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Die Realität jenseits der Richtlinien – Viadrina-Institut lud zur Tagung über Arbeitsmobilität

Gesetze und Richtlinien für die Arbeitswelt jenseits der Grenze sind das Eine. Der Lebenswirklichkeit von Arbeitsmigrantinnen und -migranten entsprechen sie oft nicht. Davon berichteten Vertreterinnen und Vertreter aus der Beratungspraxis zum Abschluss einer Tagung des Frankfurter Instituts für das Recht der Europäischen Union (fireu) am 14. Februar im Collegium Polonicum.

In der Hamburger Rechtsanwaltskanzlei von Dr. Jan Schürmann steht nicht selten ein hilfesuchender, polnischer Arbeitnehmer, der von seinem Auftraggeber nur einen Vornamen und eine Handynummer hat. „Wenn ich diesen Wojtek dann anrufe, weil er seine Arbeiter nicht bezahlt, ist die Nummer nicht vergeben. Und einen Nachnamen hat Wojtek meist auch nicht“, spitzt Schürmann seine Erfahrung zu. Spätestens zu diesem Zeitpunkt ist die Tagung über Arbeitsmobilität in der harten Realität angekommen.

Zuvor waren – eingeladen und moderiert von Prof. Dr. Eva Kocher und Prof. Dr. Oliver L. Knöfel – Experten zu Wort gekommen, die den rechtlichen Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit aus Sicht der EU, Deutschlands, Polens und Großbritanniens beleuchteten. Schwerpunkt war dabei die im vergangenen Jahr veränderte Entsende-Richtlinie. Rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer verfolgten die Vorträge.

Am Nachmittag geht es dann um die Lebenswirklichkeit der Arbeitsmigrantinnen und -migranten. Neben Rechtsanwalt Schürmann kommen Monika Fijarcyk vom Berliner Beratungszentrum für Migration und Gute Arbeit und Dr. Kamila Schöll-Mazurek vom Polnischen Sozialrat mit Viadrina-Juristin Prof. Dr. Eva Kocher ins Gespräch. „Die Arbeitsvermittler erreichen die Gipfel der Fantasie, um Vorschriften zu umgehen“, lautet das ernüchternde Fazit von Dr. Kamila Schöll-Mazurek. Hingegen fehle der politische Wille, derartige Verfehlungen zu prüfen. Dem pflichtet Rechtsanwalt Dr. Jan Schürmann bei. „Wenn deutsche Behörden kontrollieren, dann sind sie an den Sozialversicherungsbeiträgen interessiert, nicht an den Arbeitnehmerrechten“, berichtet er aus seiner Erfahrung. Er sieht sprachliche und kulturelle Barrieren. Manch einem müsse er den Unterschied zwischen brutto und netto erst erklären.

Monika Fijarcyk entgegnet, dass in ihrer Beratungspraxis – 2018 kamen 1.300 polnische Personen in ihre Beratungsstelle – die allermeisten den Unterschied zwischen Brutto- und Nettolohn sehr wohl kennen. „Wir haben es viel zu häufig mit vorsätzlichem Betrug zu tun“, sagt sie über die informellen Arbeitsvermittlungen. Da würden keine Löhne bezahlt, Urlaub verweigert, Kündigungsschutz missachtet. Der Zugang zu Arbeitsgerichten sei für viele Opfer solch einer Praxis zu schwierig.

Prof. Dr. Eva Kocher schließt die Runde letztlich mit der Feststellung, dass es eine wichtige Aufgabe sei, diese Probleme sichtbar zu machen und für eine größere Sensibilisierung zu sorgen. (FA)

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