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Das letzte Vorzeigeprojekt der DDR – Studierende erforschen Kunst am Bau in der Großen Scharrnstraße

Der nördliche Abschnitt der Großen Scharrnstraße gilt als Krönung des Umbaus des Frankfurter Zentrums in den 1980er Jahren. Im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit der Wohnungsbaugenossenschaft Frankfurt (Oder) eG haben Viadrina-Architekturhistoriker Prof. Dr. Paul Zalewski und seine Studierenden Künstlerinnen und Künstler interviewt, die die Fußgängerzone der Großen Scharrnstraße mitgestaltet haben. Die Ergebnisse sind Grundlage für eine neue Internetseite und Informationstafeln in der Straße.

Ein Hauch Mittelmeergefühl weht über den von Antje Scharfe gestalteten Platz in der Großen Scharrnstraße. Bänke, Boden und Fassade hat die Keramikerin mit Fliesen überzogen und damit eine Vielfalt an geometrischen Mustern erzeugt, die heute nur noch verblasst zu sehen ist. Inspiriert wurde die Künstlerin von einer Italien-Reise, zu der sie 1986 anlässlich einer Keramik-Ausstellung aufbrach. Zwei Jahre später war ihr Kunstwerk Teil des Vorzeigeprojektes Große Scharrnstraße – bis heute ein unvergleichliches Freiluft-Museum für Kunst im öffentlichen Raum aus den letzten Jahren der DDR. >>>weiterlesen

Antje Wilke bei der Einweihung der Info-Stelen in der Großen Scharrnstraße / Antje Wilke und Saskia Heller auf dem von Antje Scharfe gestalteten Platz / Teilnehmende des Seminars bei einem Besuch im Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst                               Fotos: Paul Zalewski/Lotta Storm


Um auf diese gestalterische Leistung aufmerksam zu machen, ist in Kooperation der WohnBau mit der Professur für Denkmalkunde von Prof. Dr. Paul Zalewski die Internetseite  https://kunst-im-vorbeigehen.de entstanden. Sie vereint eindrucksvolle Bilder und prägnante Texte über die Kunst sowie die Künstlerinnen und Künstler dieser Straße. Die Inhalte beruhen auf Interviews, die Studierende im Rahmen von zwei Seminaren mit den Kunstschaffenden geführt haben.

Dass man auf dieser Seite unter anderem von Antje Scharfes italienischer Inspiration erfährt, ist der Studentin Antje Wilke zu verdanken. Sie ist zu der Künstlerin nach Zepernick gefahren und hat sich in deren Atelier alte Materialien zeigen und die persönliche Schaffensgeschichte erzählen lassen. Die Begegnungen mit der Künstlerin, aber auch mit dem maßgeblich für die Straße verantwortlichen, früheren Stadtarchitekten Manfred Vogler, haben die Masterstudentin beeindruckt. „Es ist cool, dass wir dafür verantwortlich sind, Informationen zu sammeln, die so noch nicht festgehalten wurden“, sagt sie. Die Interviews, die sie und ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen geführt haben, spiegeln individuelle Lebens- und Schaffensgeschichten sowie die biografischen Umbrüche der Wendezeit wider. Festgehalten werden sie nicht nur auf der Internetseite, die in den kommenden Monaten noch ergänzt wird. An beiden Enden der Fußgängerzone stehen Informationstafeln über die künstlerischen Besonderheiten der Großen Scharrnstraße; eine weiterführende Ausstellung ist geplant.

Für Paul Zalewski war das Kooperationsprojekt nicht die erste Beschäftigung mit der Großen Scharrnstraße. Er hat bereits 2014 einen Aufsatz dazu veröffentlicht und 2017 die Ausstellung „Was macht die Kunst, Frankfurt (Oder)?“, mitgestaltet, die für großes Interesse in der Doppelstadt und in den Medien sorgte. Ihn fasziniert der historische Zeitpunkt, zu dem dieser kurze, einmalige Straßenzug entstand. „Keiner konnte wissen, dass die Wende bevorsteht, aber im Zeitalter der ,Perestroika‘ lag etwas in der Luft, der gedankliche Pluralismus der Künstlerinnen und Künstler wurde zugelassen.“ Die Kunstwerke sind für ihn vor allem Anlass, um mit Kunstschaffenden zu sprechen und die historisch besondere Zeit der letzten DDR-Jahre zu betrachten.

Für Antje Wilke und Paul Zalewski ist die Beschäftigung mit der Kunst im öffentlichen Raum auch eine Möglichkeit für einen differenzierten Diskurs über den Alltag in der DDR. „Trotz einer vorgegebenen Beziehung zwischen dem Politischen und Privaten leuchten hier interessante Beispiele für einen Eigensinn der Kunst und Stadtplanung auf“, gibt Paul Zalewski zu bedenken.
(FA)

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