Geleitwort des Ministers H. Enderlein
Die Gründung der neuen Viadrina als Europa-Universität -
Geleitwort des Ministers für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg a.D., Hinrich Enderlein
"Mit der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) gründen wir nicht nur eine Hochschule. Wir setzen darüber hinaus ein Zeichen gegen Mutlosigkeit und Verzagtheit. Wir setzen insgesamt auf eine Bildungsoffensive in Brandenburg und in den neuen Ländern." Mit diesen Worten habe ich am 6. September 1991 die Europa-Universität in Frankfurt feierlich eröffnet, die an die Traditionen der ersten brandenburgischen Landesuniversität in Frankfurt (Oder) anknüpft.
Als wir den Entschluß faßten, diese Universität zu gründen, hat es einige warnende Stimmen gegeben. Alle Konzepte einer deutschen Europa-Universität waren bisher im Planungsstadium steckengeblieben und nicht ins Freie gekommen. Wir wissen heute, kaum mehr als zwei Jahre nach der Gründung, daß unser Mut und unser Optimismus gerechtfertigt waren. Über 1000 Studenten aus sieben Nationen studieren mittlerweile an Frankfurts Alma mater, die drei geplanten Fakultäten sind gegründet, die vorgesehene Fächerstruktur ist geschaffen, Professoren sind berufen, wenn auch noch nicht alle. Ein Löwenanteil der ausgeschriebenen Stellen ist besetzt, die Universität konnte bereits zu Beginn des zweiten Studienjahres in die akademische Selbständigkeit entlassen werden. Dies ist eine Leistung, für die es meines Wissens kein Beispiel in der Universitätsgeschichte gibt.
In vielen Gesprächen mit Bürgern unseres Landes konnte ich zu meiner Freude erfahren, daß die Menschen wieder stolz sind auf ihre neue, alte Viadrina. Die Gründung wurde sehr wohl als Signal für den Aufbau einer brandenburgischen Bildungs- und Hochschullandschaft verstanden. Aber das faszinierende dieser europäischen Lehr- und Forschungsstätte sind die in vieler Hinsicht vorgesehenen Grenzüberschreitungen. An der deutsch-polnischen Schicksalsgrenze baut sie Brücken: schon heute studieren fast 400 polnische Studenten gemeinsam mit deutschen Kommilitonen. Auch in Zukunft wird die Viadrina in allen Studiengängen mindestens ein Drittel polnische Studierende aufnehmen. Einmalig wird das Angebot des Collegium Polonicum sein.
An der Grenze zwischen West- und Osteuropa wird die Universität zur europäischen Integration beitragen: sie will bewußt interdisziplinär arbeiten und den Blick über die engen Grenzen hinaus in europäische Dimensionen öffnen. Europa ist Lehr- und Forschungsgegenstand, nicht allein Berufsfeld. Insofern ist die Europa-Universität auch eine politische Gründung: gegen engstirnige Nationalismen und für ein gemeinsames Zusammenleben in einem den alten Westen wie den neuen Osten umfassendes Europa. Ich weiß, daß die Bürger Brandenburgs und die Jugend Europas die Botschaft der Europa-Universität in Frankfurt (Oder) verstanden haben.