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Auf dem Weg zu einem gesamtdeutschen Diskurs – Podiumsdiskussion über „Schatten der Einheit“

Dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung blickte die Konferenz „Schatten der Einheit?“ auf die deutsch-deutschen Beziehungen. Den Auftakt bildete eine digitale Podiumsdiskussion am 11. November. Das Gespräch von Dr. habil. Carolin Leutloff-Grandits (Wissenschaftliche Koordinatorin Grenzforschung, B/ORDERS IN MOTION) und Prof. Dr. Béatrice von Hirschhausen (Centre Marc Bloch) mit ihren Gästen über Trennlinien, Vergangenheitsentwürfe und Zukunftsperspektive der deutsch-deutschen Beziehungen ist jetzt online zu sehen.

Deutsche, die ihre Kindheit in der späten DDR erlebten, scheinen ein positives Selbstbewusstsein als Ostdeutsche entwickelt zu haben – so die Ausgangsthese der Podiumsdiskussion. Dieses zeigt sich auch in der Selbstbezeichnung „Dritte Generation Ost(deutsche)“, ein Begriff den das im Jahr 2010 von Dr. Adrianna Lettrari gegründete „Netzwerk 3te Generation Ostdeutschland“ aufgreift. Die Plattform bietet vor allem Ostdeutschen, die während der Wende aufwuchsen und die heutige Gesellschaft gestalten möchten, eine Plattform, sich zu vernetzen und auszutauschen.

Schatten_der_Einheit_14 ©Carolin Leutloff-Grandits

Dr. Daniel Kubiak promovierte über Identitätsbildung und „Othering“ von jungen Ostdeutschen und forscht und lehrt am Institut für Sozialwissenschaften der HU Berlin. Er hob hervor, dass sich das Bewusstsein ostdeutsch zu sein in Wellen ausdrücke – nämlich immer zu Jubiläumstagen oder in Publikationen. Er beschrieb, dass es die „Dritte Generation“ geschafft habe, den wissenschaftlichen Diskurs zu ändern, da sie einen anderen – ostdeutschen – Blick auf bestimmte Forschungsfelder einbringe. Zugleich räumte er ein, dass es sich dabei um einen „elitären“ Diskurs handele – „Forschung findet eben leichter im akademischen Raum statt, als an der Werkbank“.

Adrianna Lettrari stimmte ihm zu und hob hervor, dass Nachwendekinder in den vergangenen zwei Jahren häufig zur Thematik publiziert hätten. Die intergenerationelle Auseinandersetzung mit der Wendezeit sei ein aktuelles Forschungsthema, das sich auch innerhalb des Netzwerkes und auf andere Generationen auswirke.

Daniel Kubiak differenzierte zwischen den Zuschreibungen „ostdeutsch“ und DDR. So stünden auf der einen Seite der Schulunterricht und die teilweise abwertende mediale Darstellung, in denen die DDR vorrangig als Diktatur gezeigt werde und auf der anderen Seite die prägenden Erzählungen der Eltern, die wichtige Sozialisierungspartner sind. Kubiaks Forschungen hätten zudem gezeigt, dass ohne Probleme über den Osten gesprochen werden könne, jedoch gleichzeitig die Wahrnehmung fehle, dass es parallel Erfahrungen Westdeutscher gebe, die explizit westdeutsch seien. Um die deutsch-deutschen Beziehungen in ihrer Gesamtheit verstehen zu können, sei es daher unerlässlich, auch über „den Westen“ und „westdeutsch“ als eigene Identifikation zu sprechen.

Adrianna Lettrari hob abschließend hervor, dass die neuen Perspektiven wichtig seien, um gemeinsam einen Diskurs voran zu treiben, der nicht west- oder ostdeutsch, sondern gesamtdeutsch ist.

Eine Aufzeichnung der Podiumsdiskussion ist ab sofort online verfügbar.
Die Konferenz wurde von der Bundesstiftung Aufarbeitung und dem CIERA (Centre Interdisciplinaire d’études et de Recherches sur l’Allemagne) gefördert.

(CB)

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