Lernen, hinterfragen, verändern – Aktionstage geben Denkanstöße gegen Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit

Wie lässt sich weibliche Wut gegen Ungerechtigkeiten nutzen? Was mache ich gegen sexistische Sprüche auf der Straße? Und inwieweit werden queere Eltern systematisch diskriminiert? Um diese und weitere Fragen ging es bei den Aktionstagen gegen Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit, zu denen der Allgemeine Studentische Ausschuss (AStA) der Viadrina vom 10. bis 16. Januar eingeladen hatte. Im Zentrum stand dabei die Hinterfragung von patriarchalen Strukturen aus unterschiedlichen Perspektiven.

Als „laute, hysterische Frau“, der niemand zuhört, stand die Mutter von Ciani-Sophia Hoeder einst an der Supermarktkasse und beschwerte sich über einen falsch eingegebenen Preis. Die Journalistin und Autorin schilderte diese Szene am Sonntagvormittag in der Online-Lesung aus ihrem Buch „Wut und Böse“ sehr anschaulich. „Mir war das peinlich, auch wenn ich diese Wut kannte. Doch ich drückte sie herunter und wurde davon sehr müde“, erzählte Ciani-Sophia Hoeder im Gespräch mit Melanelle B. C. Hémêfa. Die Szene geht für Ciaini-Sophia Hoeder weit über das individuelle Erlebnis hinaus. „Es gibt eine tiefe kulturelle Angst vor wütenden Frauen“, so ihre These. Denn: Wo keine Wut, da auch keine Gefahr, dass Veränderungen eingefordert werden. Und so werde Frauen suggeriert, sie sollten ihre Wut lieber wegmeditieren. Essstörungen, Angstzustände und Depressionen sieht die Autorin als Folgen dieser internalisierten Emotion.

CianiSophiaHoderArneHube_hanserblau ©Arne Hube / hanserblau

Autorin und Journalistin Ciani-Sophia Hoeder,                                       Foto: Arne Hube/hanserblau


Doch die Lesung zum Abschluss der „Aktionstage gegen Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit“ blieb nicht in der Zustandsbeschreibung stecken. Ciani-Sophia Hoeder plädierte dafür, weibliche Wut und vor allem die Gründe dafür anzuerkennen. Sie ist überzeugt: „Wut schützt vor Ungerechtigkeit“. Es gelte, sich über die Gründe der Wut bewusst zu werden und dann etwas dagegen zu tun. „Die Selbstwirksamkeit ist entscheidend“, betont die Autorin. Sie selbst nutze dafür Texte, unter anderem in dem von ihr gegründeten Magazin „RosaMag“, eine Online-Zeitschrift für Schwarze Frauen.

Paula Collage_600 ©Screenshot: Frauke Adesiyan

Über das Abstammungsrecht berichteten Lea Beckmann (oben links) von der Gesellschaft für Freiheitsrechte und die Anwältin Lucy Chebout (oben rechts) auf Einladung der Kritischen Jurist*innen Annabel Buschhorn (unten rechts) und Johanna Mayrhofer.


Eine mit rund 70 Teilnehmenden besonders gut besuchte Veranstaltung in dem einwöchigen Online-Programm war ein Gespräch am Dienstag, dem 11. Januar, zu dem die Kritischen Jurist*innen an der Viadrina eingeladen hatten. Die neu gegründete Initiative hatte die Juristinnen Lea Beckmann und Lucy Chebout gebeten, über ihren Einsatz für eine rechtliche Gleichstellung queerer Eltern zu sprechen und das aktuell in Deutschland geltende Abstammungsrecht zu erklären. Das deutsche Abstammungsrecht, das die Elternschaft regelt, wurde – anders als in anderen europäischen Ländern – im Rahmen der „Ehe für alle“ nicht angepasst. Während ein Ehemann automatisch als Vater des Kindes eingetragen wird, das seine Frau zur Welt bringt (auch wenn er nicht der biologische Vater ist), muss eine lesbische Partnerin das Kind, das ihre Frau geboren hat, im Rahmen eines aufwendigen Adoptionsverfahrens anerkennen lassen. „Das verletzt die Grundrechte und diskriminiert Kinder aus queeren Familien“, betonte Lea Beckmann von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, die gemeinsam mit der Rechtsanwältin Lucy Chebout in mehrere Rechtsprozesse in dieser Sache involviert ist, die teilweise bis an das Bundesverfassungsgericht führten.

Die beiden Juristinnen berichteten anschaulich und engagiert von ihrer Arbeit, die als strategische Prozessführung eingebettet ist in gesellschaftliche Bewegungen wie die Initiative „Nodoption“. Lea Beckmann appellierte an die vielen jungen Juristinnen und Juristen im virtuellen Raum: „Familienrecht ist ein so wichtiges Feld, das zu Unrecht unterschätzt wird. Wir brauchen ganz viele kritische Jurist:innen um später kritische und mutige Richter:innen zu haben.“

Sexismus_600 ©Screenshot: Frauke Adesiyan

Laura Giardina von der Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft (EAF) führte durch den Workshop über Alltagssexismus.


Um Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes ging es auch in einem Workshop über Alltagssexismus, der praktische Handreichungen bot, wie Frauen anzüglichen Sprüchen auf der Straße oder übergriffigem Verhalten am Arbeitsplatz begegnen können. Ein Vortrag im Anschluss behandelte die verheerendsten Auswüchse der Frauenfeindlichkeit und klärte über Femizide und die Berichterstattung über diese Morde an Mädchen und Frauen auf.

„Bei unseren Veranstaltungen sind emotionale, generationsübergreifende Gespräche entstanden“, zog Klara Wiedemann, AStA-Referentin für Gleichstellung und Soziales, am Ende der Aktionswoche ein Fazit. Dieser Austausch sei extrem berührend und bestärkend für ihre eigene Arbeit. „Gerade im universitären Kontext haben wir das Privileg, uns weiterbilden zu können, unterschiedliche Perspektiven kennenzulernen und normalisierte Strukturen zu hinterfragen“, betonte sie die Bedeutung der Aktionstage. Sie wolle Anreize schaffen, um diese Weiterbildung, vor allem zu geschlechterspezifischer Diskriminierung anzuregen.
(FA)

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