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Autonomie in einer hochvernetzten Umgebung – Prof. Dr. Philipp Hacker für Arbeit über Datenprivatrecht geehrt

Die Deutsche Stiftung für Recht und Informatik (DSRI) hat den Viadrina-Juristen Prof. Dr. Philipp Hacker am 12. November mit ihrem Wissenschaftspreis geehrt. Anlässlich der Auszeichnung berichtet der Professor für Recht und Ethik der digitalen Gesellschaft an der European New School of Digital Studies (ENS) über die Brisanz datenschutzrechtlicher Fragestellungen für die digitale Wirtschaft.

Herr Hacker, Gratulation zur Auszeichnung für Ihre Habilitationsschrift „Datenprivatrecht –Neue Technologien im Spannungsfeld von Datenschutzrecht und BGB“. Was ist so dringlich an Ihrer Fragestellung?
Unterschiedliche Technologien – von Künstlicher Intelligenz über Tracking-Technologien bis zum Internet der Dinge – werden immer stärker verschmolzen zu einer allgegenwärtigen Vernetzungsumgebung, die man als Internet of Everything bezeichnen kann. Diese Technologien machen vor den Grenzen der herkömmlichen Rechtsgebiete keinen Halt. Daraus ergeben sich zwei zentrale Fragen: Einerseits muss in rechtlicher Hinsicht geklärt werden, wie das europäische Datenschutzrecht in andere Rechtsgebiete, zum Beispiel das Privatrecht, integriert werden kann. Andererseits müssen Wege gefunden werden, Selbstbestimmung und menschliche Autonomie auch in hochvernetzten Umgebungen und im Umgang mit autonomen technischen Agenten zu bewahren. Dies scheint mir für die Zukunft der digitalen Wirtschaft – und digitaler Prozesse allgemein – essenziell.

Was ist die zentrale Erkenntnis der Arbeit?
Auf rechtlicher Ebene stellt die Arbeit eine doppelte Dysfunktionalität des geltenden Datenschutzrechtes fest: Rationale Parteien mit niedrigen Datenschutzpräferenzen können angesichts der vielen Unwägbarkeiten der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) ihre Daten nicht rechtssicher als Gegenleistung einsetzen. Für alle anderen Nutzer scheitert das individuelle Kontrollregime der DS-GVO empirisch an einem „Zuviel“ an Information und strukturell an mangelnden Alternativen zu datenintensiven Diensten.

Welche Lösungsansätze gibt es?
Ich schlage in rechtspolitischer Hinsicht vor, ein umfassendes Recht auf die Nutzung von digitalen Diensten zu datenschonenden Konditionen anzuerkennen. Dafür bräuchte es eine klare Markierung der Unterschiede zwischen datenintensiven und datenschonenden Alternativen. Ein „privacy score“ ist denkbar, der die Intensität der Datenverarbeitung auf eine Zahl zwischen null und zehn bringt. Technische Ansätze dazu gibt es bereits.

Beschäftigt Sie das Thema weiter?
Dem komplexen Verhältnis von Datenschutzrecht und Privatrecht werde ich mich gerade mit Blick auf das heraufziehende Internet of Everything weiter widmen. Hier stehen demnächst erste Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes an, die zum Beispiel die Durchsetzung des Datenschutzrechtes neu definieren könnten. Auch in meiner Forschung zur geplanten KI-Regulierung auf europäischer Ebene werden diese Themen eine Rolle spielen.

Welche Bedeutung messen Sie dem Wissenschaftspreis der DSRI zu?
Der Wissenschaftspreis freut mich nicht nur als persönliche Auszeichnung, sondern besonders auch als Zeichen dafür, dass die Schnittstelle von Recht und Informatik zunehmend Aufmerksamkeit erfährt. Viele der anstehenden gesellschaftlichen Herausforderungen der Digitalisierung können wir nur durch eine derartige interdisziplinäre Perspektive lösen. Hierzu möchte gerade die ENS einen Beitrag leisten.
(FA)

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