstes in der DDR Privilegien, die den Wehrpflichtigen vorenthalten blieben: Private Fernsehgeräte wurden bei ihnen häufig geduldet und es war ihnen erlaubt, außerhalb der Dienstzeit das Gastland auf eigene Faust zu erkunden.

Während Frankfurt für die Offiziere und ihre Familien das Tor in den (wenngleich seltenen) Heimaturlaub bedeutete, blieb dies für die große Gruppe der rangniedrigeren Wehrpflichtigen in weiter Ferne. Anspruch auf Urlaub oder Ausgang bestand für sie nicht; das Militär scheute den logistischen Aufwand für die Urlaubertransporte. Nur als besondere Auszeichnung konnte den Wehrpflichtigen einmalig 10 Tage Urlaub während der zwei Jahre Dienst in der DDR gewährt werden, doch in der Praxis kam selbst dies kaum vor. Ihr zweijähriger Dienst in Deutschland war daher ein Leben in der Parallelwelt der Kaserne, weitgehend abgeschottet vom Alltagsleben sowohl in der DDR wie auch in der Heimat. Für die Verbindung nach Hause und zur Familie blieb ihnen oft nur der Postweg, und selbst das Schreiben eines Briefes an die Eltern erfolgte nur auf Befehl. [ii]

Die besondere Bedeutung des Frankfurter Bahnhofs blieb auch dem amerikanischen Geheimdienst CIA nicht verborgen. So wurde Frankfurt (Oder) auch im Kleinen Schauplatz der Spionageaktivitäten im Kalten Krieg: Die CIA protokollierte akribisch jeden militärischen Zugverkehr durch Frankfurt. Informationen über Truppentransporte wurden ebenso gesammelt wie Details über bauliche Veränderungen der Bahnanlagen. Aus Hunderten ursprünglich geheimen, aber mittlerweile veröffentlichten Berichten des Geheimdienstes aus den frühen 1950er Jahren geht hervor, wie Informanten die Nutzung des Grenzbahnhofs durch die sowjetischen Streitkräfte protokollierten und in die USA weiterleiteten. Mitten durch das geteilte Deutschland lief die Front des Kalten Krieges und aus den Bewegungen konnten schließlich Rückschlüsse gezogen werden auf die Aktivität der Armee auf dem Gebiet der DDR sowie die Stärke von Truppen und Rüstung und somit indirekt auf die aktuelle Bedrohungslage. Neben dem Rüstungs- und Truppenverkehr war noch eine andere Kategorie Transporte für die Amerikaner interessant: Uranerz-Lieferungen aus dem Erzgebirge in die Sowjetunion, die bald zur wichtigsten Rohstoffquelle für das sowjetische Atomprogramm wurden.

Die Lage änderte sich erst nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und der deutschen Wiedervereinigung. Im Rahmen des Zwei-plus-Vier-Vertrages wurde der vollständige Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus Deutschland bis 1994 vereinbart. Einen Monat später folgte im Oktober 1990 der Aufenthalts- und Abzugsvertrag zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion, der die Modalitäten hierfür regelte. Der Abzug war ein logistisches Großprojekt: Mehr als 500.000 Soldaten und deren Angehörige sowie Waffen und sonstige militärische Ausrüstung mussten transportiert werden. Die Soldaten wurden überwiegend per Bahn in die Heimat gebracht und so wurde für viele von ihnen Frankfurt als letzte Station im ehemaligen Einsatzland zum Ort des Abschieds von Deutschland. Ursprünglich hatte die sowjetische Armee vorgesehen, auch den Großteil der Gütertransporte über die Eisenbahn abzutransportieren, doch es kam zu Streitigkeiten mit Polen über den Transit. Die polnischen Bahnen forderten nun erhöhte Transitgebühren für die Durchfahrt durch polnisches Staatsgebiet, sodass stattdessen der überwiegende Teil des schweren Geräts über die Ostsee verschifft wurde. Trotz dieser Widrigkeiten konnte 1994, wie vereinbart, der letzte Zug mit einer Zeremonie im Bahnhof Berlin-Lichtenberg verabschiedet werden.[iii]  Noch heute können von Zeit zu Zeit militärische Transporte durch den Bahnhof Frankfurt (Oder) beobachtet werden, wenn auch unter stark veränderten Vorzeichen: Nun handelt es sich um amerikanische Panzer, die zu Militärübungen im NATO-Partnerland Polen transportiert werden.[iv]



[i]     Vgl. Werner Benecke, „Großer Bahnhof 1950“, Erinnerungsort Bahnhof Frankfurt (Oder), http://erinnerungsort-bahnhof-frankfurt-oder.de/?p=10 (abgerufen am 27.02.2018).
[ii]    Vgl. Christian Th. Müller, „O' Sowjetmensch! Beziehungen von sowjetischen Streitkräften und DDR-Gesellschaft zwischen Ritual und Alltag,“ in: Christian Th. Müller und Patrice G. Poutrus (Hg.), Ankunft – Alltag – Ausreise: Migration und interkulturelle Begegnung in der DDR-Gesellschaft (Köln: Böhlau, 2005), 17-134.
[iii]   Vgl. Ilko-Sascha Kowalczuk und Stefan Wolle, Roter Stern über Deutschland: Sowjetische Truppen in der DDR (Berlin: Ch. Links, 2001), 206-240.
[iv]   Siehe dazu z.B.: Dietrich Schröder, “US-Panzer rollen durch Brandenburg”, Märkische Oder-Zeitung 23.12.2016, http://moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1539742/ (abgerufen am 27.02.2018).

Klaus-Jürgen Funk (Frankfurt/Oder), vormals Messingenieur der Deutschen Post, zu Fahrten zwischen DDR und West-Berlin vor dem Mauerbau