Platz für die Zukunft: FutureLab und Sommerschule Viadrinicum vernetzen Stadtgesellschaft und Universität

Die seit 2015 im August stattfindende Sommerschule Viadrinicum befasste sich vom 15. bis 28. August 2022 mit der Rolle von Universitäten in Kriegszeiten. Das FutureLab vom vom 1. bis 14. August 2022 rückte mit einer urbanen Intervention soziale und gestaltende Architektur ins Zentrum der Doppelstadt Frankfurt (Oder) und Słubice.

Auf die Brache zwischen Kleiner Oderstraße und Słubicer Straße in Frankfurt (Oder) zog im August neues Leben ein: Die Viadrina veranstaltete im Vorfeld der diesjährigen Sommerschule Viadrinicum in den ersten beiden Augustwochen das „FutureLab“. Auf dem Platz, der als möglicher Standort für ein Zukunftszentrum gilt, gestalteten und bebauten Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern, Studierende sowie Bürgerinnen und Bürger aus der Doppelstadt gemeinsam mit Architektinnen und Architekten vom „Kollektiv Plus X“ einen einladenden, lebendigen Ort. „Mit unserem Projekt rücken wir Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration ins Zentrum“, erklärte Stefan Henkel, Organisator des FutureLab. Zentral sei, geflüchtete Menschen nicht auf den Status als Hilfesuchende zu reduzieren, sondern ihr Wissen, ihre Wünsche und Vorstellungen bei der planerischen Mitwirkung einer urbanen Intervention an einem zentral gelegenen Ort in Frankfurt (Oder) einzubringen. Nachdem die Teilnehmenden in der ersten Woche aus Baugerüsten und Einlegeböden eine temporäre Architektur geplant und gebaut hatten, entstanden in der zweiten Woche (Stadt-)Möbel, die nach Ende der Sommerschule an lokale Initiativen verschenkt wurden, u. a. an das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst (BLMK).

Menschen und Ideen vernetzen

Auf dem Zukunftsplatz direkt neben der Oderbrücke wurde beim FutureLab aber nicht nur an Möbeln gearbeitet. Den Veranstalterinnen und Veranstaltern gelang es, gemeinsam mit den Teilnehmenden einen offenen und partizipativen Raum entstehen zu lassen. Anwohnerinnen und Anwohner, Menschen aus der Ukraine und Angehörige der Viadrina kamen mit einander ins Gespräch – eine Begegnung, die sonst nicht stattgefunden hätte.  „Ich habe hier nicht nur Holzmöbel gebaut, sondern auch einen demokratischen Ort“, sagte Vincent Zimmer, Filmemacher und Teil des „Kollektivs Plus X“. „Leute, die zufällig vorbeikamen, fragten uns, was wir hier machen und schon waren wir mitten in einem Gespräch über Stadtentwicklung.“ Toralph Weise von der Eberhard-Schöck-Stiftung leitete bei der Sommerschule das Planungslaboratorium. Ihm gefiel, dass sich während des FutureLab und der Sommerschule nicht nur Menschen unterschiedlicher Nation und Herkunft vernetzen, sondern auch Ideen. „Dazu ist die Doppelstadt Frankfurt (Oder) und Słubice besonders gut geeignet“, unterstrich er. Die Eberhard-Schöck-Stiftung förderte gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend und der Stiftung zur Förderung des Bauwesens (Kyjiw) das FutureLab.

Sommerschule Viadrinicum: „University in Ruins. Scaffolding Futures”

In den beiden folgenden Wochen nutzen die 30 Teilnehmenden der Sommerschule Viadrinicum aus der Ukraine, Polen, dem Kosovo, Italien und Belarus die während des FutureLab entstandene Architektur. Seit 2015 findet die internationale Sommerschule an der Europa-Universität statt.

Angesichts von Russlands Krieg gegen die Ukraine hatte das Organisationsteam den Fokus der Sommerschule kurzfristig angepasst. Zur Eröffnung der Sommerschule verwies Viadrinicum-Organisator Stefan Henkel auf das titelgebende Buch „The University in Ruins“ von Bill Readings: „Aus der Metapher ist schreckliche Realität geworden.“ Schon im März war eine der ukrainischen Partner-Universitäten der Viadrina in Charkiw teilweise zerstört worden. Was bedeutet dieser Krieg für Universitäten, Wissenschaft und Studierende? Welche Art der Wissensproduktion ist jetzt nötig und möglich? Um diese Fragen drehten sich die Veranstaltungen während der Sommerschule.

Viadrina-Präsidentin Prof. Dr. Julia von Blumenthal betonte zur Begrüßung die Rolle, die die Viadrina seit dem russischen Angriff auf die Ukraine einnehme: „Es geht für uns darum, ukrainische Partner zu unterstützen, den Krieg zu überleben und einen sicheren Ort für Kolleginnen und Kollegen zu schaffen.“ Gleichzeitig sei die Sommerschule ein gutes Beispiel, wie Akteure verschiedener Sphären schon heute über den Wiederaufbau nachdenken und die besondere Rolle von Universitäten dabei berücksichtigen.

Vor Ort wurde mit verschiedenen Ansätzen gearbeitet: Es entstanden Kurzfilme zu Fragen der Stadtentwicklung, stadtplanerische Analysen und Vorschläge rund um den Zukunftsplatz an der Stadtbrücke zwischen Frankfurt (Oder) und Słubice, Interviews mit Anwohnerinnen und Anwohnern sowie Installationen.

Droht der Ukraine ein „braindrain“?

Gemeinsam mit dem Zentrum für Osteuropa und internationale Studien (ZOiS) organisierte die Europa-Universität im Rahmen der Sommerschule eine englischsprachige Diskussion darüber, wie der Krieg das Hochschulleben in der Ukraine trifft und welche Perspektiven aus der aktuellen Situation entstehen. Dr. Svitlana Shlipchenko, Leiterin des Center for Urban Studies in Kyjiw, warnte vor einem „braindrain“ – es brauche deshalb Hilfe für Akademikerinnen und Akademiker innerhalb der Ukraine. Dr. Tymofii Brik, Soziologe und Rektor der Kyiv School of Economics betonte, dass es bei dem aktuellen Krieg nicht nur um die Ukraine gehe, sondern um die Sicherheit weltweit; dies bedürfe einer globalen Perspektive. Prof. Dr. Felix Ackermann, Viadrina-Alumnus und Professor für Public History an der Fernuniversität Hagen, drängte darauf, Hilfe und die Partnerschaften, die nun mit den Universitäten in der Ukraine geschlossen würden, dauerhaft zu installieren.

viadrinicum6 ©Stefan Henkel

Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Sommerschule Viadrinicum 2022 – Foto: Stefan Henkel


Öffentlichen Raum vielfältig nutzen

Zum Abschluss der Sommerschule präsentierten die Teilnehmenden am 27. August ihre Projekte öffentlich auf dem Zukunftsplatz. Stefan Henkel, Organisator von FutureLab und Sommerschule zieht ein positives Fazit der Veranstaltungen: „Eine urbane Intervention organisiert von Seiten der Universität in Kooperation mit der lokalen Stadtgesellschaft und den Urbanisten vom Kollektiv Plus X war absolutes Neuland für uns. Aber es hat sich gelohnt! Denn es konnte ein gemeinsamer, sehr diverser Raum des Lernens geschaffen werden: Sowohl Nachbarn, lokale zivilgesellschaftliche Initiativen als auch die Teilnehmenden der Sommerschule konnten den Zukunftsplatz gemeinsam nutzen: als Diskussionsort, Bühne für Live-Musik, Open-Air-Kino, Ausstellungsfläche, aber auch als Seminarraum für wissenschaftlichen Austausch. Es hat uns gezeigt, dass der öffentliche Raum vielseitiger genutzt werden könnte, und auch der Universität die Möglichkeit bietet, enger mit verschiedenen Akteuren der Stadtgesellschaft zusammenzuarbeiten.“

Die Sommerschule Viadrinicum fand 2022 in Kooperation mit dem Zentrum für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS, Berlin), dem Center for Urban Studies (Kyjiw), der Adam-Mickiewicz-Universität Poznań und dem AStA der Viadrina statt mit Unterstützung der Eberhard-Schöck-Stiftung, der Stiftung zur Förderung des Bauwesens (Kyjiw), der Deutsch-Polnischen Wissenschaftsstiftung (DPWS) sowie des Goethe-Institut Ukraine.

(YM/FA)

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