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Kunstschätzen auf der Spur – Deutsch-ukrainisch-russisches Projekt über sowjetische Beutekunst mündet in digitaler Datenbank

Der Pergamonaltar, Raffaels Sixtinische Madonna, Juwelen aus dem Grünen Gewölbe in Dresden – Tausende von Kunstwerken wurden von sowjetischen Kunstbrigaden zum Ende des Zweiten Weltkriegs in Ostdeutschland beschlagnahmt. Eine an der Viadrina koordinierte deutsch-ukrainisch-russische Forschungsgruppe hat dazu über 1.000 bisher unbekannte Dokumente aufgespürt, die nun in einer Datenbank einsehbar sind.

„Es ist zutiefst erschütternd, wie präzise das System der Auswahl, Sammlung, Aufbewahrung und des Abtransports der Kulturschätze funktionierte. Es gab so viele Experten, die selbst Kunsthistoriker waren und trotzdem diese Aktionen als völlig gerecht betrachteten.“ So beschreibt die Moskauer Historikerin Dr. Tatiana Timofeeva von der Lomonossow Universität, was sie am meisten an den Original-Schriftstücken erstaunte, die die Beschlagnahmungen bis ins Kleinste dokumentieren.

Gemeinsam mit Dr. Frank Grelka vom Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien (ZIP) an der Viadrina, dem ukrainischen Historiker Dr. Dmytro Burim sowie ihrem Moskauer Kollegen Prof. Dr. Wladimir Sacharow hat Tatiana Timofeeva in den vergangenen Jahren in deutschen, ukrainischen und russischen Archiven erforscht, wie Tausende Kulturgüter von Weltrang zwischen 1944 und 1948 von Ostdeutschland in die Sowjetunion gelangten.

Als Wiedergutmachung für durch Nationalsozialisten zerstörte und geraubte Kunst und Kultur geplant, geriet die Kompensation – so einer der Schlüsse von Frank Grelka – zum Beutezug sowjetischer Kunstbrigaden. Bedeutend sei die Rekonstruktion von Besitz- und Eigentumsgeschichten unrechtmäßig entzogener Kunst- und Kulturgüter vor allem im Kontext des Kolonialismus, des Nationalsozialismus oder der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) beziehungsweise der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), ordnet der Viadrina-Historiker die gesellschaftliche und politische Relevanz ein.

Das Forschungsprojekt wurde von der Volkswagen Stiftung im Rahmen des Programms „Trilaterale Partnerschaften – Kooperationsvorhaben zwischen Wissenschaftler(inne)n aus der Ukraine, Russland und Deutschland“ gefördert. Dass die Kooperation keine Selbstverständlichkeit ist, stellten Tatiana Timofeeva und ihre Kollegen schnell fest. Während die Zusammenarbeit auf persönlicher Ebene problemlos verlief, war die politische Ebene weitaus komplizierter. „Wir konnten kein einziges Mal in Moskau, wo die Mehrheit der Akten liegt, zusammenkommen, da Dr. Burim nicht nach Moskau kommen durfte“, berichtet die Moskauer Historikerin. Ebenso wenig war es erwünscht, dass sie in Kiew forscht. „So trafen wir uns in Frankfurt – Deutschland ist eigentlich der beste Ort für wissenschaftliche Zusammenarbeit“, lautet ihr Fazit.

Als Ergebnis ist in Kooperation mit dem Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) eine Datenbank entstanden, in der die neben den rund 1.200 kommentierten Originaldokumenten rund 80 ins Deutsche übersetzte Schlüsseldokumente einzusehen sind.
(FA)

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