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Wie Pop-Videos und Comicstrips osteuropäische Erinnerungskulturen prägen – Konferenz „History goes Pop?“

Über populärkulturelle Formate der Geschichtsbearbeitung tauschten sich vom 10. bis zum 12. Dezember 2019 Literatur- und Kulturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus sechs Ländern an der Europa-Universität aus. Anlass war der interdisziplinäre Workshop „History Goes Pop? On the Popularization of the Past in Eastern European Cultures”.

Ausgangspunkt des Workshops war die Feststellung, dass insbesondere in den osteuropäischen Kulturen ein enormer Boom an populären, bzw. popularisierenden Formaten der Medialisierung historischer Ereignisse beobachtet werden kann. Mainstream-Filme, Romane, Comics, Graphic Novels, Fernsehserien, Computerspiele und Musikvideos spielen eine wichtige Rolle in der Rekonstruierung und Konsolidierung kollektiver Geschichtsbilder. Derartige Formate prägen heutige Erinnerungskulturen in stärkerem Maße als Geschichtspolitik, Schulbücher und Ausstellungen, so die Einstiegsthese von Dr. Nina Weller (Viadrina) und Prof. Dr. Matthias Schwartz vom Leibniz-Zentrum für Literatur- und Kulturforschung (ZfL), die die Veranstaltung gemeinsam organisiert hatten.

Im Anschluss an den von Barbara Korte und Sylvia Paletschek herausgegebenen Band „History Goes Pop. Zur Repräsentation von Geschichte in populären Medien und Genres“, der bereits 2009 ähnliche Phänomene in der westlichen Populärkultur untersuchte, lenkte der Workshop den Blick auf die Spezifika osteuropäischer Populärkulturen: Wie verhalten sich zeitgenössische fiktionale mediale Bearbeitungen von Vergangenheit im postsowjetischen Raum zur staatlichen Geschichtspolitik insbesondere in Belarus, Russland, der Ukraine und Ungarn – Länder, die heute von teils heftig umkämpften, miteinander konkurrierenden Interpretationen der Vergangenheit bestimmt sind.

In fünf thematischen Runden beschäftigten sich die Teilnehmenden mit unterschiedlichen Formen von Geschichts-Popularisierung in verschiedenen Ländern. Das Themenspektrum reichte von historischen Bezügen in ukrainischen Popmusik-Videos über billig produzierte russische Massenliteratur, in der militärische Zukunftsvisionen entworfen werden, bis zu belarussischen Comicstrips in einer populären historischen Zeitschrift. Im Rahmenprogramm fanden zudem eine Podiumsdiskussion und die Buchpräsentation von „Sirens of War. Populism, Politics of History and the Ukrainian-Russian Conflict“ mit Roman Dubasevych (Greifswald), Vakhtang Kebuladze (Kyiv) und Igor Sid (Moskau) statt.

Alle Beiträge zeigten sehr deutlich, wie fest die aktuellen osteuropäischen Kulturen im Bereich globalisierter populärer Medien verankert sind und zugleich, welche Rolle dabei Fragen der nationalen Identität und der geschichtspolitisch aufgeladenen Erinnerungskultur spielen. Die Teilnehmenden waren sich einig: In gegenwärtigen Kulturen sind mediale und ästhetische Verfahren der Dramatisierung, Emotionalisierung und Personalisierung von Geschichte überaus präsent. Diese Verfahren eröffnen einerseits alternative Perspektiven jenseits tradierter Geschichtsnarrative, dienen anderseits aber häufig auch deren affirmativer Bestätigung.
(Yaroslava Hryhorchuk, Nina Weller
Fotos: Roman Boichuk)

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