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Der Lockdown als „harte Version eines intellektuellen Traums“ –Prof. Dr. Étienne Jollet gibt Online-Kurse aus einer norditalienischen Villa

Zwischen Olivenhainen und Weinbergen in der Toskana sitzt Prof. Dr. Étienne Jollet derzeit fest. Der Kunsthistoriker und Viadrina-Gastprofessor reiste im Februar in die idyllisch gelegene „Villa I Tatti“ – ein Zentrum für italienische Renaissance-Studien der Harvard University in der Nähe von Florenz – um ein Buch fertigzustellen. Nun lehrt er seine Viadrina-Seminare aus der italienischen Quarantäne heraus.

Gleißendes Sonnenlicht, Reihen von Zypressen hinter akkurat geschnittenen Hecken, rundherum weiche toskanische Hügel. Die Bilder, die Étienne Jollet aus seinem derzeitigen Domizil schickt, sehen wie ein Traum vieler Toskana-Touristen aus. Doch eigentlich wollte der Kunsthistoriker längst zurück an der Viadrina sein und unterrichten. Der Corona-Lockdown in Italien kam ihm dazwischen. „Ich habe einen guten Monat in der riesigen Berenson Bibliothek mit ihren 300.000 Bänden gearbeitet, bevor die Einrichtungen – so wie ganz Italien – geschlossen wurden“, berichtet der Viadrina-Gastprofessor. Seitdem hat er keinen Zugang zu Bibliotheken und Archiven.

IMG_20200206_153640_600er ©privat

So bleibt der Professor in seinem Zuhause auf Zeit. „Was mir bleibt, sind Spaziergänge in der wunderschönen Landschaft – für die Gesundheit und die Moral“, resümiert er. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie werden für den Kunsthistoriker deutlich, wenn er sich in die Schlange vor dem Lebensmittelgeschäft einreihen und – seit einer Woche Pflicht – eine Maske aufsetzen muss. Am schmerzhaftesten für ihn: inmitten all der weltberühmten Kulturstätten der Toskana diese nicht besuchen zu dürfen.

„Tatsächlich erscheint mir der Lockdown aber auch als harte Version dessen, wie sich Intellektuelle ihr Leben erträumen: am Schreibtisch in himmlischer Ruhe über die wirklich wichtigen Dinge im Leben nachdenken“, beschreibt Étienne Jollet seine derzeitige Lage. Ein Diskurs über Leben, Tod und menschliche Werte, der oftmals abgehoben erscheine, habe auf einmal Relevanz im Alltag der allermeisten. „Es ist eine einzigartige Gelegenheit, um umfassend unsere Lebensart zu hinterfragen – individuell und kollektiv“, findet der Geisteswissenschaftler.

Etienne Jollet ©privat

Seit dem 14. April hat Étienne Jollet eine neue, ganz konkrete Aufgabe in seinem norditalienischen Exil: Er gibt Seminare für Viadrina-Studierende. Auf Englisch („Art and History from the Renaissance to the present days“) und Französisch („Art et pouvoir de la Renaissance à nos jours“) unterrichtet er über Online-Kanäle wie Zoom, Team und BigBlueButton. „Wir experimentieren noch mit den Kommunikationswegen aber es funktioniert, auch dank der Geduld der Studierenden“, berichtet er. Wie Referate auch auf diesem Weg gelingen sollen, sei für ihn der nächste spannende Schritt.

Sobald die Viadrina wieder ihren Präsenzbetrieb aufnimmt, will Étienne Jollet zurück nach Deutschland reisen. Dort wird er sein letztes Semester als Gastprofessor im Rahmen des Programms Pensées Françaises Contemporaines vollenden. Seit dem Wintersemester 2018/2019 ist er zu Gast an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät. (FA)

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