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US-Anklage gegen Spiel-Entwickler Epic Games zitiert Viadrina-Studie über Fortnite – Prof. Dr. Georg Stadtmann im Interview

In den USA wird der Online-Spiel-Gigant Epic Games von Eltern verklagt. Der Vorwurf: Minderjährige werden in dem Spiel Fortnite dazu gebracht, Geld in Form einer virtuellen Währung auszugeben. Die Klageschrift zitiert eine Studie, die Prof. Dr. Georg Stadtmann gemeinsam mit Doktorand Timo Schöber über das Geschäftsmodell von Fortnite verfasst hat. Im Interview erklärt der Wirtschaftswissenschaftler, wie der Konzern mit Fortnite viel Geld verdient.

Herr Stadtmann, waren Sie überrascht, in der aufsehenerregenden Sammelklage gegen Epic Games zitiert zu werden?
Ja, das waren wir. In unserer Analyse haben wir ja eigentlich aus betriebswirtschaftlicher Sicht geschaut, was hinter dem großen wirtschaftlichen Erfolg von Fortnite steckt. Allein 2018 verzeichnete das Spiel einen Umsatz von 2,4 Milliarden Dollar; der Marktwert von Epic Games wird auf 15 Milliarden Dollar geschätzt. Wir haben im Sinne einer best-practice-Fallstudie beschrieben, welche Geschäftsmodelle bei Fortnite erfolgreich umgesetzt werden.

Sie schreiben in der Studie von einer Geld-Illusion – genau dieser Punkt wird in der Klageschrift erwähnt. Was steckt dahinter?
Das Spiel kann kostenlos heruntergeladen werden, allerdings kann man sich dann sogenannte Skins –Uniformen – kaufen, außerdem Tanzbewegungen, Waffen und Fahrzeuge. Diese Dinge erwirbt man in der virtuellen Währung V-Bucks. Die Spielerinnen und Spieler nutzen reales Geld, um die virtuelle Währung zu kaufen. In den USA bekommt man 1.000 V-Bucks für 7,99 Dollar. Geldillusion bedeutet, dass man nicht mehr nachvollzieht, was der reale Preis der Ware ist, die man da kauft. Versuche zeigen, dass Menschen den Überblick verlieren, sobald der Wechselkurs nicht mehr leicht im Kopf zu überschlagen ist. Kinder – und das sind die Hauptnutzerinnen und -nutzer von Fortnite – können das überhaupt nicht. Sie haben kein Gefühl dafür, wie teuer das ist.

Wie bringt Fortnite seine Spielerinnen und Spieler darüber hinaus dazu, Geld auszugeben?
Zum einen wird künstlicher Zeitdruck erzeugt. So gibt es bestimmte Extras nur für 24 Stunden zu kaufen. Ein weiterer Faktor, den die Anklage auch zitiert, ist der „Keeping up with the Joneses“-Effekt. Die Jugendlichen vergleichen, wie ihre Avatare aussehen, so wie sie früher ihre Turnschuhe auf dem Schulhof verglichen haben. Eine Nutzerin sagte sinngemäß: Man könne durchaus mit der kostenlosen Uniform spielen, aber dann sei man eben Trash – also Abfall.

Sind diese Geschäftsmodelle weit verbreitet?
Ich schaue mir das im Rahmen einer weiteren Studie gerade für die zehn führenden Spiele an. Dazu gehört unter anderem Candy Crush und Pokémon Go. Wir versuchen die Ergebnisse von Fortnite dabei zu verallgemeinern und sehen sehr ähnliche Modelle: Die Spiele nutzen virtuelle Währungen mit Wechselkursen weit über Pari, die die Nutzerinnen und Nutzer schnell zu „Millionären“ werden lassen. Eine weitere Beobachtung ist der Einsatz von sogenannten irrelevanten Alternativen. Beispielsweise kann für 11 Euro ein Paket von 1.200 Einheiten erworben werden oder man kauft für 22 Euro 1.600 Einheiten. Das zweite Paket macht wirtschaftlich keinen Sinn, wird aber angeboten, weil die anderen Alternativen dann valider erscheinen. Das sind arge Marketing-Tricks, die offensichtlich weit verbreitet sind.

Was interessiert Sie an der wirtschaftlichen Analyse der virtuellen Spiele-Welt?
Ich spiele selbst – das ist das private Interesse. Professionell interessiert mich der transdisziplinäre Gedanke; das aktuelle Beispiel zeigt die Verknüpfung von juristischen, betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Überlegungen bis hin zu technischen Voraussetzungen durch die Digitalisierung.
(FA)
Die bereits erschienene Studie zum Nachlesen

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